# taz.de -- Grenzkontrollen in Dänemark: "Deutschland, Land der Egoisten"
       
       > Wenn man sich an der deutsch-dänischen Grenze umhört, wie die Leute die
       > Kontrollen beurteilen, erntet man Kopfschütteln – über die Frage. Viel
       > Lärm um nichts? Man wird sehen.
       
 (IMG) Bild: Man soll sich in Deutschland nur nicht so anstellen, heißt es in Dänemark. Und alles sei von der Presse aufgebauscht.
       
       SÜDERLÜGUM taz | "Wir empfinden das gar nicht so, und mit einem
       Autokennzeichen von Nordfriesland lässt man uns sowieso durch", sagt
       Fischhändler Stefan Stork, der täglich seinen Fisch in Süderlügum oder
       Niebüll an die Frau oder den Mann bringt.
       
       "Den deutschen Zoll gibt es doch auch. Hier, südlich von Süderlügum, werden
       auch ab und zu Leute rangewunken", sagt er. Stefan Stork meint, dass alles,
       was bisher geschrieben und gesendet wurde, von den Medien übertrieben sei.
       "Ich wohne im letzten Haus vor dem Grenzübergang, und bis jetzt habe ich
       keinen Unterschied durch die Grenzkontrollen festgestellt", sagt er.
       
       Michael Petersen, langjähriger Mitarbeiter von Edeka in Süderlügum, das mit
       billigen Dosenbieren ohne Pfand für die dänischen Kunden wirbt, hat auch
       kein Problem mit den Grenzkontrollen. "Find ich gut. Wer nichts zu
       verbergen hat, kommt ja durch", sagt er.
       
       ## "Land der Egoisten"
       
       "Meiner Meinung nach verkommt Deutschland immer mehr zu einem Land der
       Egoisten. Die Dänen machen etwas für sich selbst, und schnell kommen sie in
       Verruf. Es gibt ja nicht eine Mehrkontrolle. Nur neue Zollstationen wollen
       sie bauen", sagt Michael Petersen.
       
       Die vor zwei Monaten in Dänemark beschlossene Wiedereinführung der
       Zollkontrollen an den Grenzen zu Deutschland und Schweden hat viel Staub
       aufgewirbelt – nicht nur in Dänemark, sondern auch in anderen Staaten der
       EU. Ganz besonders in Deutschland, wo Hessens Europaminister Jörg-Uwe Hahn
       (FDP) vergangene Woche gar zu einem Boykott Dänemarks vonseiten deutscher
       Touristen aufrief. "Dann drehen Sie lieber um und fahren nach Österreich
       oder Polen", äußerte er sich in einem Boulevardblatt.
       
       Vor einer Woche trat sie denn auch in Kraft, die neue Grenzkontrolle. Ganze
       30 Zöllner wurden abgestellt, um, wie Dänemarks Finanzminister Claus Hjort
       Frederiksen (Liberale) es beschrieb: "Die grenzüberschreitende Kriminalität
       von ausländischen Gewalttätern, Rauschgiftschmugglern, Schwarzarbeitern und
       Einbrechern zu stoppen".
       
       ## Die Dänische Volkspartei
       
       Schon am ersten Tag waren die Zöllner genervt, nicht etwa von den Horden
       von Gewalttätern, Rauschgiftschmugglern und Einbrechern, sondern von den
       zahlreichen Reportern und Fotografen, die das Jahrhundertereignis
       festhalten wollten. Gefunden haben die Zöllner nichts am ersten Tag der im
       Gesetzestext beschriebenen "gestärkten Grenzkontrolle". Ganz so doof sind
       die ausländischen Gewalttäter, Rauschgiftschmuggler, Schwarzarbeiter und
       Einbrecher wohl auch nicht.
       
       Um die Maßnahme der dänischen Minderheitsregierung von Ministerpräsident
       Lars Lökke Rasmussen zu verstehen, muss man zehn Jahre zurückschauen. Im
       November 2001 gewann der jetzige Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen
       von der rechtsliberalen Partei Venstre die Wahlen gemeinsam mit seinem
       Koalitionspartner, den Konservativen. Doch zum Regieren reichte es nicht.
       Die nationale Dänische Volkspartei musste mit ins Boot, um eine Mehrheit im
       dänischen Parlament, dem Folketing, zu bekommen. Nicht in die Regierung,
       sondern als Mehrheitsbeschafferin.
       
       ## Wer nicht pariert, fliegt raus
       
       Die Dänische Volkspartei von Parteichefin Pia Kjärsgaard, die sich 1995 von
       der Fortschrittspartei des Steuerrebellen und Islamhassers Mogens Glistrup
       abgespalten hatte, wurde noch vor der Wahl von Sozialdemokaten als "nicht
       stubenrein" beschrieben. Dazu muss man wissen, dass sie die
       Fortschrittspartei nicht verließ, weil sie mit der Politik unzufrieden war.
       Nur die Basisdemokratie von Mogens Glistrups Partei und dessen liberale
       Weltanschauung war ihr zuwider. Die Dänische Volkspartei wird von ihrem
       Wohnzimmer aus gelenkt. Wer nicht pariert, fliegt raus.
       
