# taz.de -- FDP-Wahlschlappe in Berlin: Röslers Resterampe
> Die Liberalen sind aus dem nächsten Landesparlament geflogen, der Druck
> auf Parteichef Rösler wird größer. Er muss sich mehr und mehr fragen
> lassen, wie führungsstark er eigentlich ist.
(IMG) Bild: Die Richtung soll auch nach der Wahlschlappe in Berlin die gleiche bleiben.
BERLIN rtr | Generalsekretär Christian Lindner hatte am Sonntagabend die
unangenehme Aufgabe, die sechste Wahlschlappe der FDP in Folge als erster
bundespolitischer FDP-Grande kommentieren zu müssen. Trotz erkennbarer
Betroffenheit kündigte er an, die Partei werde an ihrem umstrittenen Kurs
festhalten. Auf den Schlussmetern hatten die Liberalen in der Hauptstadt
gehofft, die harten Worte von Bundeschef Philipp Rösler in der Eurokrise
könnten ihnen zumindest über die Fünf-Prozent-Hürde helfen und den
Wiedereinzug in das Abgeordnetenhaus sichern. Die Landtagswahl hatten sie
daher zu einer Richtungsentscheidung über den Euro-Rettungskurs der
Bundesregierung ausgerufen. Die Rechnung ging nicht auf: Mit unter zwei
Prozent nach 7,6 Prozent vor fünf Jahren war es die bitterste Niederlage
für die Liberalen im Superwahljahr.
Vor allem die Euroskeptiker in der FDP um den "Rebellen" Frank Schäffler
haben einen Rückschlag einstecken müssen. Allerdings bedeutet das Ergebnis
keineswegs, dass die FDP nun alle Euro-Maßnahmen bedingungslos schlucken
wird und Kanzlerin Angela Merkel keine Widerworte mehr zu fürchten braucht.
Im Gegenteil: Der FDP hat die Aufmerksamkeit durch Röslers Gedankenspiele
über eine Insolvenz des finanziell am Tropf hängenden Griechenlands
gefallen. Zudem gab es Ende vergangener Woche erste zarte Hinweise, dass
sich die prononcierte Haltung im Bund durchaus auszahlen könnte: im
ARD-Deutschlandtrend machte die FDP einen Sprung von drei auf fünf Prozent.
Rösler hat vor allem den Kurs der kommenden Monate vorgeben wollen. Die FDP
will sich mit Sachthemen profilieren und dabei verstärkt eigene Akzente
setzen. Die Wahrung der Interessen der deutschen Steuerzahler in der
Währungskrise gehört für die FDP ganz klar zu diesen "Brot- und
Butterthemen". Lindner betonte denn auch am Wahlabend: "So wenig wie wir
die Positionierung mit Blick auf die Berlin-Wahl getroffen haben, so wenig
werden sie nach der Wahl korrigieren." Die Liberalen verstünden sich als
"ordnungspolitisches Korrektiv" in der Koalition.
## Rösler steht unter enormem Druck
Bei der CDU ist die Befürchtung groß, dass die FDP auf der Suche nach mehr
Profil völlig aus dem Ruder läuft, kommt ihr doch ohnehin inzwischen mehr
und mehr ihr Koalitionspartner abhanden. Der Wahlausgang löst bei den
Christdemokraten daher trotz der eigenen Zugewinne zwiespältige Gefühle
aus. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter
Altmaier, würdigte das Wahlergebnis als Stärkung von Merkels
europapolitischem Kurs. Und CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe mahnte: "Wir
vertrauen darauf, dass die FDP um ihre Verantwortung weiß."
Rösler steht jedoch unter enormen Druck. Sein "Liefer-Versprechen" vom
Rostocker Parteitag im Mai hat er noch nicht eingelöst. Nach mehr als vier
Monaten im Amt muss er sich mehr und mehr fragen lassen, wie führungsstark
er ist. Intern kommen bereits Forderungen, Rösler müsse endlich sagen, wo
er langfristig hin wolle. Eine Perspektive für die Partei bis zur
Bundestagswahl will er den Führungsgremien am Montag liefern - wohl auch um
Unmut über seinen eigenen Kurs im Zaum zu halten.
Darüber hinaus muss Rösler die Euro-Kritiker bändigen, die durch eine
Mitgliederbefragung die offizielle Parteilinie und auch den Kurs der
Regierung bei der Euro-Rettung zu Fall bringen wollen. Kommt hinzu, dass
mit der ins Abgeordnetenhaus gewählten Piraten-Partei von nun an ein neuer
politischer Mitbewerber viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen dürfte.
Die Parteispitze um Rösler betont, dass sie sich als seriöse
Regierungspartei in Szene sitzen will. Gleichwohl ist sie zu einem härteren
Kurs nahezu verdammt. Dies gilt nicht nur für den Euro, sondern auch in
Feldern wie der inneren Sicherheit, in der Wirtschafts- und Steuerpolitik
oder beim Streit um eine Kapitaldeckung in der Pflegeversicherung.
## Neuwahlen wären für die FDP wohl ein Desaster
Auch der Bonner Parteienforscher Gerd Langguth ist überzeugt, dass das
Klima im schwarz-gelben Bündnis nicht gerade angenehmer wird. Eine Partei,
die dauerhaft unter fünf Prozent liege, werde unkalkulierbar. Langguth geht
allerdings davon aus, dass die FDP angesichts des desaströsen Ergebnisses
in Zukunft etwas vorsichtiger agieren wird.
Ohnehin gilt als unwahrscheinlich, dass es auf absehbare Zeit zu einem
Bruch der Koalition kommt, wie es unter FDP-Politikern durchaus als Weg aus
dem Popularitätstief diskutiert worden ist. Durch die Erfolge von SPD und
Grünen sind Union und FDP mehr denn je aneinandergekettet. Die
Sozialdemokraten haben bereits deutlich gemacht, dass sie der Union im
Notfall nicht zur Verfügung stehen würden.
Eine neue Regierung würde es somit nur über Neuwahlen geben, nach denen
eine rot-grüne Koalition derzeit so gut wie ausgemacht wäre. Die FDP müsste
gar um den Einzug in den Bundestag bangen, zudem verfügt sie seit Jahren
über keine andere Koalitionsoption.
18 Sep 2011
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(DIR) Schwerpunkt Wahlen in Berlin
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