# taz.de -- Aufstand in Syrien: Sturm auf eine geschlagene Stadt
       
       > Die Einwohner von Hama sind fest entschlossen, nicht aufzugeben. Obwohl
       > die syrische Armee ihre Offensive zum Beginn des Ramadan fortsetzt.
       
 (IMG) Bild: Die syrische Armee greift hart durch: Panzer in Hama.
       
       BEIRUT taz | Die Menschen in Hama haben ihre Toten in öffentlichen Parks
       begraben, denn die Friedhöfe sind wegen der militärischen Belagerung nicht
       zu erreichen. "Viele Verwundete liegen noch im Krankenhaus", sagt Omar
       Habbal, ein ortsansässiger Oppositioneller. Auch in Moscheen und
       Privathäusern werden Verletzte behandelt, weil die Kliniken völlig
       überlastet sind.
       
       "Die Blutvorräte sind aufgebraucht, weil die Blutbanken unter staatlicher
       Kontrolle stehen und den Ärzten keinen Nachschub liefern", schildert er am
       Telefon. "Eines dieser Zentren ist von Geheimdienstmitarbeitern angegriffen
       worden. Sie sind in die Vorratsräume eingedrungen und haben sämtliche
       Blutkonserven zerstört."
       
       Am Sonntag im Morgengrauen wurden die Bewohner von Syriens viertgrößter
       Stadt von Explosionen und Schüssen aus dem Schlaf gerissen. Danach begann
       in Hama die wohl brutalste militärische Offensive, die Syrien seit Beginn
       der Proteste vor über vier Monaten erlebt hat. Schätzungen zufolge kamen
       innerhalb weniger Stunden fast 100 Menschen ums Leben. Aus allen Richtungen
       drangen Panzer in die Wohnsiedlungen ein; die Soldaten eröffneten wahllos
       das Feuer und rissen die Barrikaden ein, die Anwohner zu ihrem Schutz auf
       den Straßen errichtet hatten.
       
       Am Montagfrüh griff die Armee erneut an. Omar Habbal lebt im Zentrum der
       Stadt auf einem kleinen Hügel. Von seinem Fenster aus kann er Hama gut
       überblicken. "Es war ungefähr halb acht, als ich von überall her Schüsse
       und Explosionen hörte", sagt er. "Viele Häuser wurden zerstört, schwarzer
       Rauch liegt über der Stadt. Die Menschen stellen sich den Panzern mit
       bloßer Brust entgegen; sie versuchen, die Panzer mit Holzstöcken und
       Metallstangen aufzuhalten."
       
       ## Das Regime hat Angst vor täglichen Demos
       
       Es ist derzeit unmöglich, Informationen aus Syrien zu prüfen. Das Regime
       lässt nach wie vor keine unabhängige Berichterstattung zu. Fest steht
       jedoch, dass die Armee ihre Operationen gegen die Protestbewegung über das
       Wochenende drastisch ausweitete. Nicht nur in Hama, auch in Deir Azzour an
       der irakischen Grenze, in Daraa im Süden und mehreren Vororten von Damaskus
       rückten die Soldaten ein. Landesweit starben allein am Sonntag 130
       Menschen.
       
       Offenbar versucht das Regime, die Protestbewegung zu Beginn des Ramadan mit
       Gewalt zu ersticken. Der Fastenmonat brach am Montag an. Aktivisten haben
       vorausgesagt, dass die Demonstrationen im Laufe des Ramadan noch deutlich
       anschwellen werden. Bislang protestierten die Menschen vor allem freitags
       nach dem Gebet; im Ramadan aber sammeln sich die Muslime täglich nach dem
       Fastenbrechen in den Moscheen. Damit bietet sich jede Nacht Gelegenheit für
       neue Kundgebungen.
       
       "Das Regime will Hama daher um jeden Preis unter Kontrolle bringen", sagt
       der syrische Menschenrechtler Wissam Tarif. "Denn wenn sie Hama im Ramadan
       verlieren, dann wird jeder fragen: Welche Stadt folgt als nächstes? Deir
       Azzour? Oder die Vororte von Damaskus?"
       
       Doch in Hama ist der Einsatz des Militärs riskanter als irgendwo sonst: Im
       Jahr 1982 ließ der frühere Präsident Hafis al-Assad, der Vater des jetzigen
       Staatschefs, die Stadt bombardieren, um einen Aufstand der Muslimbrüder
       niederzuschlagen. 10.000 bis 20.000 Menschen starben in den Trümmern von
       Hama. Nun ruft der aktuelle Konflikt den Syrern das Trauma von damals in
       Erinnerung.
       
       ## "Die Menschen sind bereit"
       
       Das Regime schien zuletzt unschlüssig, wie es mit dieser heiklen
       Herausforderung umgehen soll: Anfang Juli waren Armee und Geheimdienste aus
       der Stadt abgezogen. In der Folge nahmen die Proteste nie dagewesene
       Ausmaße an: Laut Schätzungen kamen bei den Demonstrationen bis 500.000
       Menschen zusammen - in einer Stadt mit 800.000 Einwohnern.
       
       Nun hat die Armee erneut zum Sturm auf Hama angesetzt. Doch alle Versuche
       des Regimes, die Demonstranten mit Panzern und scharfer Munition
       einzuschüchtern, verpuffen. Ganz im Gegenteil scheint die Gewalt den Zorn
       der Bevölkerung nur weiter zu schüren: In mehreren Städten Syriens
       protestierten die Menschen in der Nacht zu Montag aus Solidarität mit den
       Menschen in Hama.
       
       Sogar in der belagerten Stadt selbst sind die Menschen auf die Straße
       gegangen: "Wir lassen uns nicht noch einmal töten", schrien die
       Demonstranten. Die Bewohner von Hama werden nicht hinnehmen, dass die Armee
       ihre Stadt besetzt, meint der Regimegegner Omar Habbal: "Bislang sind die
       Soldaten nicht ins Zentrum vorgedrungen", sagt er. "Die Menschen haben
       Straßensperren aus Autoreifen, Gartenzäunen, Zementblöcken, leere Fässer
       und Mülltonnen aufgeschichtet. Sie haben keine Waffen, um sich zu
       verteidigen. Doch sie sitzen auf den Barrikaden und sind bereit, den
       Soldaten entgegenzutreten."
       
       1 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriella Keller
       
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