# taz.de -- Die Fitness der Deutschen: Treppe reicht nicht
       
       > Von der Athletik der deutschen Fußballerinnen wurde vor der WM mehr
       > erwartet. Ihre ersten Auftritte jedoch enttäuschten. Wie haben sie
       > eigentlich trainiert?
       
 (IMG) Bild: Da geht noch was: Saskia Bartusiak und Celia Okoyino da Mbabi beim Training
       
       BERLIN taz | Schweißgebadet quälten sie sich die 220 Holzstufen vor den
       Toren Kölns hinauf; die gefürchtete „Himmelsleiter“ ist der schlimmste Teil
       des zweimonatigen Vorbereitungsprogramms der deutschen
       Nationalspielerinnen. Vor der WM war man allseits davon überzeugt, dass
       athletisch niemand an die Deutschen herankommt: Sie waren schnell, wendig
       und ausdauernd. Doch ihre Auftritte bei der WM erinnern eher an den alten
       kraftvollen deutschen Fußball.
       
       In Sachen Fitness ist der deutsche Fußball, insbesondere der Frauenfußball,
       immer ziemlich weit vorn gewesen. Seit mehr als zehn Jahren werden beim
       Deutschen Fußballbund (DFB) mit einer sich stets verfeinernden Methodik
       alle möglichen Körperdaten zum Zwecke der Effizienzsteigerung erhoben und
       gespeichert. Bei den 15-jährigen Auswahlspielerinnen werden ermittelte
       Werte bereits archiviert.
       
       Der auch dem Laien bekannte Laktattest, der darüber Aufschluss gibt, unter
       welcher Belastung die Muskeln zu übersäuern anfangen, ist nur einer von
       zahlreichen Testverfahren. Andere Untersuchungen etwa geben detailliert
       Auskunft über das Stoffwechselgeschehen in der Muskulatur während eines
       Sprints. Dabei richtet sich das Interesse darauf, wie schnell sich
       Spielerinnen erholen und wie diese Vorgänge optimiert werden können.
       
       Es ist ein großer wissenschaftlicher Apparat, den der DFB dafür
       installiert. Aber noch, das zeigt gerade bei dieser WM das Spiel gegen
       Nigeria, ist es nicht ausreichend. Das DFB-Team ist den Konkurrenten bei
       weitem nicht so überlegen, wie man zuvor annehmen konnte.
       
       Hans-Jürgen Tritschoks, einst Bundesligatrainer beim 1. FFC Frankfurt und
       heute Dozent an der Sporthochschule Köln, resümiert: „Nigeria konnte das
       Spiel gegen Deutschland läuferisch ausgeglichen halten. Die haben enorm
       aufgeholt.“ Entscheidend dafür ist laut Tritschoks die Verpflichtung des
       deutschen Trainers Thomas Obliers Anfang April. Wenn man entsprechend
       laufbegabte Spielerinnen zur Verfügung habe, könne man auch binnen weniger
       Monate größere Erfolge erzielen.
       
       ## Geheimwissen gibt's nicht
       
       Die Rezepte dazu beruhen laut dem promovierten Sportmediziner Tritschoks
       auf keinem Geheimwissen: „Es gibt da nirgendwo einen Erkenntnisvorsprung –
       auch nicht bei den Amerikanerinnen, die bei dieser WM den bislang stärksten
       Eindruck gemacht haben.
       
       Geheim gehalten wird lediglich, wie man das Training periodisiert, wann man
       neue Reize setzt. Da hat jeder seine eigenen Erfahrung.“ Sprich: Wer die
       beste Formel besitzt, in welchem Maße und in welcher zeitlichen Abfolge
       Kraft-, Schnelligkeits,- Beweglichkeits- und Konditionstraining in ein
       Verhältnis zueinander gesetzt werden, der erzielt die besten Ergebnisse.
       
       Selbst innerhalb eines Verbandes lässt man sich da nicht so gerne in die
       Karten schauen, wie Philipp Dahm, der Konditionstrainer des 1. FFC
       Frankfurt, erzählt. Sein Kollege Norbert Stein, der das deutsche
       Nationalteam für die WM fit machte, habe sich vor einiger Zeit bei ihm über
       seine Arbeit erkundigt und ihn zumindest wissen lassen, dass sich sein
       Ansatz annähernd mit dem eigenen decken würde. Details verrät natürlich
       auch Dahm nicht.
       
       Im Unterschied zum Männerfußball, erklärt Tritschoks, lägen bei den Frauen
       jedoch noch sehr viele Ressourcen frei. Insofern erstaunt es schon, dass
       zumindest in Nordkorea das Team offensichtlich bereits jetzt zu unerlaubten
       Mitteln greift. Professionelles Training gebe es selbst in Deutschland noch
       nicht so lange. Vor drei bis vier Jahren hätten die meisten deutschen
       Vereine noch nicht einmal vormittags trainiert.
       
       ## Training, Ernährung, Regeneration
       
       Im Ausdauerbereich lägen die Frauen mit durchschnittlich 9 Kilometer
       Laufleistung pro Spiel zwar gar nicht so weit von den Männern (10
       Kilometern) entfernt, die Anzahl der Sprints über 90 Minuten seien jedoch
       wesentlich geringer. Konkrete Zahlen kann er dazu nicht liefern, über die
       Geschwindigkeitsentwicklung schon: Auf den ersten zehn Metern hätten sich
       die Frauen im Schnitt um zwei bis drei Zehntel gesteigert. Auch hier sieht
       Tritschoks weiteres Steigerungspotenzial.
       
       Dass Frauen anders getrimmt werden müssen als Männer, ist schon lange
       bekannt, sagt Dahm. „In der Muskulatur von Frauen vollziehen sich andere
       biologische Prozesse. Wenn man den Muskelquerschnitt vergrößern will,
       dauert das länger als bei Männern.“ Die Belastung beim Krafttraining müsse
       deshalb anders gewichtet werden. Ein ausgefeiltes Fitnesstraining allein,
       erläutert Dahm, würde allerdings noch lange keine starke physische Präsenz
       auf dem Rasen garantieren.
       
       Mehrere Faktoren seien zu berücksichtigen. Er erklärt: „Die Faustregel
       lautet: 40 Prozent Training, 40 Prozent Ernährung, 20 Prozent
       Regeneration.“ Beim Essen, so die Erfahrung von Dahm, der auch beim 1. FSV
       Mainz 05 tätig war, seien Frauen achtsamer als Männer. Drei bis vier Liter
       Flüssigkeitszufuhr täglich erachtet er ebenso als unerlässlich wie
       möglichst fettfreie und kohlenhydrathaltige Nahrungszufuhr.
       
       Zahlreiche Umstände sind also zu beachten, will man ein möglichst fittes
       Team auf den Rasen schicken. Aber selbst die in dieses komplexe System
       eingebundene Spielerinnen neigen zuweilen dazu, die Dinge zu vereinfachen.
       Konditionstrainer Dieter Stein hat nach dem WM-Gewinn 2007 in China stolz
       erzählt, dass seine Spielerinnen ihm gesagt hätten: „Die Treppe wars.“ Das
       erinnert ein wenig an die mythischen Zuschreibungen, welche der
       Trainingshügel von Felix Magath in Wolfsburg genießt. Hans-Jürgen
       Tritschoks hält das aus wissenschaftlicher Perspektive für unseriös, ein
       einzelnes Element der Vorbereitung so hervorzuheben.
       
       8 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Kopp
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