# taz.de -- Südjemeniten suchen Unabhängigkeitsstrategie: Vorbild Südsudan
       
       > Rund 60 Vertreter aus dem Südjemen, die zurzeit im Exil leben, haben sich
       > Brüsselgetroffen. Sie wollen über eine Strategie für die Unabhängigkeit
       > ihrer Heimat zu beraten.
       
 (IMG) Bild: Proteste in Saana: Exiljemeniten wollen nun den Druck auf die Regierung erhöhen.
       
       Die Protestbewegung aus dem Jemen ist am vergangenen Wochenende nach
       Brüssel geschwappt. Rund 60 Vertreter aus dem Südjemen, die zurzeit in
       Europa und den Vereinigten Staaten im Exil leben, haben sich in einem Hotel
       in der belgischen Hauptstadt getroffen, um über eine gemeinsame Strategie
       für die Unabhängigkeit ihrer Heimat zu beraten. "Jetzt ist der richtige
       Zeitpunkt. Der arabische Frühling hilft uns. Immer mehr Menschen im Jemen
       sind unzufrieden und gehen auf die Straße", sagt der Journalist Ahmed Bin
       Fareed, der in Bonn lebt und das Treffen mitorganisiert hat.
       
       Seit 1990 sind der Norden und der Süden des Landes vereint, wobei es 1994
       zu einem Bürgerkrieg kam, den der Norden gewann. Doch seit einigen Jahren
       gibt es im Süden wieder eine Unabhängigkeitsbewegung. "Wir waren die ersten
       des arabischen Frühlings", sagt Bin Fareed. Nach Schätzungen des ehemaligen
       Präsidenten des Südens, Ali Salim al-Beidh, sind dabei bereits über 800
       Menschen gestorben.
       
       Unter seiner Führung wollen sich die Exiljemeniten nun besser organisieren
       und den Druck auf die Regierung in der Hauptstadt Sanaa erhöhen. "Wir leben
       seit 1994 in einem besetzen Land, das weder demokratisch organisiert ist
       noch die Menschenrechte achtet. Die Menschen im Süden leiden. Die
       Unabhängigkeit ist die einzige Lösung", sagt al-Beidh.
       
       Nach der Vereinigung, sagt der ehemalige Präsident, haben in Europa viele
       die Situation in seinem Land mit der deutschen Wiedervereinigung
       verglichen. "Aber es hatte nichts miteinander zu tun. Wir haben ein
       einziges Desaster." Die Regierung im Norden habe das Vereinungsabkommen, in
       dem von einem demokratischen und pluralistischen Staat die Rede ist,
       "verraten", Soldaten in den Süden geschickt, um die Menschen
       einzuschüchtern, Land an sich gerissen, Menschen vertrieben und in der
       Verwaltung nahezu alle wichtigen Posten mit Vertretern aus dem Norden
       besetzt.
       
       ## Protestbewegung besser organisieren
       
       Im Süden leben nur 3 bis 4 Millionen Menschen; im Norden dagegen rund 20
       Millionen. Al-Beidh selbst ging 1994 ins Exil. Heute lebt er mit seiner
       Familie in Österreich.
       
       Das Treffen in Brüssel war das erste seiner Art, bei dem Vertreter
       verschiedener Parteien und Strömungen aus dem Süden zusammen gekommen sind.
       Ein 21-köpfiges Gremium soll nun eine große Südjemen-Konferenz vorbereiten,
       die in einigen Monaten stattfinden soll. Bis dahin wollen die im Exil
       lebenden Südjemeniten in ihrem Land die Protestbewegung besser
       organisieren. Viele von ihnen haben täglich Kontakt mit der Heimat. Die
       Situation dort sei "sehr gefährlich", ein Bürgerkrieg nicht ausgeschlossen,
       meint der Journalist Bin Fareed.
       
       Die derzeitigen Demonstrationen im Norden sehen die Südjemeniten mit
       gemischten Gefühlen. Einerseits hoffen sie, dass das Regime von Präsident
       Ali Abdullah Salih geschwächt oder sogar gestürzt wird. Andererseits
       glauben sie nicht, dass der Norden jemals die Gleichberechtigung des
       südlichen Landesteils anerkennen wird.
       
       "Die Familie des Präsidenten hat zu viel Macht an sich gerissen. Deshalb
       kehrt sich ihr Stamm nun gegen sie. Aber für uns würde ein Machtwechsel
       innerhalb des Stammes kaum etwas ändern", meint al-Beidh. Er ist überzeugt,
       dass Salih nicht mehr in den Jemen zurück kehren wird, sondern seine
       Familie - allen voran seinen Sohn Ahmad - mit der Führung der
       Staatsgeschäfte betrauen wird. Salih wurde bei einem Angriff auf das
       Gelände des Präsidentenpalasts am 5. Juni schwer verletzt und wird in
       Saudi-Arabien medizinisch behandelt.
       
       ## Waffen werden abgelehnt
       
       Der ehemalige Präsident des Südjemen wünscht sich mittelfristig ein
       Referendum im Süden des Landes - ähnlich wie im Sudan. "Die Menschen sollen
       sich frei entscheiden können, ob sie einen gemeinsamen Staat mit dem
       Norden, einen Föderalstaat oder die Unabhängigkeit wollen", sagt al-Beidh.
       Nach der Meinung der Exiljemeniten unterstützten rund 80 Prozent der
       Bevölkerung im Süden die Unabhängigkeitsbestrebungen.
       
       Sie hoffen, dass sich vor allem junge Menschen ihrem Projekt anschließen
       und auch im Jemen selbst die Protestbewegung voranbringen werden. "Wir
       müssen eine Stadt nach der anderen unter unsere Kontrolle bringen und
       zeigen, dass wir besser regieren können als das derzeitige Regime aus dem
       Norden", meint al-Beidh. Einen Einsatz von Waffen lehnt er im Gespräch
       jedoch ab.
       
       27 Jun 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ruth Reichstein
       
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