# taz.de -- Nach der Berlinwahl: Der Fluch der Karibik
       
       > Jubel bei den Piraten. Die FDP wird zur lachnummer. Die SPD gewinnt, aber
       > verliert Stimmen, bei den Grünen ist es umgekehrt. Und die Linke muss in
       > die Opposition.
       
 (IMG) Bild: Daumen hoch für Andreas Baum, Spitzenkandidat der Piratenpartei in Berlin.
       
       BERLIN taz | Es klingt nach Fußballspiel auf der Wahlparty der
       Piratenpartei im Ritter Butzke in Kreuzberg. Lautes Gröhlen und Rufen, als
       der orangefarbene Balken erscheint, ob er dann bei 8, bei 8,5 oder 8,6
       stehen bleibt, spielt kaum eine Rolle. "Overwhelmed" beschreibt Piratin
       Julia Schramm, die seit zwei Jahren dabei ist, ihre Gefühle. "Ich hätte so
       mit 6 Prozent gerechnet." Nun habe sich die "ganze Plackerei" der letzten
       Jahre gelohnt.
       
       Andreas Baum, Spitzenkandidat der Piraten, ist derweil schon bei der ersten
       TV-Runde im Abgeordnetenhaus. "Wir freuen uns über das Ergebnis", sagt er
       mit einem sichtlich zufriedenen Grinsen, das anders als bei den Vertretern
       aller anderen Parteien tatsächlich überzeugend wirkt. Eine erste kleine
       Revolution kündigt Baum auch gleich an. Er will dafür sorgen, dass Twittern
       im Abgeordnetenhaus erlaubt wird.
       
       Ganz andere Sorgen haben die Grünen. Auch bei deren Wahlparty im
       überfüllten Festssaal Kreuzberg gibt es großen Applaus, allerdings erst,
       als das desaströse Ergebnis der FDP bekannt wird. Der eigene Balken wird
       nur verhalten beklatscht. Die rund 18 Prozent seien ein Erfolg, heißt es
       auf der Party. Aber man habe man sich mehr erhofft. Erst als
       Spitzenkandidatin Renate Künast sich durch die Menge drängelt, tobt das
       Publikum. "Wir sind die, die Zuwachs an Stimmen mitbringen", sagt Künast
       mit Blick auf den Konkurrenzkampf mit der CDU um die anstehenden
       Koalitionsverhandlungen mit der SPD. "Wir wollen die Zukunft Berlins
       organisieren", ruft Künast. Das gefällt den Anhängern ihrer Partei.
       
       Die SPD muss erst mal eine Enttäuschung wegstecken. 1.500 Gäste drängeln
       sich im Kesselhaus der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg. Die intern
       erhofften 30 Prozent hat die Partei verfehlt. Der Jubel ist verhalten. Das
       jetzt erzielte Ergebnis ist wenig für Klaus Wowereit, der so auf einen
       klaren Sieg abonniert schien. Mit einem Überraschungs-"Oh" wird das
       Ergebnis der Grünen quittiert. Von Häme gegenüber Renate Künast keine Spur.
       Den größten Jubel aber gibt es auch hier für das Desaster der FDP. Mit dem
       dritten Wahlsieg, dass wissen die SPD-Getreuen im Kesselhaus, wird auch der
       bundespolitische Einfluss von Klaus Wowereit wachsen. Den vielleicht
       wichtigsten Stimmungstest gibt es, als die Sitzverteilung und die möglichen
       Regierungskoalitionen der SPD eingeblendet werden: großer Jubel für die
       Grünen, klare Absage an die CDU.
       
       ## Linke will "machtvolle Opposition" sein
       
       Die bietet sich unverdrossen als Partner für eine große Koalition an. Die
       CDU-Bundestagsabgeordnete Monika Grütters sagt am Abend, das oberste
       Wahlziel sei erreicht: "Rot-Rot ist abgewählt." Ihre Partei habe gezeigt,
       dass sie in schwierigen Zeiten und in einer Großstadt zulegen kann. Über
       die Koalition müsse nun die SPD entscheiden. "Der Ball liegt im Feld von
       Klaus Wowereit! Die CDU hat sich empfohlen", sagt Grütters.
       
       Bei der Linken-Party im ehemaligen Kino Kosmos an der Karl-Marx-Allee
       spielt eine Jazzband. Moderator Hanno Harnisch greift zum Mikrofon und
       singt Kurt Weills "Mackie Messer". Sonst ist die Stimmung eher verhalten,
       lauten Applaus gibt es nur zweimal: als die Erdrutschniederlage der
       Liberalen verkündet wird und über das satte Ergebnis von 22,4 Prozent, das
       die Linke wenigstens in den östlichen Bezirken eingefahren hat.
       
       Landeschef Harald Wolf tritt aufs Podium und sagt, nach zehn Jahren Rot-Rot
       stehe das Land deutlich besser da als vorher. Er kündigt eine "machtvolle
       Opposition" an. Ein Rentner aus Tempelhof, einer der wenigen anwesenden
       Westlinken, ärgert sich über die "unsinnigen bundespolitischen
       Diskussionen", die "wertvolle Prozente gekostet" hätten. Das sieht Wolf
       genauso: "Die Debatten in der Bundespartei haben uns nicht mit Rückenwind
       versehen."
       
       Die größte Überraschung gab es bei der Wahlparty der FDP. Als der Balken
       der Liberalen bei kläglichen zwei Prozent stehen bleibt, bricht
       frenetischer Jubel aus. Es sind freilich keine Liberalen, die da Konfetti
       werfen, sondern eine Delegation von Martin Sonneborns "Partei", die einen
       Flashmob vorbereitet haben.
       
       Als später Landeschef Christoph Meyer ans Mikrofon tritt, gibt es nur noch
       Pflichtapplaus. Die Berliner FDP, erklärt Meyer das Debakel, sei nicht in
       die Verantwortung zu nehmen - es habe an den Personalien und Debatten auf
       Bundesebene gelegen. Leider seien da aber auch keine personellen
       Alternativen in Sicht. Einige jüngere FDPler kommentieren das Ergebnis mit
       Durchhalteparolen: Alle wollen sie in der Partei bleiben - schließlich
       ändere sich an ihren Überzeugungen nichts. "Vielleicht ist das jetzt auch
       die Chance für einen Neuanfang", sagt einer.
       
       (KO, WERA, PLU, SVE, PEZ, STA)
       
       18 Sep 2011
       
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