# taz.de -- Wiedereinführung von Grenzkontrollen: EU-Kommission verteidigt Schengen
       
       > Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Schengenraum soll künftig bei
       > der EU genehmigt werden müssen. So will es die zuständige Kommissarin.
       > Doch es gibt Widerstand.
       
 (IMG) Bild: Dänemark hatte als erstes EU-Land die Grenzkontrollen wieder eingeführt.
       
       BRÜSSEL dpa | Im Streit um die Wiedereinführung von Grenzkontrollen fordert
       die EU-Kommission Europas Regierungen heraus. Brüssel will den Staaten die
       Entscheidungshoheit nehmen und holt sich damit eine Abfuhr. In Deutschland,
       Frankreich und Spanien hat sich bereits Widerstand gegen die Übertragung
       von Kompetenzen formiert, wie sie EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am
       Freitag vorgeschlagen hatte.
       
       Die von Brüssel geplante Schengen-Reform, mit der Alleingänge von
       EU-Staaten verhindert werden sollen, hat in dieser Form nach Ansicht von
       Diplomaten kaum Chancen auf Umsetzung. Der Vorschlag tritt nur dann in
       Kraft, wenn die Mitgliedsstaaten und das Europaparlament zustimmen - dort
       ist Streit programmiert. Am kommenden Donnerstag werden die
       EU-Innenminister erstmals in Brüssel über das Thema beraten.
       
       Die Bundesregierung sowie einige Innenminister der Länder sind strikt
       dagegen, die EU-Kommission und eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten über
       dieses sensible Thema entscheiden zu lassen. Deutschland pocht auf
       Entscheidungshoheit. In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten
       Auswärtiges Amt und Innenministerium: "Die Aufrechterhaltung der
       öffentlichen Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit sind Sache der
       Mitgliedsstaaten, die hierfür die politische Verantwortung tragen."
       
       In punkto Einfluss der EU-Kommission - die nach eigenen Plänen eine Art
       Vetorecht bekommen soll - gibt man sich zurückhaltend kritisch: "Denkbar
       sind verschiedene Modelle." Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP)
       sagte: "Es geht jetzt darum, eine Lösung zu finden, die sowohl die
       Reisefreiheit als auch die Sicherheitsinteressen garantiert."
       
       ## Dänemark hat für Unruhe gesorgt
       
       An den Grenzen zwischen den 25 Schengen-Staaten werden Reisende derzeit nur
       noch in Stichproben oder vor besonderen Ereignissen wie Fußballspielen oder
       politischen Gipfeltreffen kontrolliert. Erstmals soll dies laut
       EU-Kommission nun auch bei einem massiven Ansturm von Flüchtlingen möglich
       sein.
       
       Damit kommt Brüssel dem Wunsch Frankreichs und Italiens nach, die dies im
       Frühjahr nach einem Grenzstreit wegen nordafrikanischer Flüchtlinge
       verlangt hatten. Auch Dänemark hatte mit neuen Zollkontrollen für Unruhe
       bei den Nachbarn gesorgt.
       
       Nach dem Willen der Brüsseler Behörde soll ein Land künftig die EU um
       grünes Licht bitten, wenn es seine Grenzen vorübergehend schließen möchte.
       Bisher reicht es, Brüssel darüber zu informieren. Auf Basis eines
       Vorschlags der EU-Kommission müsste eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten
       zustimmen.
       
       "Das Schengen-System leidet unter Schwächen", sagte Malmström. "Wir
       brauchen wirklich europäische Entscheidungen, um das Vertrauen zu stärken."
       Sie betonte, dass niemand die Staaten daran hindern wolle, Kontrollen
       vorzunehmen, und versprach schnelle Entscheidungen auf europäischer Ebene.
       
       ## Im Sonderfall: 5 Tage lang Grenzkontrollen
       
       Laut Entwurf bleiben Kontrollen das "letzte Mittel", das nur im Fall einer
       Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit erlaubt ist.
       Dabei sind zwei Verfahren geplant. Das erste ist für vorhersehbare
       Ereignisse gedacht, wenn ein Schengen-Land etwa Fußballspiele oder
       politische Großereignisse schützen will. Dann soll die Kommission einen
       Vorschlag machen, dem eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten
       zustimmen müsste. Erst dann könnte die Maßnahme auf 30 Tage ausgedehnt
       werden.
       
       Bei unvorhersehbaren Ereignissen wie einem Anschlag, einer Epidemie oder
       Naturkatastrophe sollen die Staaten Grenzkontrollen für fünf Tage einführen
       dürfen, danach wäre ein EU-Beschluss nötig.
       
       Auch wenn ein Staat seine Außengrenzen nicht ausreichend absichert, können
       seine Nachbarn nach dem neuen Vorschlag Kontrollen einführen - ebenfalls
       nach einer Entscheidung im EU-Ministerrat. An den Außengrenzen wie in
       Griechenland, Italien und Spanien soll die EU-Grenzschutz-Agentur Frontex
       die Staaten unterstützen. Dafür wird sie besser ausgestattet und bekommt
       mehr Geld.
       
       Die Bundesregierung ist sich bei dem Thema nicht ganz einig. Während
       Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Brüsseler Pläne
       entschieden ablehnt, begrüßte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner
       Hoyer (FDP) sie. Für die Liberalen sei die Reisefreiheit ein hohes Gut,
       sagte Hoyer im rbb-Inforadio. Deshalb müsse mit nationalen Vorbehalten sehr
       vorsichtig umgegangen werden. Nach einem Bericht der Welt sind Bayern und
       Niedersachsen ebenfalls gegen die Pläne.
       
       Aus dem Europaparlament kamen überwiegend positive Reaktionen. Grüne,
       Sozialdemokraten und Konservative begrüßten, dass die EU-Kommission auf
       einen europäischen Ansatz setze. "Der Vorschlag lässt genug Spielraum für
       die Mitgliedstaaten", sagte der stellvertretende Vorsitzende der
       konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU). Von einer "richtigen
       Antwort auf populistische Vorstöße" sprach die SPD-Europaabgeordnete Birgit
       Sippel.
       
       Das Schengener Abkommen ist ein grundlegender Pfeiler der Europäischen
       Union. Der Vertrag von 1985 hat eine nie gekannte Reisefreiheit innerhalb
       Europas geschaffen. Dem Schengen-Raum gehören heute 25 Staaten an. Dazu
       zählen 22 EU-Länder sowie Norwegen, Island und die Schweiz.
       
       16 Sep 2011
       
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