# taz.de -- Internationale Reaktionen auf Syrienkrise: Das Ringen der Diplomaten
> Amnesty International und Hilary Clinton fordern eine Verurteilung
> Syriens durch den UN-Sicherheitsrat. Die Vetomacht Russland signalisiert
> Bewegung. Das Blutvergießen geht indes weiter.
(IMG) Bild: Die Beratungen dauern an: Archivbild des UN-Sicherheitsrates.
NEW YORK/BRÜSSEL taz/dpa/afp/dapd | Die Menschenrechtsorganisation Amnesty
International hat den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, umgehend Schritte zu
beschließen, um die Gewalt in Syrien zu beenden. "Die syrischen Behörden
haben ihren bisher tödlichsten Angriff auf im Wesentlichen friedliche
Protestierende entfesselt, die Reformen fordern", sagte Philip Luther, bei
Amnesty für den Nahen Osten und Nordafrika zuständig. "Es ist klar, dass
Präsident Baschar al-Assad nicht bereit ist, seine Sicherheitskräfte zu
stoppen. Daher muss die UNO entscheidende Maßnahmen ergreifen, um diese
gewaltsame Repressionskampagne aufzuhalten."
Amnesty fordert die Verhängung eines Waffenembargos, das Einfrieren der
Guthaben von Assad und anderen Vertretern des Regimes sowie die Übergabe
des Falls an den Internationalen Strafgerichtshof. Letzteres ist auch eine
Forderung syrischer Oppositionspolitiker; eine militärische Intervention
lehnen diese jedoch ab.
Der UN-Sicherheitsrat diskutierte am Montag über die eskalierende Situation
in Syrien. Eine Dringlichkeitssitzung, die von Deutschland beantragt worden
war, ging jedoch ohne konkrete Ergebnisse zu Ende. Dennoch könnte das
Ausmaß der Gewalt die Unterstützer Syriens doch zum Handeln zwingen.
Diplomaten gehen davon aus, dass eine Reaktion des Sicherheitsrates auf die
blutigen Ausschreitungen des Regimes nicht länger unmöglich ist. Bislang
zögerliche Delegationen – darunter Russland und Brasilien – zeigten sich in
der von Deutschland beantragten Sondersitzung des Rates am Montag
angesichts der weiteren Zuspitzung aufgeschlossener, ein gemeinsames Signal
des Sicherheitsrates senden.
## Russland bewegt sich
So lehnt die UN-Vetomacht Russland Sanktionen gegen das Regime von Syriens
Präsident Baschar al-Assad weiter ab, ist aber zu einer Erklärung des
Weltsicherheitsrates bereit. Zwangsmaßnahmen seien "nicht zweckmäßig",
sagte ein ranghoher Beamter des Außenministeriums in Moskau am Dienstag
nach Angaben der Agentur Interfax. "Unausgewogene" Mittel wie Sanktionen
seien ein Rückschlag auf dem Weg zu weniger Blutvergießen und mehr
Demokratie, sagte Sergej Werschinin. Allerdings zeigte sich Moskau
grundsätzlich zu einem gemeinsamen Dokument des höchsten UN-Gremiums
bereit.
"Sollte dies ein Text sein, der für das syrische Volk nützlich ist, so
werden wir flexibel sein", sagte der russische UN-Botschafter Witali
Tschurkin am Montag in New York. So sei eine Erklärung des indischen
Sicherheitsratsvorsitzenden möglich. Der russische Sonderbeauftragte
Michail Margelow warnte vor einer Resolution wie im Falle Libyens. "Eine
Flugverbotszone über Syrien würde zu einem großflächigen Krieg führen",
sagte er. Nähere Angaben machte er nicht. Russland hatte die UN-Resolution
gegen Libyen durch Enthaltung ermöglicht, kritisiert aber die Luftangriffe
der Nato.
Zugleich kritisierte Tschurkin die Regierungsgegner in Syrien und nahm den
umstrittenen Präsidenten Baschar al-Assad in Schutz. "In einer Situation,
in der die Opposition zu Gewalt greift, ist es sehr schwer, Reformen
durchzuführen", sagte Moskaus UN-Botschafter am Montagabend (Ortszeit). Er
forderte beide Seiten auf, die Kämpfe einzustellen und Verhandlungen
aufzunehmen.
US-Außenministerin Hillary Clinton hatte den Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen zuvor zu einer Verurteilung der syrischen Führung angesichts der
brutalen Gewalt gegen Demonstranten aufgefordert. Diejenigen Mitglieder des
UN-Gremiums, die bislang jede Aufforderung an Staatschef Baschar el Assad,
das Töten von Protestierenden zu beenden, blockiert hätten, müssten "ihre
Positionen überdenken", erklärte sie am Montag. Ihr Appell richtete sich an
die Veto-Staaten Russland und China, die eine Resolution zu Syrien bisher
ablehnten. Für eine solche setzen sich Deutschland, die USA,
Großbritannien, Frankreich und Portugal ein.
Nach Einschätzung der Vereinten Nationen hat die Gewalt des syrischen
Regimes gegen das eigene Volk eine neue Dimension erreicht. Seit Beginn des
Konflikts seien mehr als 1.500 Zivilisten getötet worden, sagte der Vize
der politischen Abteilung der UN, Oscar Fernandez-Taranco, am Montag in
einer von Deutschland beantragten Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates in
New York. Am Dienstag will der Sicherheitsrat in New York erneut über die
Lage in Syrien beraten.
