# taz.de -- FDP-Wahlkampf mit Bierbike: Der Strohhalm im Bier
       
       > Die Berliner Liberalen kämpfen mit allen Mitteln um den Wiedereinzug ins
       > Abgeordnetenhaus. Dafür besteigt Spitzenkandidat Meyer zum ersten Mal ein
       > Bierbike.
       
 (IMG) Bild: Nicht nur mit Bierbikes macht die FDP Wahlkampf: Spitzenkandidat Christoph Meyer (rechts) vor einem Wahlplakat mit brennenden Autos.
       
       Na klar, ans Steuer muss Christoph Meyer noch. Er, der jugendlich wirkende
       Spitzenkandidat der Berliner FDP für die Abgeordnetenhauswahl, klettert zum
       Lenkrad, etwas hüftsteif sieht das aus. Der Fotograf der Bild macht schnell
       sein Foto, danach sagt Meyer staatsmännisch: "Ich werde mit der Fraktion in
       den nächsten Tagen darüber sprechen." Das "darüber" sind jedoch keine
       brennenden Autos, keine Euro-Bonds, kein Libyen. Meyer saß gerade 45
       Minuten auf einem Bierbike - und über ebenjene Erfahrung will er mit seinen
       Kollegen demnächst sprechen.
       
       Die FDP hat es schwer in diesem Wahlkampf. Die Umfragen sagen den Liberalen
       nach zehn Jahren den Abschied aus dem Abgeordnetenhaus voraus, von den zum
       Einzug notwendigen fünf Prozent sind sie weit entfernt.
       
       Spitzenkandidat Meyer hat einen warmen Politikerhändedruck: nicht zu fest,
       dabei blickt er seinem Gegenüber in die Augen. Der Mittdreißiger würde bei
       vielen Eltern als idealer Schwiegersohn durchgehen. Meyer wird die FDP
       nicht retten, auch wenn er sagt, er sei sehr zuversichtlich, was den
       Wiedereinzug ins Abgeordnetenhaus angeht. Die Liberalen greifen dafür
       längst nach jedem Strohhalm. Und wenn er nur ins Bierglas führt.
       
       Erst vor ein paar Tagen hatte CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel die FDP als
       "Yuppie-Boygroup" verspottet, woraufhin die Liberalen zu kontern
       versuchten, Yuppie stehe für "young urban professionals", also
       karrierebewusste Großstadtmenschen, die Berlin dringend brauche. Es wirkt
       bei der FDP merkwürdig naheliegend, dass die "Professionals" nun das
       Bierbike als unersetzlich auserkoren haben.
       
       Es ist eine bizarre Konstruktion, die da auf den Berliner Straßen unterwegs
       ist: Das Bierbike ist ein großer hölzerner Wagen, in der Mitte ein
       Barkeeper, der die Gäste mit Bier versorgt, und ein Fahrer, der das Gefährt
       lenkt. Außen sitzen bis zu 16 Leute, die gleichzeitig strampeln, um das
       Gefährt fortzubewegen, und dabei normalerweise Bier trinken, sehr viel
       Bier. Ballermann-Hits dröhnen aus Lautsprechern.
       
       Unterwegs mit Christoph Meyer auf dem Bierbike sieht das freilich anders
       aus. Das Gefährt ist mit Wahlkampfplakaten geschmückt, um Meyer ringen sich
       Jungliberale. Ausgeschenkt werden alkoholfreies Bier und Softdrinks,
       ungläubig staunende Passanten werden in Endlosschleife mit dem
       Wahlkampfschlager der Berliner FDP beschallt: "Berlin gefällt mir".
       
       Ganz wohl fühlt sich auch Meyer auf dem Bierbike nicht. Schweißperlen
       rinnen seine Stirn herunter, er ist rot angelaufen und stemmt regelmäßig
       seine Arme in die Seiten, während er strampelt und vom Wahlkampf spricht.
       Hinter dem Bike ein langer Stau, seine Monologe werden oft von hupenden
       Bussen und Autos übertönt, die das Bierbike überholen. Als sich das auch
       noch verfährt, schaut Meyer ungeduldig auf seine Uhr.
       
       Organisiert wurde die Tour durch Berlins Mitte von der Jugendorganisation
       der FDP, den Julis. Die Jungliberalen fordern "Verbote verbieten" und die
       Bierbikes als wichtigen Wirtschaftsfaktor Berlins auf den Straßen zu
       lassen. Damit sind die Julis auf einer Linie mit der Grünen-Fraktion,
       während sich die FDP-Fraktion gegen die den Verkehrsfluss behindernden
       Bierbikes ausspricht - eigentlich. Meyer ist zuvor nie Bierbike gefahren
       und sagt anfangs, er möchte sich gern eine Meinung darüber bilden.
       
       Nachdem Meyer 45 Minuten in die Pedale getreten hat, drückt er sich um ein
       klares Statement. Es sei eine interessante Erfahrung gewesen, und auf
       mehrspurigen Straßen mit Überholmöglichkeiten störten die Bikes niemanden.
       Deren Zukunft kann ihm eigentlich egal sein: Nach dem Termin steigt der
       Spitzenkandidat vom Bierbike, setzt sich in seine schwarze Limousine und
       lässt sich von seinem Fahrer zum nächsten Wahlkampftermin bringen.
       
       22 Aug 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franz Nestler
       
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