# taz.de -- Am Wahlkampfstand (2): Die CDU: Heimspiel im Stammland
       
       > Auf Landesebene stehen der CDU weitere Jahre in der Opposition bevor,
       > weil Grün-Schwarz passé ist. In Steglitz-Zehlendorf ist man mit der Union
       > aber ganz zufrieden.
       
 (IMG) Bild: Ob sie wohl die Piraten wählen?
       
       Zehlendorf, an einer der größten Straßenkreuzungen des Bezirks. Vor einer
       Commerzbank unter einem Ahornbaum hat die örtliche CDU ihren Stand
       aufgebaut. Es ist Tag zwei nach der "Kapitulation" von Renate Künast. So
       hatte CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel das Nein der grünen
       Spitzenkandidatin zu einer grün-schwarzen Koalition bezeichnet. Künast
       hatte dadurch mit Wahlziel und Wahlprogramm ihrer Partei gebrochen:
       Regierende Bürgermeisterin werden zu wollen und Klaus Wowereit abzulösen.
       Für die Christdemokraten heißt das nun höchstwahrscheinlich: fünf weitere
       Jahre Opposition im Abgeordnetenhaus.
       
       So ist die Stimmung am Wahlkampfstand nicht gerade überschäumend. Dass sie
       trotzdem nicht schlecht ist, hat damit zu tun, dass die örtlichen
       Parteimitglieder darauf hoffen, wenigstens im eigenen Bezirk vorn zu
       liegen. Seit fünf Jahren regiert hier eine schwarz-grüne Koalition, die
       erste in Berlin.
       
       Wechselstimmung ist an diesem Vormittag kaum zu spüren. Ob er denn diese
       "100 Punkte" haben könne, fragt ein Passant, das Wahlprogramm von
       Spitzenkandidat Henkel? Gewählt habe er schon, per Briefwahl, "CDU
       natürlich". Minuten später fragt noch einer ausdrücklich nach diesem
       Papier. Eine Frau in den 50ern wiederum nimmt gern eine Rose von den
       CDUlern entgegen. Sie stimme ja für die Christdemokraten, und die Nachbarn
       will sie auch schon bearbeitet haben, damit die bloß nicht FDP wählen, "das
       ist doch eine verlorene Stimme".
       
       Irgendwann später hat doch mal jemand etwas zu kritisieren. Also, er wähle
       ja CDU, aber "das mit eurem blöden Tempo-30-Plakat", das gehe ja gar nicht,
       sagt er, "ich bin voll auf die Bremse".
       
       Auf dem Plakat imitiert die Union ein Tempolimitschild. In kleiner Schrift
       gibt sie darunter zu verstehen, dass es so unter grüner Regentschaft
       aussehen würde. Na, das solle mal der Verantwortliche selber klären, sagen
       die CDUler am Stand und zeigen auf Torsten Hippe. Das ist ihr Fraktionschef
       in der Bezirksverordnetenversammlung, ein Mann mit offenbar viel Spaß an
       politischem Streit. "Eine Woche noch, dann hängen wirs ab", verspricht der.
       Eine Woche noch, dann ist die Wahl eh gelaufen.
       
       Ärgerlich kommt eine junge Frau mit Sonnenbrille an. Das gehe ja gar nicht,
       sagt sie und zeigt auf den Stamm des Ahorns hinter dem CDU-Stand. Dort hat
       Hippe an einem Plakat der örtlichen SPD-Kandidatin das Jackett seines
       Dreiteilers aufgehängt. Und weil der Fraktionschef eine barocke Figur und
       eine entsprechende Kleidergröße hat, ist von dem Soziplakat nicht mehr viel
       zu sehen. Hippe hört sich den Protest an. Das Jackett bleibt.
       
       Ein ergrauter Mann verzweifelt schier daran, dass in Berlin "diese
       Piratenpartei" in Umfragen sechseinhalb Prozent bekommt. Die Piraten sehen
       offenbar auch im bürgerlichen Publikum Potenzial und werben 250 Meter von
       der Union entfernt vor einem Supermarkt. Ein anderer Mann, ebenfalls in den
       60ern, stoppt sein Fahrrad neben dem Wahlkampfstand der Christdemokraten
       und hält den Wahlkämpfern den schwankenden Kurs ihrer Bundesparteichefin
       Angela Merkel in der Atompolitik vor - nicht gerade ein Thema für Landes-
       und Bezirkspolitiker.
       
       Die Leute würden oft nicht unterscheiden, erzählt eine CDUlerin an einem
       anderen Stand der Partei, kaum 200 Meter weiter. Viele kämen auf die Rente
       zu sprechen, befürchteten, zu wenig zu bekommen. Andere seien durch die
       anhaltende Diskussion über den Euro verunsichert.
       
       Die vermeintlichen Spitzenthemen des Berliner Wahlkampfs -
       Mietsteigerungen, Sicherheit und Autobrandstiftungen -, von ihnen ist an
       diesem Samstagvormittag in Zehlendorf nichts zu hören. Überhaupt ist die
       Union im gutbürgerlichen Südwesten in einer Spagatsituation: Landesweit
       plakatiert ihr Spitzenkandidat Henkel, dass man CDU wählen müsse, "damit
       sich was ändert". In Zehlendorf, wo die CDU seit gefühlten Ewigkeiten am
       Ruder ist, wirbt die Partei im Kern dafür, es so zu belassen, wie es ist.
       "Fühlen Sie sich wohl in Steglitz-Zehlendorf?", fragt die CDU auf einem
       nicht unoriginellen Plakat und fügt hinzu: "Wir sind schuld.
       
       12 Sep 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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