# taz.de -- Sozialistenvorwahl in Frankreich: Hochrechnung: François Hollande vorn
       
       > Erstmals können alle Wahlberechtigten in Frankreich bei der Nominierung
       > des sozialistischen Präsidentschaftskandidaten mitreden. Zwei Millionen
       > kamen.
       
 (IMG) Bild: Hat er sich etwa selbst gewählt? François Hollande bei der Stimmabgabe.
       
       PARIS taz | Die Beteiligung an den Vorwahlen zur Nominierung des
       sozialistischen Präsidentschaftskandidaten übertraf bei Weitem die
       Erwartungen. Laut provisorischen Angaben haben rund zwei Millionen
       Stimmberechtigte von diesem neuen Mitbestimmungsrecht Gebrauch gemacht.
       
       Laut ersten Hochrechnungen liegt François Hollande mit rund 40 Prozent der
       Stimmen vor Martine Aubry (30 %) und Arnaud Montebourg (17 %) in Führung.
       Dies hatten auch die letzten Umfragen vorausgesagt. Die definitiven
       Ergebnisse werden am Montagvormittag bekannt gegeben. Damit steht am
       kommenden Sonntag eine Stichwahl zwischen Hollande und Aubry an.
       
       Als "Sprung ins Unbekannte" hatten die französischen Sozialisten diese in
       Anlehnung an das amerikanischen Vorbild organisierten "Primärwahlen"
       bezeichnet. Neu ist an diesen Primärwahlen, dass nicht nur Parteimitglieder
       mitbestimmen können, sondern letztlich alle, die interessiert und in
       Frankreich wahlberechtigt sind – und die im Wahlbüro mindestens 1 Euro als
       Unkostenbeitrag bezahlten und eine Grundsatzerklärung unterschrieben, in
       der sie sich zu den Grundwerten der Linken und der Republik bekannten.
       
       Das Risiko der politischen Innovation scheint sich nun für die Parti
       Socialiste (PS) zumindest in einer Hinsicht ausbezahlt zu haben. Noch bevor
       um 19 Uhr die 9.600 Wahllokale geschlossen hatten und das Auszählen der
       abgegeben Stimmzettel beginnen konnte, stand fest, dass diese demokratische
       Premiere für Frankreich ein ungeahnter großer Publikumserfolg geworden
       sind.
       
       ## Millionenschwelle schon mittags geknackt
       
       Schon kurz nach Mittag war die Schwelle von einer Million Teilnehmenden
       erreicht. Diese runde Zahl wurde bislang Kriterium für einen positiven
       Verlauf genannt. Dass die Beteiligung nun doppelt so groß ausfiel, möchte
       die linke Opposition auch als eine Unmutskundgebung und eine Art Plebiszit
       gegen den amtierenden konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy sehen.
       
       Denn die meisten, die mit mehr oder weniger Überzeugzung einen oder eine
       der sechs PS-Konkurrenten wählten, stimmten vor allem gegen Sarkozy. Die
       Parti Socialiste hat sich dabei verpflichtet, mit dem/der von den Wählern
       bestimmten KandidatIn anzutreten.
       
       "Ein Euro ist keine enorme Investition, um Nicolas Sarkozy loszuwerden",
       hatte François Hollande gespottet. Viele nach ihren Motiven befragte Wähler
       wollten sich ganz einfach die Gelegenheit, ihre Stimme in die Waagschale zu
       werfen, nicht entgehen lassen. Viele erklärten, sie seien nicht Mitglieder
       des PS, sie begrüssten aber diese Öffnung einer politischen Entscheidung.
       Das erklärt wohl, warum sich so viele Franzosen persönlich in eines der
       Wahllokale bemühten.
       
       Im Verlauf des Vormittags waren die Server, auf denen Online-Angaben zu
       zuständigen Wahllokalen erhältlich waren, unter dem Ansturm der Anfragen
       zusammengebrochen. In mehreren Städten mussten Wahlzettel nachgedruckt
       werden. In kleineren Städten oder Dörfern, wo alle sich kennen, war es
       hingegen nicht für alle selbstverständlich, sich mit der Beteiligung an
       diesen PS-Vorwahlen öffentlich als Linkswähler zu erkennen zu geben. In
       Sarcelles bei Paris wählte übrigens auch der frühere IWF-Chef Dominique
       Strauss-Kahn (neu mit einem Bart), der bis zu seinem Skandal in New York
       als Favorit gegolten hatte.
       
       Dem Parti Socialiste ist unbestreitbar gelungen, mit dieser erstmaligen
       Bürgerfragung eine demokratische Marktlücke zu schließen. Für die
       Regierungspartei UMP dagegen bestand kein Interesse an einer vergleichbaren
       Kandidatenkür, da Sarkozy kaum Zweifel an seinem Alleinanspruch, für eine
       Wiederwahl anzutreten, aufkommen lässt. Ihm gegenüber wird ein Kandidat der
       Linken auftreten, der sich auf die Legitimität der Primärwahlen und den
       dabei massiv manifestierten Wunsch nach einer Alternative berufen kann.
       
       9 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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