# taz.de -- Exfondsmanagerin über Aktienkurse: "Das ist wie Achterbahn fahren"
       
       > Wir erleben derzeit keinen Aktiencrash, findet Exfondsmanagerin und
       > Bestsellerautorin Susan Levermann. Für sie ist die Börsenkrise eine Krise
       > der Werte.
       
 (IMG) Bild: Erst einmal geht es rapide abwärts.
       
       taz: Frau Levermann, droht der Crash? In den vergangenen Wochen hat der
       Deutsche Aktienindex DAX etwa 25 Prozent seines Werts eingebüßt. 
       
       Susan Levermann: Das ist noch kein Crash. Ich würde mir wünschen, dass die
       Börsenkurse um weitere 15 Prozent nachgeben.
       
       Alle sprechen von Börsenpanik - und Sie freuen sich über die Verluste? 
       
       Der DAX sendet gerade kein klares Signal aus, wohin der Trend geht. Das
       Verhältnis der Börsenkurse zu den erwarteten Gewinnen liegt im langjährigen
       Durchschnitt. Wenn die Aktien jetzt weiter runtergingen, wären hinterher
       die Chancen größer, dass man Kursgewinne erzielt.
       
       Das klingt so, als könnte man nur Gewinne auf Kosten von anderen machen,
       die verkaufen und dann Verluste einfahren? 
       
       Das ist leider so. So funktioniert das grundsätzliche Spiel an der Börse.
       Wenn ein Anleger überdurchschnittliche Rendite erzielt, müssen andere unter
       dem Durchschnitt liegen. Deswegen habe ich mich ja von meinem Beruf als
       Fondsmanagerin verabschiedet, weil ich es nicht leiden konnte, andere zu
       übervorteilen.
       
       Momentan würden Sie aber abraten, Aktien zu kaufen? 
       
       Das kommt darauf an, welchen Horizont man hat. Wer langfristig investiert,
       sollte jetzt die Hälfte seines Vermögens in Aktien anlegen, denn irgendwann
       werden die Kurse wieder steigen. Allerdings denken die meisten Investoren
       nicht langfristig, sondern kurzfristig, und verlassen bei Kursschwankungen
       panikartig das Parkett. Denen würde ich raten abzuwarten. Momentan verpasst
       man nicht viel an der Börse.
       
       Wenn man also erst einsteigt, wenn die Kurse 15 Prozent niedriger liegen:
       Wann ist es so weit? 
       
       Das kann noch in diesem Jahr passieren.
       
       Andere Analysten rechnen damit, dass der DAX zu Jahresende bei 7.900
       Punkten steht - also mehr als 40 Prozent gewinnt. 
       
       Dieser Optimismus macht mir Sorgen. Nur bei einer einzigen DAX-Aktie sind
       sich alle Analysten einig, dass sie weiter verliert: beim Energiekonzern
       RWE. Sonst lasten auf allen Aktien starke bis sehr starke Kaufempfehlungen.
       Das kann logisch gar nicht sein.
       
       Warum nicht? Die Börse könnte sich doch erholen. 
       
       Die meisten Analysten geben aber keine absoluten Kaufempfehlung ab -
       sondern relative. Sie empfehlen also jene Papiere zum Kauf, die sich besser
       als der Durchschnitt des Gesamtmarkts entwickeln. Dies kann jedoch
       mathematisch nur auf maximal die Hälfte aller Aktien zutreffen. Die
       Situation ist nicht gesund, wenn 29 von 30 DAX-Aktien positiv bewertet
       werden. Das heißt: Die meisten Analysten müssen sich täuschen, und es wird
       bei den Kursen weiter runtergehen.
       
       Bei fallenden Kursen setzen viele Investoren auf Leerverkäufe: Sie
       verkaufen also Aktien, die sie gar nicht besitzen - in der Hoffnung, dass
       sie sie später bei niedrigeren Kursen zurückkaufen können. Was halten Sie
       von diesem Trick? 
       
