# taz.de -- Sozialistenvorwahl in Frankreich: Hollande siegt knapper als erwartet
       
       > Er und Parteichefin Aubry gehen in die Stichwahl. Und Arnaud Montebourg
       > gilt als "Königsmacher". Eins ist jetzt schon klar: Die Öffnung der
       > Vorwahlen war ein voller Erfolg.
       
 (IMG) Bild: François Hollande ist zwar Vorwahlsieger, doch Martine Aubry ist ihm knapper auf den Fersen als erwartet.
       
       PARIS taz | Wer wird Frankreich nächster Präsident oder vielleicht die
       erste Präsidentin? Zum ersten Mal konnten alle, die in Frankreich
       wahlberechtigt sind und sich im weitesten Sinne als Sympathisanten
       betrachten, bei der Nominierung der Kandidatin oder des Kandidaten der
       Sozialistischen Partei mitbestimmen. Das Hauptereignis dieser Primärwahlen
       war der Großandrang in den 9600 Wahllokalen, der mit mehr als zwei
       Millionen Teilnehmern die kühnsten Hoffnungen in der Parteizentrale
       übertroffen hat. Diesen Publikumserfolg mussten selbst manche politische
       Gegner den Sozialisten voller Neid zugestehen. Mit dieser Öffnung und
       Demokratisierung der Kandidatenkür haben die Sozialisten offensichtlich
       eine politische Marktlücke entdeckt.
       
       Die Ergebnisse der ersten Runde dieser Vorwahlen sind knapper ausgefallen,
       als dies die Umfragen vorausgesagt hatten. Zwar liegt der Favorit François
       Hollande mit 39% in Führung, doch Martine Aubry scheint mit 31% ihre
       Chancen bei der Stichwahl am kommenden Sonntag durchaus zu wahren. Stark
       schnitt der in den Medien als "Linksaußen" charakterisierte Arnaud
       Montebourg ab. Mit seinem Stimmenanteil von 17% kann er nach Meinung der
       Politologen als "Königsmacher" den Ausschlag geben.
       
       Die politischen Unterschiede zwischen den beiden Finalisten sind freilich
       nicht sehr groß. Hollande gilt als eher gemäßigter und kompromissbereiter
       Sozialdemokrat, während Aubry sich in ihrer Vorwahlkampagne gelegentlich
       bewusst als Linke profilieren wollte und dazu in Erinnerung rief, dass man
       ihr die 35-Stundenwoche und andere Reformen aus der Zeit der Linksregierung
       Jospin verdankt. Als Gegenleistung für eine Wahlempfehlung dürfte
       Montebourg darauf pochen, dass sein Konzept einer umfassenden Reform der
       Institutionen sowie seine Kritik an den Banken und der Globalisierung
       berücksichtigt werden.
       
       Ein schweren Rückschlag musste am Sonntag Ségolène Royal einstecken. Mit
       bloss 7% liegt sie mit Manuel Valls (6%) und Jean-Michel Baylet (1%) in der
       Gruppe der Abgeschlagenen. Bis zum Schluss war die einstige
       Präsidentschaftskandidatin von 2007 überzeugt, dass sie wieder für eine
       Sensation sorgen würde und dass die Umfragen, die ihr nicht die geringsten
       Hoffnungen machten, nur Lug und Trug seien. Als sie dann vor ihren Fans
       ihre bittere Niederlage anerkennen musste, rannen ihr doch einige Tränen
       der Enttäuschung übers Gesicht. Der Sozialliberale Valls, der für eine
       Koalition mit der Bürgerlichen Mitte wäre, hat bereits seine Unterstützung
       für Hollande bekannt gemacht.
       
       ## "Ein Euro ist keine enorme Investition"
       
       Neu war an diesen Primärwahlen, dass bei der Nominierung nicht nur
       Parteimitglieder mitbestimmen, sondern letztlich alle, die interessiert und
       in Frankreich wahlberechtigt sind. "Ein Euro ist keine enorme Investition,
       um Nicolas Sarkozy loszuwerden", hatte François Hollande, der Favorit unter
       den sechs Konkurrenten gespottet. Das stand tatsächlich für viele als Motiv
       im Vordergrund. Andere befragte Wähler wollten sich ganz einfach die
       Gelegenheit, ihre Stimme in die Waagschale zu werfen, nicht entgehen
       lassen.
       
       Viele erklärten, sie seien keineswegs PS-Mitglieder, sie begrüßten aber
       diese Öffnung einer politischen Entscheidung, die bisher die
       Parteiführungen für sich reserviert hatten. Das erklärt wohl, dass sich so
       viele Mitbürger persönlich in eines der Wahllokale bemühten, wo sie neben
       der Zahlung des Unkostenbeitrags von mindestens 1 Euro auch noch eine
       Grundsatzerklärung unterschreiben mussten, in der sie sich zu den
       Grundwerten der Linken und der Republik bekannten. Vor allem in städtischen
       Wahlbezirken war die Beteiligung sehr hoch.
       
       Dies schafft für die linke Opposition ein halbes Jahr vor den
       Präsidentschaftswahlen eindeutig eine Dynamik. Aubry oder Hollande kann
       sich im April als designierter Gegner von Nicolas Sarkozy auf die
       Legitimität der Primärwahlen und den dabei massiv manifestierten Wunsch
       nach einer Alternative berufen. Einige Sprecher der konservativen
       Regierungspartei versuchten am Sonntagsabend am Fernsehen die quantitative
       Bedeutung dieser Primärwahlen und die Tragweite dieser politischen
       Innovation für Frankreich zu relativieren. Sie wirkten dabei aber oft bloss
       wie neidische schlechte Verlierer.
       
       10 Oct 2011
       
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