Fernandez-Taranco sprach von einer "alarmierenden Eskalation". Das Militär
schieße wahllos auf Zivilisten, sagte der Argentinier nach Angaben
westlicher Diplomaten. Mehr als 12.000 Menschen seien inzwischen von
Militär und Geheimdiensten als politische Gefangene inhaftiert worden.
Mindestens 3.000 Menschen seien verschwunden – darunter selbst Kinder.
## Roth und Missfelder fordern Konsequenzen
Am Montag waren bei dem blutigen Vorgehen der syrischen Armee gegen
Demonstranten nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten mindestens 24
Menschen gestorben. Zahlreiche weitere Zivilisten seien in mehreren
syrischen Städten durch Schüsse von Sicherheitskräften verletzt worden.
CDU-Außenexperte Philipp Mißfelder forderte eine schärfere Gangart der UNO.
"Wir brauchen härtere Sanktionen", sagte er der Passauer Neuen Presse.
Diese wirkten aber nur, wenn alle mitmachten und sie keiner unterlaufe.
"Wenn die UNO glaubwürdig bleiben will, muss sie entschlossen und
einheitlich gegenüber Syrien auftreten."
Auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth rief den UN-Sicherheitsrat dazu
auf, die Gräueltaten der syrischen Regierung zu verurteilen. Staaten, der
eine solche Verurteilung im Sicherheitsrat verhindern, unterstützten den
syrischen Machtapparat dabei, die Verbrechen gegen das eigene Volk
fortzusetzen.
Assad müsse die Gewalt gegen das eigene Volk sofort stoppen und eine
geregelte Machtübergabe einleiten, sagte Roth. Zudem forderte sie,
Präsident Baschar al-Assad vor Gericht zu stellen. "Es ist an der Zeit, den
Internationalen Strafgerichtshof einzuschalten und Assad und weitere
Mitverantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen", erklärte Roth am Dienstag.
## Bundesregierung warnt vor Militäreinsatz
Die Bundesregierung warnt vor dem Ruf nach einer Militärintervention gegen
das Regime in Syrien. Die Lage sei eine andere als etwa in Libyen,
verdeutlichte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, am
Dienstag im Morgenmagazin der ARD. "Bei Libyen hatten wir einen Beschluss
der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga - hier haben wir beides
oder Vergleichbares nicht. Und hier haben wir eine Konfliktsituation, die
das Potenzial einer sehr große Ausweitung hat. Deshalb sollte man da sehr,
sehr vorsichtig sein."
Zudem habe die syrische Opposition darum gebeten, nicht über militärische
Eingriffsmöglichkeiten zu sprechen, um nicht dem Regime in die Hände zu
spielen, das behaupte, der Widerstand sei eine von außen gesteuerte
Operation, die nicht aus dem Volk komme, sagte Hoyer.
Er rief zu einer breiten internationalen Unterstützung für alle sonstigen
Maßnahmen gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad auf. "Alle
Maßnahmen haben umso mehr Wirkung, je mehr sich beteiligen." Deutschland
beziehe ein Prozent seines Öls aus Syrien. Wenn das gestoppt werde, erziele
das "überhaupt keine Wirkung". "Aber wenn das alle machen, und die das Zeug
nicht loswerden können, egal wo in der Welt, dann hat das eine große
Wirkung."
## EU erweitert Sanktionsliste
Unterdessen erklärte die EU den syrischen Verteidigungsminister zur
unerwünschten Person. Mit der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt wurde das
Einreiseverbot für General Ali Habib Mahmud am Dienstag rechtskräftig. Der
62-Jährige gehört zu den fünf Personen, die die EU am Vortag auf ihre
Sanktionsliste gesetzt hatte. Die Union reagierte mit der Verschärfung der
Sanktionen gegen das Assad-Regime auf die Militäroffensive zu Beginn des
Fastenmonats Ramadan, bei der seit dem Wochenende mindestens 130 Menschen
ums Leben gekommen sind.
Neben dem syrischen Verteidigungsminister befinden sich Assads Onkel
mütterlicherseits, Mohammed Mahluf, ein Vertrauter von Assads Bruder Mahir
Assad, und zwei Geheimdienstchefs auf der Verbotsliste der EU. Einer der
beiden Letztgenannten ist Mohammed Mufleh, der den militärischen
Geheimdienst in der Protesthochburg Hama leitet. Ihnen allen wird
vorgeworfen, direkt oder indirekt an dem brutalen Vorgehen gegen Zivilisten
beteiligt zu sein. Zusätzlich zu den auferlegten Reisebeschränkungen wurden
auch die Vermögenswerte der betreffenden Personen in der EU, sofern
vorhanden, eingefroren.
Doch die EU will die diplomatischen Beziehungen zu Syrien offenbar nicht
vollständig kappen: Der Name des syrischen Außenministers, Walid Moallem,
steht nicht auf der Sanktionsliste. Seit Beginn der Gewalt in Syrien Mitte
März wurden 35 Personen auf die Verbotsliste gesetzt, darunter auch Baschar
al-Assad selbst. Mit vier syrischen Firmen dürfen EU-Unternehmen keine
Geschäfte mehr machen.
Die italienische Regierung rief ihren Botschafter in Syrien angesichts der
"entsetzlichen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung" zu Konsultationen nach
Rom zurück. Außenminister Franco Frattini forderte am Dienstag in einer
Erklärung alle EU-Länder auf, es Rom gleichzutun. Ein entsprechender
Schritt ist EU-weit jedoch nicht geplant, wie aus Diplomatenkreisen in
Brüssel bekannt wurde.
2 Aug 2011
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