# taz.de -- Proteste in Spanien: Demonstration gegen Defizitriegel
       
       > Premier Zapatero bringt seine umstrittene Verfassungsreform gemeinsam mit
       > dem politischen Gegner durch. Der PSOE droht ein heißer Herbst.
       
 (IMG) Bild: Auch in Sevilla wurde gegen die Verfassungsreform demonstriert.
       
       MADRID taz | Gegen einen "verdeckten Staatsstreich" machen Spaniens
       Gewerkschaften und die Bewegung der Empörten mobil. Sie verlangen ein
       Referendum gegen die Aufnahme einer Defizitobergrenze in die Verfassung.
       
       In Madrid gingen am Dienstagabend 25.000 auf die Straße, in Barcelona
       20.000. Dennoch stimmten im Senat die beiden großen Parteien für die
       Reform: die regierende, sozialistische PSOE von José Luis Rodríguez
       Zapatero und die konservative Volkspartei (PP). Der Kongress hatte bereits
       vor wenigen Tagen zugestimmt.
       
       Erstmals in knapp acht Jahren unter Zapatero konnten sich die beiden großen
       Parteien auf ein gemeinsames Vorgehen einigen.
       
       Das Defizit wird ab 2020 auf maximal 0,4 Prozent jährlich festgeschrieben.
       "Echte Demokratie - Jetzt!", die Gruppe, die mit ihren Großdemonstrationen
       am 15. Mai dieses Jahres die Bewegung der Empörten ins Leben rief, sieht
       darin "den völligen Abbau der sozialen Garantien, und damit der Grundlage
       unserer Verfassung". Dem Staat bliebe im Falle einer schweren Krise oder
       eines Angriffs durch Spekulanten auf den Märkten kein Handlungsspielraum.
       
       Im Manifest, das in Madrid zum Abschluss der von den beiden großen
       Gewerkschaften, der sozialistischen UGT und der postkommunistischen CCOO,
       angeführten Demonstration verlesen wurde, ist von "einem schweren Angriff
       auf die Souveränität des Volkes" die Rede. "Ich will abstimmen" lautete
       eine der von den Teilnehmern am meisten skandierten Parolen.
       
       ## Druck "fremder Kräfte"
       
       Eigentlich müsste das auch so sein. Denn eine Verfassungsreform verlangt
       nach einer Volksabstimmung, außer wenn es sich um kleinere Verbesserungen
       handelt. Genau das argumentieren die beiden großen Parteien. Die Idee zur
       Reform stammt von Regierungschef Zapatero.
       
       Er paktierte die Verfassungsreform zugunsten einer Verschuldungsgrenze
       telefonisch mit dem Vorsitzenden der PP, Mariano Rajoy. Zapateros
       Abgeordnete wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Wer dagegen war,
       wurde gezwungen, der Abstimmung im Kongress und Senat fern zu bleiben.
       
       Die Verfassungsreform sei auf Druck "fremder Kräfte" zustande gekommen,
       beschwert sich CCOO-Chef Ignacio Fernández Toxo. Sie solle "das Geschäft
       zulasten der Qualität der Demokratie sichern". Mittlerweile haben im
       Internet knapp 150.000 Menschen eine Petition für eine Volksabstimmung
       unterzeichnet. "Es handelt sich um eine politisches Zeichen von höchstem
       Niveau zugunsten des Euros", weist der Sprecher Zapateros, Ramón Jauregui,
       die Kritik zurück.
       
       Ein Referendum sei nicht nötig, denn "dazu sind die Wahlen da, um die
       Parteien zu belohnen oder zu bestrafen". Die Umfragen zu den Neuwahlen am
       20. November, bei denen für nicht mehr Zapatero, sondern Innenminister
       Alfredo Pérez Rubalcaba ins Rennen geht, sprechen eine deutliche Sprache.
       Die PSOE liegt 14 Punkte hinter der konservativen PP.
       
       Doch bis zum Urnengang steht Spanien erst einmal ein heißer Herbst bevor.
       Die Sozialkürzungen sorgen überall im Lande für Proteste. In Barcelona
       macht das Krankenhauspersonal gegen Einsparungen mobil, zum Schulbeginn am
       14. September treten die Lehrer in den Streik. Und am 15. Oktober meldet
       sich einmal mehr die Bewegung der Empörten. Sie ruft weltweit zu
       Demonstrationen gegen die unsoziale Krisenpolitik auf.
       
       7 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Neue Ökopartei in Spanien: Nah dran am Puerta del Sol
       
       Mit "Equo" hat auch Spanien endlich eine grüne Partei. Sie könnte den
       Graben zwischen den sozialen Bewegungen und der offiziellen Politik
       überbrücken.
       
 (DIR) Neue grüne Partei in Spanien: Auf die Frustrierten gesetzt
       
       Die Partei "Equo" will in Spanien für ökologische Belange und soziale
       Gerechtigkeit kämpfen. Und setzt dabei auch auf die "Bewegung der
       Empörten".
       
 (DIR) Kommentar Spanische Schuldenbremse: Protest gegen Elendsproduktion
       
       Schuldenbremsen in Ländern mit einer extrem hohen öffentlichen Verschuldung
       sind keine Lösung. Sie führen nur zu schweren sozialen Verwerfungen.
       
 (DIR) Italien und Spanien geraten unter Druck: Analysten rechnen mit Mondzinsen
       
       Die Zinsen steigen ständig. Also wird in der EU erneut hinter den Kulissen
       verhandelt. Was passiert, wenn die Ansteckungsangst losgeht? Vier Szenarien
       sind denkbar.
       
 (DIR) Proteste in Spanien: Sternmarsch zieht in Madrid ein
       
       Nach mehr als einem Monat auf der Straße trifft der "Marsch der Empörten"
       auf der Puerta del Sol ein. Ein Protest gegen die antisoziale Politik des
       Landes.
       
 (DIR) Proteste gegen spanische Regierungspolitik: Sternmarsch auf Madrid
       
       Die Teilnehmer des "Empörten Volksmarsches" sind hunderte Kilometer zu Fuß
       nach Madrid unterwegs. Sie demonstrieren gegen Arbeitslosigkeit und
       unsoziale Politik.