# taz.de -- Merkel reist nach Kroatien und Serbien: Die BRD - ein Vorbild für Serbien
> CDU-Balkanexperten kritisieren Merkels "Inkonsequenz". Berlin schwebt für
> das Verhältnis Serbiens zum Kosovo so etwas wie der
> BRD/DDR-Grundlagenvertrag vor.
(IMG) Bild: Serbiens Grenzkonflikt mit Kosovo erhöht die Bedeutung von Merkels Reise.
SPLIT taz | Kanzlerin Angela Merkel bricht am heutigen Montag zu einem
Blitzbesuch nach Kroatien und Serbien auf. Die Erwartungen dort sind
hochgesteckt, denn Deutschland wird in Zagreb, Belgrad, Sarajevo und
Prishtina als die wichtigste EU-Macht wahrgenommen.
Nach den jüngsten Ereignissen in Kosovo hat diese Reise noch an Bedeutung
gewonnen. Weil der deutsche Oberkommandierende der internationalen
Kfor-Truppen, General Erhard Bühler, die serbischen Nationalisten in
Nordkosovo in die Schranken wies, wurden in Serbien die bestehenden
Ressentiments gegenüber Deutschland noch verstärkt. Bühler wurde in der
Presse nicht nur persönlich diffamiert. Serbische Medien nahmen auch übel,
dass auf dem Höhepunkt der Krise Ende Juli Deutschland als einziges
Natoland zusätzlich zu den 2.000 in Kosovo stationierten Soldaten noch 500
weitere entsandte.
Merkel forderte Serbien noch vor der Abreise auf, die seit dem
Grenzkonflikt unterbrochenen Gespräche mit Kosovo über technische Fragen
wieder aufzunehmen. Es müsse der "unbedingte Wille" da sein, die
bestehenden "Konflikte friedlich zu lösen." Das ist auch in Brüssel
Position: Die Beitrittskandidaten müssen ihre Konflikte untereinander
selbst lösen, bevor sie in die EU aufgenommen werden können.
Der Druck auf Kroatien führte vor zwei Jahren im Grenzkonflikt mit
Slowenien immerhin zu einer Verständigung, erklärten diplomatische Kreise
in Kroatien. Für Kroatien sei der Weg nun offen, die Integration in die EU
stehe für 2013 fest. Serbien müsse jetzt nachziehen und seine Konflikte mit
Kosovo beilegen.
## Aufarbeitung der Geschichte Pflicht
Der deutschen Seite schwebt zur Verminderung der Spannungen so etwas wie
der Grundlagenvertrag zwischen der BRD und der DDR vor, ließ der
Unionspolitiker Peter Altmaier kürzlich durchblicken. Die BRD weigerte sich
damals, die DDR diplomatisch anzuerkennen - so wie Serbien sich weigert,
Kosovo diplomatisch anzuerkennen. Sie verzichtete aber darauf, die Aufnahme
der DDR in internationale Gremien zu verhindern. Serbien blockiert bisher
nicht nur Kosovos Aufnahme in die UNO, sondern hindert sogar die
Sportverbände daran, sich in die internationalen Strukturen einzugliedern.
Merkel wertet die Verhaftung der mutmaßlichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic
und Goran Hadzic als positives Signal Serbiens an die EU und für die
Beitrittsverhandlungen, die noch im Herbst aufgenommen werden könnten. Sie
betonte aber auch, "ohne die Aufarbeitung der Geschichte wird es in dieser
Region keinen Frieden geben."
Hier jedoch setzt die Kritik zweier Unionspolitiker an, die sich seit
Jahrzehnten mit der Balkanpolitik befassen. Der ehemalige Hohe Repräsentant
in Bosnien und Herzegowina Christian Schwarz-Schilling und der
CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Brand bemängeln die im Frühjahr
gestartete Merkel-Initiative in Bosnien, weil sie zu "inkonsequent"
angelegt worden und folgenlos geblieben sei.
Deutschland müsse sich konsequenter gegen die Forderungen provinzieller
Nationalisten wie des Ministerpräsidenten der serbischen Teilrepublik
Milorad Dodik aussprechen. Deutschland brauche ein klares Ziel für seine
Balkanpolitik, forderte Michael Brand kürzlich in Sarajevo, und solle
seinen wachsenden Einfluss in der Region für eine tragfähige
Friedensregelung nutzen. "Bosnien und Herzegowina braucht eine neue
Verfassung, die Reformen überhaupt erst möglich macht." Bosnien sei nach
wie vor ein neuralgischer Punkt auf dem Balkan.
22 Aug 2011
## AUTOREN
(DIR) Erich Rathfelder
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Grenzkonflikt im Kosovo: Schießen statt reden
Die Gespräche zur zukünftigen kosovarisch-serbischen Grenzregelung sind
nach den jüngsten Zusammenstößen von Serben und KFOR-Truppen vertagt
worden.
(DIR) Serben im Kosovo: Integration wird abgelehnt
Teile des Nord-Kosovo sind ohne Kontrolle durch Prishtina. Nun hat die
internationale Gemeinschaft trotz der Proteste serbischer Kosovaren zwei
Grenzposten übernommen.
(DIR) Merkel besucht Belgrad: Liebe Worte, karge Ergebnisse
Bundeskanzlerin Merkel fordert von Belgrad mehr Fexibilität in der
Kosovo-Frage. Doch Präsident Boris Tadic bleibt hart und mag keine
Zugeständnisse versprechen.
(DIR) Konflikt im Kosovo: Engel und Teufel
Der albanisch-serbische Konflikt durchdringt die Kultur im Kosovo. Bemüht
man sich als Theaterleiter um den Dialog zwischen den Feinden, ist man ganz
schnell seinen Job los.
(DIR) Kommentar Kosovo-Grenzstreit: EU muss Druck auf Serbien ausüben
Wenn Serbien der EU näherkommen will, dann muss es seinen Frieden mit dem
Kosovo machen. Brüssel darf bis dahin Serbien nicht als Beitrittskandidaten
aufnehmen.
(DIR) Wehrmachtslegende in Serbien: "Sie wollen die Geschichte glauben"
In Serbien wird ein Wehrmachtssoldat als Held gefeiert, der im Zweiten
Weltkrieg einen Schießbefehl verweigert haben soll. Die Geschichte stimmt
nicht, wie Buchautor Martens herausfand.
(DIR) Serbien kooperiert mit dem Haager Tribunal: Gegenleistung für den Kopf von Hadzic
Nach der Festnahme des mutmaßlichen Kriegsverbrechers wollen die Menschen,
die unter einer hohen Inflation und Arbeitslosigkeit leiden, dass Europa
sie belohnt.
(DIR) Serbischer Regierungschef in Sarajevo: Erster offizieller Besuch seit Kriegsende
Tadic trifft sich mit dem Präsidentenrat - dem höchsten politischen Gremium
in Bosnien und Herzegowina. Der Wunsch, der EU beizutreten, erfordert
Kompromisse.