# taz.de -- Übergabe von getöteten Palästinensern: Leichen als Verhandlungsmasse
       
       > Israels Verteidigungsminister Barak stoppt die Übergabe von 84 getöteten
       > Palästinensern. Die Leichen dienen als Pfand für einen entführten
       > israelischen Soldaten.
       
 (IMG) Bild: Muss weiter warten: Naima, Mutter der 1998 getöteten Awadallah-Brüder.
       
       JERUSALEM taz | Die toten Körper der Brüder Adel und Emad Awadallah sollen
       als Faustpfand für künftige Verhandlungen um die Befreiung des entführten
       Soldaten Gilad Schalit herhalten. In letzter Minute hat Israels
       Verteidigungsminister Ehud Barak die Übergabe von insgesamt 84 toten
       Palästinensern an die Autonomiebehörde in Ramallah deshalb gestoppt.
       
       Hussein al-Sheikh, Chef der palästinensischen Generalverwaltung für
       Zivilangelegenheiten, zeigte sich über den Sinneswandel in Jerusalem
       erstaunt. Schon am Montag hatte er die ihm von Israel ausgehändigte Liste
       mit den Namen der toten Palästinenser veröffentlicht.
       
       Es hatte eine "humanitäre Geste" sein sollen, so verlautete Anfang der
       Woche aus dem Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, um den
       Familien die Beerdigung ihrer Väter, Söhne und Töchter noch vor Beginn des
       Fastenmonats Ramadan am 1. August zu ermöglichen.
       
       "Wir handeln nicht mit Leichen", hieß es. Israel hege keine Einwände gegen
       einen Transfer der Toten. Nicht ganz so großzügig reagierte indes eine
       Reihe von Ministern. Israel müsse "alle Trümpfe" für einen Handel um Gilad
       Schalit in der Hand behalten, kommentierte Dan Meridor, Minister für
       Geheimdienste. Der entführte Soldat befindet sich seit fünf Jahren in den
       Händen der Hamas im Gazastreifen. Mehr als eintausend palästinensische
       Häftlinge fordert die Hamas für einen Geiseltausch.
       
       Die 1998 von der israelischen Armee exekutierten Brüder Awadallah gehörten
       zur Führungsriege der Hamas-nahen Terrorgruppe Essedin al-Kassam. Die
       Namensliste umfasst Kämpfer aus der frühen Besatzungszeit und
       Selbstmordattentäter aus den Jahren der Zweiten Intifada, darunter die
       29-jährige Anwältin Hanadi Dscharadat aus Dschenin, die in einem Haifaer
       Restaurant 21 Menschen mit sich in den Tod riss.
       
       Nach Auskunft von Hussein al-Sheikh rechneten die Palästinenser nicht nur
       mit den 84, sondern mit weiteren 102 Leichen, die "Israel ohne
       Vorbedingung" in Kürze den Palästinensern übergeben wolle. Barak räumte
       angesichts der fortgesetzten Verwesung raschen Handlungsbedarf ein. "Schon
       bald wird es nichts mehr geben, was ausgeliefert werden könnte." Dennoch
       solle erneut die Identität der Leichen überprüft werden.
       
       5 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
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