# taz.de -- Jim Thomes 600. Homerun: Rückkehr der Unschuld
       
       > Wieder einmal wird in der MLB eine Homerun-Schallmauer durchbrochen: Jim
       > Thome schlug seinen 600. Homerun. Ist damit das Steroid-Zeitalter im
       > Baseball Geschichte?
       
 (IMG) Bild: Moment der Freude: Jim Thome mit seinem Mannschaftskameraden Michael Cuddyer.
       
       BERLIN taz | Es war ein großer Tag für Jim Thome. Am Montagabend schlug er
       beim 9:6-Erfolg seiner Minnesota Twins bei den Detroit Tigers den 600.
       Homerun seiner Karriere. Er ist erst der achte Spieler in der Geschichte
       des US-Baseballs, dem dies gelang. Thome wurde gefeiert.
       
       Auch die Tigers-Fans erhoben sich von ihren Plätzen und jubelten dem
       Schlagmann zu. Der wurde von seiner mitgereisten Familie geherzt und sagte:
       "Du träumst davon, aber wenn es dann wirklich passiert, dann ist es
       irgendwie unwirklich. Eine saubere Sache, wirklich."
       
       Noch in den ersten Jubel darüber, dass es wieder einmal einer geschafft
       hat, die 600er Schallmauer an Homeruns zu durchbrechen, mischten sich die
       ersten Diskussionen darüber, ob man einen wie Thome wirklich feiern darf.
       Seit die Anabolika-Monster am Baseball-Schläger zu dominieren begannen,
       fiel der Jubel über neue Rekordmarken nicht selten ganz aus.
       
       Nun aber reiht sich mit dem 40-jährigen Thome einer in die Riege der besten
       Hitter ein, der nie im Verdacht stand, etwas mit Doping zu tun zu haben.
       Und doch sind ihm die meisten seiner Schläge auf die Tribünendächer in der
       Zeit gelungen, die in den USA längst als Steroid-Ära bezeichnet wird.
       Eigentlich hatte man sich in den Staaten darauf geeinigt, nur drei
       Baseballer für ihre Homeruns zu rühmen. Babe Ruth, Willie Mays und Hank
       Aaron. Ersterer spielte von 1914 bis 1935 in der Major League Baseball, die
       anderen beiden von den 50ern bis in die 70er Jahre des vergangenen
       Jahrhunderts. Lang, lang ists her. Alles was nach den legendären drei kam,
       gilt irgendwie als bäh - bis der als brav geltende Thome kam.
       
       ## Alex Rodriguez, Barry Bonds
       
       Den will so recht keiner in eine Reihe stellen mit Superstar Alex
       Rodriguez, der 613 Homeruns geschlagen hat und vor zwei Jahren zugeben
       musste, zumindest in den Jahren 2001 bis 2003 Anabolika genommen zu haben.
       Und schon gar nicht will man Thome mit dem arroganten Barry Bonds
       vergleichen, jenem irrwitzig starken Hünen, der mit 762 Homeruns mehr Bälle
       auf die Tribünen geschlagen hat als jeder andere in der Geschichte der Liga
       und der immer noch nicht zugeben will, wovon längst alle ausgehen: dass er
       einer der größten Doping-Junkies in der Geschichte der MLB war. Bonds ist
       ohne Zweifel eine der Hauptfiguren jener Steroid-Ära, von der keiner so
       recht weiß, wann sie genau begonnen hat und ob sie überhaupt schon zu Ende
       ist.
       
       Seit aufgeblasene Riesen wie Bonds die Szene geentert haben, waren
       Bestleistungen, über die man zuvor noch gestaunt hätte, plötzlich normal.
       Zwischen 1993 und 2003 schlugen jeweils zehn Spieler 50 Homeruns pro
       Saison. 43 Spieler brachten es immerhin auf 40 Schläge über die
       Spielfeldbegrenzung hinaus. Joe Posanski, Kolumnist von Sports Illustrated,
       bringt den Verdacht, der mit jedem Schlag dieser Zeit mitschwang, auf den
       Punkt: "Der Homerun hatte seine Unschuld verloren. Spieler, die die
       unvorstellbaren Schallmauern durchbrachen - 300, 400, 500 Homeruns -
       glaubten, sie bräuchten einen Strafverteidiger, sobald sie das Home Plate
       erreichten."
       
       ## Die Steroid-Ära
       
       Jim Thome weiß um all die Enthüllungen und Verdächtigungen, die Steroid-Ära
       betreffend. "Im Endeffekt ist es doch so, dass es auch in dieser Zeit nicht
       jeder getan hat, das darf man nicht vergessen", sagte er am Montagabend.
       "Da gab es immer Jungs, die den rechten Weg nicht verlassen haben. Und wenn
       du Glück hast, lange spielen kannst und den rechten Weg nicht verlässt,
       dann fühlst du dich einfach gut. Genau, am Ende fühlst du dich gut."
       
       Jim Thome, der in seiner langen Karriere, die ihn von den Cleveland Indians
       (1991-2002) über die Philadelphia Phillies (2003-2005), die Chicago White
       Sox (2006-2009) und die Los Angeles Dodgers (2009) zu den Minnesota Twins
       (seit 2010) führte, nie die World Series gewinnen konnte, fühlte sich
       sichtlich wohl in der Rolle des sauberen Helden. Die ersten Kommentatoren
       in den USA haben bereits eine Debatte über Thomes Aufnahme in die Hall of
       Fame angestoßen. Die Sehnsucht nach dem endgültigen Ende der Steroid-Ära
       ist groß in den USA.
       
       16 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Baseball in den USA: Wenn das Ende naht
       
       Mariano Rivera ist "Closer" – der Mann, der knappe Spiele für seine New
       York Yankees nach Hause holt. Und darin ist er der Beste überhaupt: zum
       602. Mal rettete er den Sieg.
       
 (DIR) Neue Saison in der US-Baseball-Liga MLB: Der keinen mehr hochbekam
       
       Saisonbeginn im Nationalsport: Sommer, Sonne, Krebsfrikadellen und pikante
       Details aus dem Prozess gegen Hormondoper und Ex-Superstar Barry Bonds.