# taz.de -- Vorwürfe gegen Embargo-Flotte vor Lybien: Ließ die Nato Flüchtlinge ertrinken?
       
       > Italien erhebt schwere Vorwürfe gegen die Nato und fordert eine
       > Mandatsausweitung. Zuvor hatte die Küstenwache Hunderte afrikanische
       > Kriegsflüchtlinge gerettet.
       
 (IMG) Bild: Leichen libyscher Flüchtlinge im Hafen der italienischen Insel Lampedusa.
       
       BERLIN taz | Vor den libyschen Küsten kreuzt eine Armada: 19 Kriegsschiffe
       und U-Boote der Nato patrouillieren zur Überwachung des Waffenembargos
       gegen Libyens Gaddafi-Regime, darunter auch Flugzeugträger, von denen aus
       Luftangriffe gestartet werden. Mit Basen auf Sizilien, Kreta und Zypern ist
       Verstärkung nie weit.
       
       Aber wenn Menschen, die in Libyen selbst als Zivilisten per UN-Mandat unter
       Schutz der Nato stehen, vor dem Krieg per Boot fliehen und in Lebensgefahr
       geraten, hilft die Nato ihnen anscheinend nicht. Nach einem erneuten
       tödlichen Vorfall hat jetzt Italiens Regierung gefordert, Hilfe für
       ertrinkende Bootsflüchtlinge ins Nato-Eingreifmandat aufzunehmen.
       
       Hintergrund ist eine Horrorgeschichte, die gerettete Flüchtlinge erzählten,
       nachdem Italiens Küstenwache ihr völlig überfülltes 20 Meter langes
       Fischerboot am späten Donnerstag südlich der Insel Lampedusa aufgriff. Rund
       100 von ursprünglich 300 Menschen habe man zuvor tot ins Meer geworfen,
       berichtete eine marokkanische Bootsinsassin und sagte, das Boot treibe
       schon seit einer Woche.
       
       Die Überlebenden waren stark dehydriert, einige schwebten in Lebensgefahr
       und wurden sofort nach Sizilien ausgeflogen. Von den angeblich über Bord
       geworfenen Toten fanden die italienischen Retter keine Spur; es trieben
       lediglich Kleidungsstücke im Wasser. Über die genauen Zahlen herrscht
       Verwirrung: Während die Überlebende sagte, von 300 Bootsinsassen seien 100
       gestorben, gaben die Italiener die Zahl der Geretteten mit 300 und die Zahl
       der ursprünglichen Passagiere mit 370 an.
       
       ## Rettungseinsatz abgelehnt
       
       Italiens Regierung wirft der Nato unterlassene Hilfeleistung vor und
       fordert eine Untersuchung. Ein Schlepper aus Zypern, der das Boot treiben
       sah, habe die italienischen Behörden alarmiert und diese hätten ein
       Nato-Kriegsschiff angefordert, das 50 Kilometer entfernt patrouillierte,
       berichten italienische Medien. Die Nato habe einen Rettungseinsatz
       abgelehnt. Daraufhin erst setzten sich vier Schiffe der italienischen
       Küstenwache in Bewegung.
       
       Die Nato weist die Vorwürfe zurück, aber bereits im Mai sollen Nato-Schiffe
       Hilferufe eines im Mittelmeer treibenden Flüchtlingsbootes aus Libyen
       ignoriert haben. 61 Passagiere starben damals schließlich an Hunger und
       Durst.
       
       Insgesamt sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR seit Beginn
       des Libyen-Krieges Mitte März 1.500 Menschen auf dem Seeweg aus Libyen nach
       Europa gestorben; nach Angaben der Internationalen Organisation für
       Migration (IOM) haben rund 23.300 Italien oder Malta lebend erreicht. Zum
       Vergleich: Tunesien hat 280.000 aufgenommen, Ägypten 203.000, die südlichen
       Nachbarn Niger, Tschad und Sudan zusammen rund 130.000.
       
       5 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Flüchtlingsboot aus Libyen: Notrufe einfach ignoriert
       
       Der Europarat wirft Italien, der Nato und Libyen vor, ein Flüchtlingsboot
       im Stich gelassen zu haben. Trotz Notrufen sind 60 Menschen im Mittelmeer
       ertrunken.
       
 (DIR) Ausschreitungen auf Lampedusa: Schlagstöcke gegen Flüchtlinge
       
       "Wir sind im Krieg." So beschreibt Lampedusas Bürgermeister die Lage. Nach
       der Flüchtlingsrevolte ist die Lage auf der Mittelmeerinsel eskaliert.
       
 (DIR) Kampf um libysche Ölstadt: Gaddafi-Truppen halten Brega
       
       Die Regierungstruppen haben einen Angriff auf die strategisch wichtigen
       Stadt Brega abgewehrt. Derweil verschärft Russland die Sanktionen und die
       BBC plant ein UKW-Programm in Libyen.
       
 (DIR) Libysches Flüchtlingsboot havariert: "Einhundert Leichen über Bord"
       
       Mehrere Tage trieb ein manövrierunfähiges Boot im Mittelmeer, dutzende
       libysche Flüchtlinge starben. Ein Schiff der Nato befand sich in der Nähe,
       griff aber nicht ein.
       
 (DIR) Bürgerkrieg in Libyen: Gaddafi-Anhänger festgenommen
       
       Die Rebellen nehmen nach stundenlangen Gefechten 63 Personen fest. Sie
       werden verdächtigt, für Gefängnisausbrüche und den Mord an General Junes
       verantwortlich zu sein.
       
 (DIR) Mord an libyschen Rebellenkommandeur: Mutmaßliche Täter identifiziert
       
       Der Übergangsrat streitet ab, dass Rebellengeneral Junis wegen Verrat
       getötet wurde. Die Umstände seines Todes würden noch untersucht, die Mörder
       seien aber bereits identifiziert.
       
 (DIR) Kommentar Mord an Abdelfattah Junis: Das Konzept des Überläufers
       
       Wer immer für den Mord an Junis verantwortlich ist, Gaddafi wird sich in
       Tripolis ins Fäustchen lachen. Denn sein Tod wird Zwietracht unter den
       Rebellen säen.
       
 (DIR) Getöteter libyscher Rebellenchef: Umstrittener Wendehals
       
       Unter noch unklaren Umständen wurde der wichtigste Kommandeur der libyschen
       Rebellen, General Abdelfattah Junis, ermordet. Umstritten war er schon
       lange.