       Ich bin gegen Leerverkäufe. Sie sind unethisch. Denn dahinter steckt die
       Logik: Es gibt nur Gewinn, wenn andere Verluste machen.
       
       Gerade haben Spanien, Italien, Frankreich und Belgien Leerverkäufe von
       Bankaktien verboten. Das war also eine gute Idee? 
       
       Die Idee ist gut, aber sie funktioniert natürlich nur, wenn das Verbot
       global gilt. Sonst weichen die Spekulanten einfach auf andere Länder aus.
       
       Ist es nicht verengt, wenn man nur Leerverkäufe von Aktien verbietet? Die
       Spekulanten könnten doch mit Derivaten auf fallende Kurse setzen. 
       
       Man kann natürlich Put-Optionen kaufen. Mit einem solchen Kontrakt erwirbt
       man das Recht, eine Aktie an einem bestimmten Tag zu einem bestimmten Preis
       an den Handelspartner zu veräußern. Das lohnt sich, wenn der Aktienkurs bis
       dahin fällt. Aber Put-Optionen sind Teufelszeug. Davon würde ich abraten.
       Sie sind mathematisch hochkomplex. Das können nur Investmentbanken mit den
       entsprechenden Computerprogrammen beurteilen. Das ist ein bisschen wie
       Achterbahn fahren.
       
       Obwohl Sie sich als Fondsmanagerin von der Börse abgewandt haben, schreiben
       Sie Börsenratgeber. Wie passt das? 
       
       Ich schreibe gern - und man kann doch nicht ignorieren, dass es die
       Finanzmärkte gibt. Aber man muss sehen, dass die Börsenkrise eigentlich
       eine generelle Krise der Werte ist, wie auch der Krawall in England zeigt.
       Die Elite muss sich fragen, ob die Börse nicht die falschen Vorbilder
       vermittelt. Dort geht es um Bereicherung, Wettkampf und Egoismus. Richtiger
       wäre Miteinander und Fürsorge.
       
       19 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Triple-A in Gefahr: Frankreich verschärft Sparkurs
       
       Die Regierung will 2012 weitere 10 Milliarden Euro sparen. Das soll die
       Ratingagenturen beeindrucken. Noch wird die Kreditwürdigkeit mit AAA
       bewertet.
       
 (DIR) USA und Europa: Angst vor der Krise des anderen
       
       In den USA wächst die Sorge um die Stabilität der europäischen Banken.
       Europa sorgt sich um die US-Konjunktur. Dabei sehen die Daten auf beiden
       Seiten mies aus.
       
 (DIR) Käufer an den Börsen verunsichert: Dax bricht weiter ein
       
       Die Börsen zeigen sich weiter nervös: Am Vormittag sackte der Wert des Dax
       um mehr als drei Prozent ab, nachdem es am Donnerstag schon um knapp sechs
       Prozent abwärts ging.
       
 (DIR) Vor dem Treffen von Merkel und Sarkozy: Eurobonds nicht totzuschweigen
       
       Wollen Merkel und Sarkozy bei ihrem Treffen partout nicht über Eurobonds
       sprechen, läuft die Diskussion auf anderen Ebenen weiter. Und dann lahmt
       auch noch die deutsche Wirtschaft.
       
 (DIR) Leichte Erholung an den Aktienmärkten: Europäische Börsen öffnen im Plus
       
       An den Handelsplätzen in Frankfurt, London, Paris, Mailand und Madrid
       stabilisieren sich zunächst die Kurse. "Le Figaro" wertet eine mögliche
       Herabstufung der Bonität Frankreichs als "Katastrophe".
       
 (DIR) Börsenkrise: Crash schon wieder vorbei
       
       Die Börsen scheinen sich zu erholen, die Anleger bleiben nervös. Die
       Bundesregierung will die deutsche Schuldenbremse auch in anderen
       Euroländern einführen.