# taz.de -- Gäfgen-Anwalt Heuchemer: "Wichtiges präventives Signal"
       
       > Warum er Kindsmörder Gäfgen vertritt? Er höre "immer wieder", dass
       > Verdächtige beim Polizeiverhör gequält würden, erklärt Anwalt Michael
       > Heuchemer im taz-Interview.
       
 (IMG) Bild: Rechtsanwalt Michael Heuchemer und sein Mandant Magnus Gäfgen im Landgericht in Frankfurt am Main.
       
       taz: Herr Heuchemer, das Landgericht Frankfurt hat Ihrem Mandanten Magnus
       Gäfgen 3.000 Euro Entschädigung wegen der polizeilichen Folterdrohung
       zugesprochen - höhere Forderungen wurden aber abgelehnt. Sehen Sie das
       Urteil als Erfolg? 
       
       Michael Heuchemer: Im Kern ist es jedenfalls ein wichtiges präventiv
       wirkendes Signal, dass Folter und ihre Androhung von der deutschen
       Rechtsordnung missbilligt wird. Wichtig ist auch, dass ein Straftäter wie
       Magnus Gäfgen dieses Urteil erstreiten konnte. Es stellte sich ja die
       Frage, ob die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz wirklich gilt.
       
       Ist es nicht peinlich, dass sich Gäfgen mit solchen Prozessen immer wieder
       als Opfer stilisiert? 
       
       Nein, ich halte fest, dass sich auch das Gericht uns im Kern angeschlossen
       hat. Ich finde es vielmehr rechtsstaatlich bedenklich, wenn ein
       Polizeigewerkschafter sagt, Herr Gäfgen solle sich in seiner Zelle
       verkriechen und schweigen. Dies zeigt, dass die zentrale Botschaft des
       Urteils - dass auch einer, der verurteilt wurde, im Rechtsstaat seine
       Rechte behält - bei manchen nicht angekommen ist.
       
       Dass Folter verboten ist, hat das Landgericht Frankfurt schon im
       Strafprozess gegen die beiden beteiligten Polizisten Daschner und Ennigkeit
       festgestellt. Warum war dazu noch eine Schadensersatzklage nötig? 
       
       Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Juni letzten Jahres
       Deutschland dafür kritisiert, dass Herr Daschner ausgesprochen milde
       bestraft wurde. Er erhielt nur eine Geldstrafe, die die damaligen Richter
       zudem auf Bewährung ausgesetzt haben. Dies sei keine ausreichende Reaktion
       auf eine menschenunwürdige Behandlung. Da das Urteil gegen Herrn Daschner
       aber rechtskräftig war, musste die Missbilligung in Form einer
       Entschädigung erstritten werden.
       
       Sie haben mindestens 10.000 Euro Schmerzensgeld gefordert. Hätte nicht ein
       symbolischer Euro genügt? 
       
       Wenn wir keine relevante Summe gefordert hätten, wäre die Klage wohl
       abgelehnt worden, weil ihr das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Es ging uns
       aber nie um die Höhe der Entschädigung.
       
       Das Landgericht hat Herrn Gäfgen 80 Prozent der Prozesskosten aufgebrummt.
       Wird ihm von den 3.000 Euro Entschädigung überhaupt etwas bleiben? 
       
       Das kann ich noch nicht sagen. Die komplizierten Fragen der Prozesskosten
       überlasse ich den Spezialisten auf diesem Gebiet.
       
       Geht Gäfgen in Berufung? 
       
       Ich konnte noch nicht mit ihm sprechen. Er ist ja inhaftiert, da ist so ein
       Gespräch nicht so einfach. Das Gericht hat aber ein wichtiges Symbol
       gesetzt, das sicher im Sinne seiner Klage ist.
       
       Sie wollten mit dem Prozess auch herausfinden, welche Unterstützung
       Daschner in der hessischen Landesregierung hat. Ist das gelungen? 
       
       Nur teilweise. Früher sagte Herr Daschner, er habe grünes Licht aus dem
       Innenministerium erhalten. Jetzt hat Herr Daschner angegeben, der damalige
       Präsident des Landeskriminalamts, Norbert Nedela, habe ihn zur
       Gewaltdrohung ermuntert. Das Kriminalamt ist aber nicht Teil des
       Innenministeriums. Das passt noch nicht zusammen.
       
       Wie typisch ist der Fall Gäfgen? Haben sich bei Ihnen auch andere
       Betroffene gemeldet? 
       
       Immer wieder werde ich mit bestürzenden Schilderungen von Mandanten
       konfrontiert: Sie seien beim Verhör mit dem Kopf auf die Tischplatte
       geschlagen worden. Man habe ihnen düster gedroht, dass man ohne Geständnis
       "für nichts garantieren könne". Auch höre ich, dass mit U-Haft gedroht
       wird, obwohl keine Haftgründe wie Fluchtgefahr vorliegen.
       
       Was raten Sie dann? 
       
       Selbst wenn ich die Aussage des Mandanten für glaubhaft halte, empfehle ich
       ihm in der Regel, nicht gegen die Polizisten vorzugehen. Wenn er den Vor-
       wurf nicht beweisen kann, droht ihm schnell ein zusätzliches Strafverfahren
       wegen Verleumdung oder falscher Verdächtigung. Es gibt eben - anders als
       bei Magnus Gäfgen - meist keinen Vermerk der Polizei über den Vorfall.
       
       5 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Entschädigung
       
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