       Seit der Parlamentswahl im Jahr 2001 hat die Dänische Volkspartei die
       dänische Politik geprägt wie keine andere Partei im Land, und das
       ausgerechnet in Skandinavien, das stets als weltoffen und liberal galt.
       
       Das wird immer dann am deutlichsten, wenn die Minderheitsregierung im
       Herbst ihren Haushalt vorlegt. Als fester Partner muss die Dänische
       Volkspartei ihre Klientel bedienen. Und das heißt fast immer: mehr Geld für
       die "kleinen Leute" – sprich für dänische Rentner – und größere Hürden für
       die ausländische Bevölkerung. Manche Dänen fragen sich schon: "Was fällt
       denen nächstes Mal ein?"
       
       Jetzt fiel ihnen die Grenzkontrolle ein. Finanzminister Claus Hjort
       Frederiksen legte die Karten auf den Tisch. Dänemark macht neue Schulden,
       weil die Konjunktur nicht anspringt. Die Gesellschaft ist überaltert, junge
       Leute fehlen. Bisher galt: Ab 60 Jahren kann man sich für ein bescheidenes
       Vorruhestandsgeld vom Arbeitsmarkt verabschieden, und ab 65 geht man dann
       in die staatliche Rente, in die man übrigens nicht einzahlt, sondern die
       über die Steuern erhoben wird. Wie auch die Krankenversicherung.
       
       ## Rente gegen Grenze
       
       Die Dänische Volkspartei, die sich bis da beharrlich zu dem Recht ihrer
       Wähler bekannte, sich mit 60 Jahren vom Arbeitsmarkt zurückziehen zu
       können, musste nachgeben. In einer Regierung von Sozialdemokraten,
       Sozialisten und den Stalinisten und Trotzkisten der Einheitsliste mit den
       Linksliberalen, wie sie die letzten Meinungsumfragen für die anstehende
       Parlamentswahl im Herbst voraussagen, hätte die Dänische Volkspartei gar
       nichts mehr zu sagen. Das Kalkül der Dänischen Volkspartei: Wir haben zwar
       unser Wahlversprechen, am Rentenausstiegsalter nicht zu rütteln, nicht
       gehalten, aber dafür haben wir etwas für die innere Sicherheit getan. Also:
       Grenze zu!
       
       Das hatte die Partei, damals in der Opposition, schon vor Jahren auf ihre
       Fahnen geschrieben. Hatte sie doch mit ihrem Slogan "Für Krone und
       Vaterland" einst die Einführung des Euro in Dänemark verhindert. In der
       vergangenen Woche noch schrieb die Vorsitzende der Dänischen Volkspartei
       auf ihrer Internetseite, es sei ein Unding, dass die EU Bulgarien und
       Rumänien als Schengen-Länder in die EU aufgenommen hat. Ein Fehler, wie
       sich herausstellte. Denn die beiden Länder sind gar keine Schengen-Länder.
       
       Um Schadensbegrenzung bemüht war es dann auch ihr für die Außenpolitik
       zuständiger Parteifreund, Sören Espersen, der sagte: "Das war ein Fehler.
       Was wir wollen, ist, dass diese Länder nicht Schengen-Mitglieder werden."
       
       ## Die Grenze ist verwaist
       
       An der Grenze fasst man sich an den Kopf. Am Grenzübergang Saed an der
       dänischen Hauptstraße 11, die längs der Westküste bis nach Aalborg führt,
       herrscht Easy Living. 30 Kilometer nördlich der Grenze, in Skärebäk, das
       bis 1920 noch Scherrebek hieß und zur preußischen Provinz Nordschleswig
       gehörte, hört man die gleiche Meinung. "Da hat die Presse was aufgebaut,
       was es hier bei uns nicht gibt - alles aufgebauscht", sagt Teddy, der Wirt,
       der ein Bier für billige 19 Kronen auftischt. "Hier schüttelt man den
       Kopf", sagt er.
       
       An der dänischen Westküste in Nordschleswig hat sich nichts geändert. Autos
       mit den deutschen Nummerschildern HH, H, PI, HEI, WOB oder BS brausen immer
       noch unbehelligt nach Dänemark. Auch am vergangenen Sonnabend war hier
       nichts los.
       
       Und was geschieht mit der dänischen Politik? Spätestens im November wird
       gewählt. Der Ministerpräsident hält sich bedeckt. Was übrig bleibt, ist,
       dass sein Finanzminister die Dänische Volkspartei hinters Licht geführt
       hat. Im April redete Pia Kjärsgaard noch von geschlossenen Grenzen, jetzt
       sind es nur noch Stichproben des Zolls. Maximal vier von tausend werden
       kontrolliert. Schengen lässt grüßen.
       
       Auch die Tourismusbranche ist von einem Boykott nicht betroffen. "Einige
       Deutsche finden, dass die Regierung damit ein falsches Signal setzt. Viele
       aber sagen, dass sie das gut finden", sagt der Sommerhausvermittler Jan
       Brusgaard von Ferienpartner Thy in der Ferienoase Vorupör. Übrigens: Am
       Grenzübergang Saed waren am vorigen Sonnabend keine Zöllner zu sehen.
       
       12 Jul 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carsten Hougaard
       
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       Antworten auf wichtige Fragen.