# taz.de -- Rot-Grünes Gezänk im Bund: Öko-Fundis versus Betonköpfe
       
       > Gabriel wirft den Grünen Fortschrittsfeindlichkeit vor. Künast ätzt, der
       > SPD sei die Stadt scheißegal. Nach dem Scheitern ihrer
       > Koalitionsverhandlungen in Berlin sind sich Rote und Grüne gram.
       
 (IMG) Bild: Unterschiedliche Auslegung der Verkehrsregeln bei Roten und Grünen.
       
       KÖLN dapd | Das rasche Ende der rot-grünen Koalitionsverhandlungen in
       Berlin sorgt auch auf der bundespolitischen Ebene für hefitge Kontroversen
       zwischen der SPD und den Grünen. Der Bundesvorsitzende der
       Sozialdemokraten, Sigmar Gabriel, rief die Grünen auf, ihre Haltung zu
       Verkehrsprojekten generell zu überdenken. Eine moderne
       wirtschaftsfreundliche Infrastruktur sei die Grundlage des Wohlstands in
       Deutschland, dazu gehörten auch Autobahnen, Schienenwege, Stromtrassen und
       Pipelines, sagte er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. Es sei ein
       großer Irrtum der Grünen, wenn sie meinten, das alles sei im 21.
       Jahrhundert nicht mehr so wichtig.
       
       Das Nein der Grünen zur Autobahn 100 in Berlin sei unverständlich. "Es geht
       nicht um die Zerstörung von Naturschutzgebieten durch überflüssige
       Autobahnen, sondern um eine moderne Verkehrsinfrastruktur für eine moderne
       und dynamische Großstadt." Auch beim Streit um das baden-württembergische
       Schienenbauprojekt "Stuttgart 21" treffe er auf eine Haltung, die man mit
       den Worten umschreiben könne: Ich will zwar Wohlstand, aber nicht die damit
       verbundenen Belastungen.
       
       Renate Künast, Exspitzenkandidatin der Grünen für die Berliner
       Abgeordnetenhauswahl, geht von nachhaltigen Folgewirkungen der
       gescheiterten Berliner Koalitionsverhandlungen für die Zukunft von Rot-Grün
       insgesamt aus. "Grüne denken an die Glaubwürdigkeit. Das ist einer unserer
       höchsten Werte. Und ich bin mir sicher, kein Grüner wird das der SPD
       vergessen", was mit Wowereit in Berlin passiert sei, sagte Künast der
       Leipziger Volkszeitung. "Denen ist diese Stadt doch völlig egal, während
       sich die Grünen um eine Idee für die gesamte Stadt gekümmert haben", sagte
       sie.
       
       Bereits bei den Sondierungen zwischen SPD und Grünen sei während der
       Kompromisssuche zur strittigen Autobahn-Fortführung Wowereit ein
       verräterischer Satz herausgerutscht: "Das ist alles gar nicht
       verhandelbar." Künast sieht dies als Teil einer Strategie bei den
       Gesprächen, deren einziges Ziel es gewesen sei, die Grünen aus der
       Koalitionsbildung herauszutreiben.
       
       ## Ströbele: "Trickserei"
       
       Der Parlamentarische Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion, Volker
       Beck, sieht in der Entscheidung Wowereits eine Gefahr für den erhofften
       Regierungswechsel im Bund. "Das ist keine kluge Entscheidung im Hinblick
       auf die Ablösung von Schwarz-Gelb im Bund", sagte er dem Kölner
       Stadt-Anzeiger. Auch schwänden die Möglichkeiten, über den Bundesrat aktiv
       Einfluss auf die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung zu nehmen.
       "Rot-Grün hätte seine Position optimieren können", sagte Beck. Und das sei
       nun verabsäumt worden. Er fügte hinzu: "Ein Mobilisierungsschub für die SPD
       wird aus diesem Manöver nicht." Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian
       Ströbele warf Wowereit "Trickserei" vor.
       
       Der niedersächsische SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy forderte
       Wowereit auf, sich zu korrigieren. "Ich würde es begrüßen, wenn man einen
       zweiten Anlauf unternimmt", sagte er. Man lasse "keine Koalitionsregierung
       an drei Kilometern Autobahn scheitern".
       
       Wowereit erhält für den Abbruch der Koalitionsverhandlungen mit den Grünen
       aber auch Rückendeckung aus der Bundes-SPD. Bei Koalitionen sei
       Verlässlichkeit "eine unverzichtbare Bedingung", sagte der Hamburger
       Bürgermeister Olaf Scholz der Berliner Zeitung: "Offenbar war das nicht der
       Fall." Der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner verteidigte
       den Regierenden Bürgermeister gegen die Kritik, er habe die
       Koalitionsverhandlungen mit den Grünen zu Unrecht platzen lassen. "Über
       Koalitionen entscheiden die Landesverbände selbst", sagte er der
       Mitteldeutschen Zeitung.
       
       "Offenbar sind Klaus Wowereit und Michael Müller zu der Überzeugung
       gelangt, dass eine stabile Regierung für fünf Jahre mit den Berliner Grünen
       nicht funktionieren würde." Das lasse aber keine Rückschlüsse auf
       Schleswig-Holstein oder den Bund zu.
       
       6 Oct 2011
       
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