# taz.de -- Iranischer Regisseur Jafar Panahi: Das Gespenst der sanften Revolution
       
       > In einer Kette von Repressionen gegen Künstler und Zensur im Iran bildet
       > das Urteil gegen Jafar Panahi einen neuen Höhepunkt. Er muss sechs Jahre
       > ins Gefängnis.
       
 (IMG) Bild: Leerer Stuhl für Jafar Panahi auf der Berlinale 2011.
       
       Trotz internationaler Proteste hat ein Berufungsgericht das Urteil gegen
       den renommierten Filmemacher Jafar Panahi bestätigt, wie am Samstag publik
       wurde: sechs Jahre Gefängnis und zwanzig Jahre Berufs- und Reiseverbot. Der
       50 Jahre alte Regisseur habe mit seinen Propagandafilmen gegen die
       nationale Sicherheit verstoßen, urteilte das Gericht.
       
       Anlass zu Panahis Verfolgung lieferte ein geplanter Film über die Unruhen
       nach der Präsidentenwahl 2009. Panahi wurde 2010 gemeinsam mit einigen
       Mitarbeitern festgenommen. Seine Anwältin legte gegen das Urteil eines
       Teheraner Revolutionsgerichts, das selbst für iranische Verhältnisse
       ungewöhnlich hart ausgefallen war, Widerspruch ein. Panahi durfte bis zum
       endgültigen Urteil gegen eine hohe Kaution das Gefängnis verlassen, nicht
       jedoch das Land.
       
       Im Iran geht ein Gespenst um, das Gespenst der sanften Revolution, die nach
       Meinung der Staatsführung vom Ausland gelenkt werde, um die Islamische
       Republik zum Sturz zu bringen. Träger dieser Revolution seien gekaufte
       Kulturschaffende, die unterschwellig und unbemerkt von staatlichen
       Kontrollinstanzen mithilfe von Büchern, Filmen, Musik, Kunst und Zeitungen
       verderbliches westliches Gedankengut unter das Volk bringen. Gegen diese
       Front müsse mit aller Härte vorgegangen werden, fordern konservative
       Politiker und staatliche Medien.
       
       Panahi ist Träger zahlreicher internationaler Preise, die er unter anderem
       in Cannes, Venedig und Berlin erhielt. Die Bestätigung des Urteils bildet
       einen neuen Höhepunkt in der Kette der Repressionen gegen iranische
       Kulturschaffende, die nach der Präsidentenwahl 2009 erheblich verschärft
       wurden.
       
       ## "Gute Bücher brauchen wir nicht zu zensieren."
       
       Im September wurden ein Kollege von Panahi, Modschtaba Miraftabi, der an
       Panahis jüngstem Projekt "In Film Nist" (Dies ist kein Film) mitgearbeitet
       hatte, drei weitere Regisseure, eine Journalistin und Filmemacherin sowie
       eine Kinoproduzentin festgenommen. Ihnen wurde vorgeworfen, mit dem
       britischen Sender BBC, der auch in persischer Sprache sendet,
       zusammengearbeitet zu haben.
       
       Ende Juli sagte Revolutionsführer Ali Chamenei vor einer Versammlung von
       Verlegern und Bibliothekaren: "Wir können den Buchmarkt nicht freigeben und
       damit zulassen, dass schädliche Bücher auf den Markt kommen." Noch
       deutlicher äußerte sich der Minister für Kultur und islamische Führung,
       Mohammed Hosseini: "Gute Bücher brauchen wir nicht zu zensieren. Doch
       manche Bücher sind für die Gesellschaft schädlich, manche sind politisch,
       aber schön kulturell getarnt, und manche verfolgen andere Ziele und haben
       Probleme mit der islamischen Staatsordnung", sagte er. Bücher gelten als
       "Nahrung der Seele" und müssen "gesund" sein. Und der Leiter der
       Presseabteilung des Ministeriums erklärte: "Man sagt, die Bürger haben ein
       Recht auf Information. Aber manchmal haben die Bürger auch ein Recht
       darauf, nicht informiert zu werden."
       
       Bei der Zensurbehörde liegen tausende Manuskripte, die auf Freigabe warten.
       Die lange Wartezeit hat viele Autoren zur Aufgabe ihres Berufs gezwungen
       und zahlreiche Verlage in den Ruin getrieben. Besonders betroffen von der
       Zensur sind auch Journalisten. Im Iran gibt es schon seit Jahren keine
       freie Presse mehr. Zahlreiche bekannte Journalisten sitzen im Gefängnis.
       Nach Angaben des Sprechers des längst verbotenen Vereins zur Verteidigung
       der Pressefreiheit, Maschallah Scham al-Vaezin, haben in den letzten zwei
       Jahren rund 450 Journalisten das Land verlassen. Die im Land arbeitenden
       Journalisten üben inzwischen eine Selbstzensur, die perfekt funktioniere,
       wie al-Vaezin sagt.
       
       Am meisten fürchten die iranischen Zensoren das Internet. Seit geraumer
       Zeit ist der Zugang zu zahlreichen Webseiten blockiert. Aus politischen
       Gründen oder mit der Begründung der Verbreitung "unmoralischer Inhalte"
       oder tatsächlicher pornografischer Darstellungen werden die Seiten
       gefiltert. Betroffen sind neben zahlreichen Blogs vor allem Webseiten
       Oppositioneller, europäischer und amerikanischer Medien sowie
       Onlineplattformen wie Facebook und Twitter.
       
       Iran hat angekündigt, demnächst die Testversion einer neuen
       Internetinfrastruktur freizuschalten. Zudem hat die Regierung für Beginn
       2012 den Start einer nationalen Suchmaschine mit dem Namen "ya Hagh" ("mein
       Gott") angekündigt. Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen
       warnte im August vor eine Abschottung der iranischen Bevölkerung vom
       globalen Internet.
       
       17 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bahman Nirumand
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Jafar Panahi
       
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