# taz.de -- Regierungskrise in Belgien: Mehr Rechte für die Regionen
       
       > Die große Staatsreform legt den Grundstein für die Bildung einer neuen
       > Koalitionsregierung. Sie überträgt den Regionen mehr Kompetenzen.
       
 (IMG) Bild: Lieber keine Diskussionen mehr: Verhandlungsführer Elio die Rupo.
       
       BRÜSSEL taz | Die Pressekonferenz dauerte nicht einmal eine halbe Stunde.
       Aber die Zeit reichte dem Sozialdemokraten Elio die Rupo, um die
       wichtigsten Punkte der größten Staatsreform in der Geschichte Belgiens zu
       präsentieren. Fragen waren nicht zugelassen. Der Verhandlungsführer Di Rupo
       wollte sich auf keine Diskussion einlassen.
       
       Über ein Jahr hat Belgien schon keine ordentliche Regierung mehr. Da sollte
       kein unvorsichtiger Satz das mühsam gefundene Gleichgewicht zwischen Flamen
       und Frankophonen zerstören. "Dieser Kompromiss wird unser Land aus der
       längsten und schlimmsten Krise führen", erklärte Di Rupo zuversichtlich.
       "Er erfüllt die Wünsche der Flamen nach mehr Eigenverantwortung, aber auch
       das Bedürfnis der Frankophonen nach Stabilität."
       
       In Zukunft werden die Regionen mehr Entscheidungsbefugnisse haben. Die
       Familienpolitik, die Betreuung von Senioren und Teile der Verkehrspolitik
       werden ihnen übertragen. Flandern und die Wallonie können
       Geschwindigkeitsbegrenzungen für ihre Straßen festlegen und die Bußgelder
       für zu schnelles Fahren einstreichen.
       
       Insgesamt werden den Regionen Kompetenzen übertragen, die 17 Milliarden
       Euro im Staatshaushalt ausmachen. Das Herzstück der Reform sind die neuen
       Regeln für den Wahlkreis Brüssel-Halle-Vilvoorde. Die Diskussionen darum
       haben, so Di Rupo, die politische Atmosphäre im Land jahrelang "vergiftet".
       
       Zu dem Wahlkreis gehören neben der Hauptstadt Brüssel 35 weitere Gemeinden,
       die auf flämischem Gebiet liegen. Bisher galten dort Ausnahmeregelungen für
       die frankophonen Bewohner. Sie durften bei Wahlen für flämische oder
       frankophone Parteien stimmen. Diese Regelung war den Flamen ein Dorn im
       Auge. Sie versuchen seit Jahren den Wahlkreis zu teilen.
       
       Die Frankophonen haben dem nun zugestimmt: Die Gemeinden werden dem
       flämischen Wahlrecht unterliegen. Eine Ausnahme gibt es für sechs Orte, in
       denen besonders viele Frankophone leben. Dort darf auch weiterhin "doppelt"
       gewählt werden.
       
       Di Rupo war sichtlich erleichtert. Jetzt muss er mit seinen
       Verhandlungspartnern noch den Haushalt für das nächste Jahr beschließen.
       Erst dann darf er mit der eigentlichen Suche nach einer neuen
       Koalitionsregierung beginnen.
       
       11 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ruth Reichstein
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Belgien beschließt Sparhaushalt: Jetzt muss nur noch regiert werden
       
       Die zukünftige Regierung in Belgien hat sich auf einen Haushalt für 2012
       geeinigt - Steuern werden erhöht. Einer Kabinettsbildung steht nun nichts
       mehr im Weg.
       
 (DIR) Kommentar Belgien: Mut auf beiden Seiten
       
       Der Parteienkompromiss über die Gestaltung des Wahlkreises
       Brüssel-Halle-Vilvoorde ist eine Absage an die nationalistischen
       Extremisten in Flandern und Wallonien.
       
 (DIR) Belgische Regierungsbildung: Durchbruch nach 15 Monaten
       
       Wer hätte das für möglich gehalten? Im Streit um die belgische
       Regierungsbildung ist eine "erste entscheidende Etappe" erreicht worden.
       Der Dissenz über das Brüsseler Umland scheint beigelegt.
       
 (DIR) Krise in Belgien: Ultimativer Anlauf zur Kabinettsbildung
       
       Seit über einem Jahr ohne ordentliche Regierung, verhandeln Flamen und
       Wallonen erneut über eine Koalition. Einer der Knackpunkte: ein
       umstrittener Wahlkreis.
       
 (DIR) Regierungsbildung in Belgien: Ein Vorschlag für alle
       
       Das Papier kommt bei Flamen und Wallonen gut an. Über ein Jahr nach den
       Wahlen in Belgien sorgt der Kompromissvorschlag eines Sozialisten für
       Bewegung.
       
 (DIR) Belgische Regierungsbildung unter Druck: Premier Leterme verlässt Brüssel
       
       Nach 15 Monaten ohne gewählte Regierung in Belgien hat der amtierende
       Premierminister Yves Leterme genug. Er wechselt zur OECD in Paris.