# taz.de -- Dredener Datenskandal: "Nichts getan, nichts zu verbergen"
       
       > Darf die Polizei bei Demos Handydaten sammeln und Gespräche abhören, so
       > wie das im Februar in Dresden geschehen ist? Die Dresdner sind sich da
       > nicht einig.
       
 (IMG) Bild: Von sauer und ratlos bis egal: Altstadt in Dresden.
       
       DRESDEN taz | Spontanumfrage in der Dresdner Südvorstadt vor rund einer
       Woche. Da war es schon fünf Tage her, dass die taz die massenhafte
       Erfassung von Mobilfunkverbindungsdaten bei einer Anti-Nazi-Demo am 19.
       Februar aufgedeckt hatte.
       
       Sie erfolgte vor allem in diesem Viertel, in dem die Junge Landsmannschaft
       Ostdeutschland vor zwei Jahren schon einmal einen geisterhaften "Trauerzug"
       zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens 1945 veranstalten durfte. In diesem
       Jahr verhinderten das meist friedliche Blockaden, aber auch teils brennende
       Barrikaden.
       
       Mehrere Tage also nachdem auch die Regionalpresse und das Fernsehen die
       Schlagzeilen aufgegriffen hatten, hatten fast alle der spontan
       angesprochenen BewohnerInnen noch nichts von dem Datenskandal gehört. Nicht
       einmal zwischen Hauptbahnhof und Universitätscampus, wo unter den rund
       12.000 erfassten AnwohnerInnen zahlreiche Studierende sind.
       
       Viele müssen erst mal die Kopfhörer abnehmen, um überhaupt kontaktfähig zu
       sein. Nein, ich weiß von nichts, antworten die meisten auf die Frage, was
       sie dazu sagen, wie mit vertraulichen Daten umgegangen werde.
       
       ## Angriff auf Privatspähre
       
       Viele runzeln die Stirn oder kratzen sich am Kopf, wenn man sie über den
       Datenskandal aufklärt. "Dann ist also jeder und jede ein Täter und eine
       Täterin oder zumindest verdächtig", schlussfolgert ein junger Mann. Man
       wisse tatsächlich kaum noch, was so alles erfasst werde, pflichtet sein
       Kommilitone bei. Er habe gerade erst von Smartphones gehört, mit denen man
       genau geortet werden könne. Einmal angespitzt, haben dann nur wenige keine
       eigene Meinung mehr.
       
       Ein paar Straßen weiter schiebt eine junge Mutter einen Kinderwagen. Sie
       hat immerhin die Demo damals mitbekommen und auch vom Live-Ticker gehört,
       an dem sich Gegendemonstranten orientierten. "Ganz schön fragwürdig, so
       weit in die Privatsphäre einzudringen", kommentiert sie die
       Funkzellenabfrage. Doch ein wenig verstehe sie auch die Polizei, sagt sie:
       Die müsste sich ja auch schützen.
       
       Der Datenschutzmissbrauch sei bedenklich, sagt ein Mann, der gerade seinen
       Müll zur Tonne an der Straße trägt. Aber solange Verbindungen nur an
       solchen Tagen erfasst würden, könne er damit leben, sagt er: "Lieber so,
       als wenn etwas passiert."
       
       Würden die Angesprochenen sich bei der Polizei erkundigen, was diese mit
       den Daten macht? Die Frage überfordert manche sichtlich. Das Echo ist
       schließlich geteilt. "Eher ja", meint eine Studierende. Sie jedenfalls
       finde Gefallen an dem Gedanken, bei der Polizei nachzufragen: "Schon
       allein, um denen noch mehr Stress zu machen. Wenn schon Erfassung, dann
       richtig."
       
       Der jungen Mutter hingegen wäre der Aufwand zu groß. "Ich habe nichts
       getan, ich habe nichts zu verbergen", sagt sie. Damit offenbart sie genau
       jene Haltung, die der FDP-Landtagsabgeordnete Carsten Biesok in der
       Landtagsdebatte vor wenigen Tagen als Untertanengeist bezeichnet hatte.
       
       ## Erfolg: Keine Nazis
       
       Ganz anders Katja, die in der Dresdner Neustadt unterwegs ist. Sie war am
       19. Februar friedlich in der Südvorstadt dabei und gehörte zu den
       Gegendemonstranten, die von der Polizei eingekesselt wurden. Zweimal
       erhielt sie bereits Post von der Staatsanwaltschaft. Im zweiten Schreiben
       wurde ihr unter völliger Missachtung des ersten Vernehmungsbogens
       vorgeworfen, sie sei der Aufforderung zum Verlassen des Demoplatzes nicht
       nachgekommen und habe einen genehmigten Aufzug blockiert.
       
       Katja hat sich mit Bekanntwerden der Datenaffäre sofort entschlossen,
       Auskunft zu verlangen. Verletzte Polizisten und brennende Barrikaden finde
       sie "überhaupt nicht gut", sagt sie. Aber der Eifer, mit dem im Nachhinein
       gegen Demonstranten vorgegangen werde, verkehre diesen Tag im Februar in
       sein Gegenteil. Sie sagt: "Damals hat kein Nazi-Aufmarsch stattgefunden,
       das ist doch ein Erfolg." Die seinerzeit überforderte Polizei versuche
       nachträglich die Ordnung wiederherzustellen, bleibe aber den
       Fahndungserfolg gegen die wirklichen Gewalttäter nach wie vor schuldig.
       
       Nach denen hat die Polizei im Nachhinein auch bei Busunternehmen gefahndet,
       die Gegendemonstranten nach Dresden brachten. Und das, obwohl einige Busse
       schon an den Autobahnabfahrten gestoppt wurden. 
       
       Die Beamten wollten von den Busunternehmen unter anderem wissen, wo
       Fahrgäste ein- und ausstiegen, worüber sie gesprochen hatten und welche
       Transparente sie bei sich trugen. Sie hatten auch nach Mietverträgen und
       Kopien der Ausweise von Kunden gefragt.
       
       Die Staatsanwaltschaft Dresden hat wegen der 112 verletzten Polizisten aber
       noch kein einziges Ermittlungsverfahren einleiten können.
       
       3 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Generalstaatsanwalt über Funkzellenabfrage: "Wir suchten die Nadel im Heuhaufen"
       
       Sachsens Generalstaatsanwalt Fleischmann über Konflikte beim Dresdner
       Naziaufmarsch und die Frage, ob in Sachsen Linke stärker verfolgt werden
       als Rechte.
       
 (DIR) Dresdner Überwachungsskandal: Handydaten bleiben unter Verschluss
       
       Der Staatsanwalt verweigert die Auskunft über gesammelte Handydaten.
       Bundestagsvize Wolfgang Thierse ist empört und überlegt, zu klagen.
       
 (DIR) Dresdner Handydatenaffäre: Journalistendaten in der Blackbox
       
       Nach der Datenaffäre drängt der Deutsche Journalisten-Verband auf Klarheit,
       wer von der Datenauswertung betroffen war. Sachsens Justizminister
       behauptet, keine Ahnung zu haben.
       
 (DIR) Streit der Woche zum Dresdner Handygate: "Mehr Kontrolle ist nötig"
       
       Nach der Spähaktion der sächsischen Polizei will die Linke mehr
       Kontrollmöglichkeiten. Eine Polizeigewerkschaft wehrt sich gegen solcherlei
       "skurrilen Unfug".
       
 (DIR) Handyüberwachung Dresden: Datenspur auf der Autobahn
       
       Erst die Handydaten, dann Details über Demonstranten: Sachsens
       Innenminister Ulbig hält die verdachtsunabhängige Massenerhebung unter
       Busunternehmen für völlig unbedenklich.
       
 (DIR) Dresdner Handy-Skandal: Innenminister täuscht die Öffentlichkeit
       
       Zuerst wurde der Polizeichef abgesetzt - nun fordert die Opposition auch
       den Kopf des sächsischen Innenministers. Die Linkspartei will eine
       Sondersitzung einberufen.