# taz.de -- Daily Dope (516): "Ich habe starke Zweifel an Usain Bolt"
       
       > Victor Conte, Chef-Steroidversorger im Balco-Skandal, teilt aus: 65
       > Prozent aller Kurzstreckenläufer seien gedopt. Die Anti-Doping-Agentur
       > Wada wisse davon.
       
 (IMG) Bild: Auskunftsfreudiger Dopinglieferant: Victor Conte erzählt, welche Sportler auch heute ihre Leistung illegal steigern.
       
       BERLIN taz | Der Pharmazauberer mit dem rasierklingenscharfen Schnauzer
       packt mal wieder aus. Victor Conte, Konstrukteur des Wunderdopingmittels
       THG, das eine ganze Generation von US-Leichtathleten zu Rennmaschinen
       machte, holt zu einer Attacke gegen die aktuellen Stars der Kurzstrecken
       aus.
       
       "Die Mehrzahl der Athleten dopt. Ich gehe von 65 Prozent aus", sagte er in
       einem Interview der Gazzetta dello Sport vom Donnerstag. Namentlich
       erwähnte Conte dabei Usain Bolt: "Ich habe starke Zweifel an Usain Bolt und
       den anderen jamaikanischen Athleten."
       
       Conte berichtete von einem Vertrauensmann aus der Karibik, von dem er
       selbst einst Epo bezog. Dieser soll eine karibische Läufernation bei der WM
       2001 ebenfalls mit Epo, Testosteron und verschiedenen Steroiden versorgt
       haben. Die Gazzetta vermutete, dass es sich um die Bahamas handelt.
       
       "Die gleiche Quelle sagte mir, dass sie in Jamaika vor Peking die Methode
       Balco, also meine Methode, benutzt hätten", erzählte Conte im Interview und
       erklärte so seine Zweifel bezüglich Usain Bolt.
       
       In seinem kalifornischen Labor Balco (Bay Area Laboratory Co-Operative)
       hatte Conte bis 2003 Dopingprogramme unter anderem für die
       US-amerikanischen Olympiasieger Marion Jones und Tim Montgomery, die
       Weltmeisterin Kelli White, den britischen Europameister Dwain Chambers
       sowie diverse Footballprofis der NFL entwickelt.
       
       Die Veränderungen, die dieses Dopingprogramm auslöste, waren monströs.
       Kelli White erzählte nach ihrer Disqualifizierung, dass die Drogen sie
       rastlos machten und sie zu "einer Trainingsverrückten" wurde. Sie wurde zur
       Super-Woman, erlitt keine Verletzungen mehr, verspürte keine Müdigkeit,
       musste dafür aber aufgepumpte Schenkel und Steroid-Akne in Kauf nehmen.
       
       ## Kompletter Finallauf der Männer war gedopt
       
       "Ich sah aus wie eine Maschine auf der Bahn. Ich wusste, ich konnte einen
       schlechten Start haben und immer noch mit fünf Metern Vorsprung gewinnen.
       Im Wettkampf fühlte ich mich fast, als würde ich gleiten", sagte sie vor
       zwei Jahren in der Süddeutschen Zeitung zurückblickend.
       
       Sie wusste freilich, dass andere mit ähnlichen Mitteln operierten. Fünf
       weitere Finalistinnen des WM-Laufs über 100 Meter im Jahr 2003 in Paris
       waren laut Conte ebenfalls gedopt. "Ich selbst habe sie versorgt", sagte er
       der Gazzetta. 
       
       "Bei den Olympischen Spielen in Sydney waren die Mehrheit der
       100-Meter-Finalistinnen gedopt und das komplette 100-Meter-Finale der
       Männer. Das war ein perfekt ausgeglichenes Läuferfeld, nur eben nicht in
       dem Sinne, wie die meisten Leute dachten", so Conte weiter.
       
       ## Der Zeitpunkt zum Testen ist genau jetzt
       
       Auch auf das Verschwinden von mindestens 50 positiven Dopingproben der
       US-Leichtathletik vor den Olympischen Spielen in Seoul 1988 machte Conte
       aufmerksam. Und er merkte an, dass er all das im Jahr 2005 schon der
       Welt-Anti-Doping-Agentur Wada zur Kenntnis gebracht hätte.
       
       "Aber sie haben mir gesagt, dass sie mir nicht trauen. Die Aufzeichnungen
       eines dreistündigen Treffens mit Dick Pound [damaliger Wada-Präsident] sind
       alle verschwunden", sagte Conte der Gazzetta.
       
       WADA-Sprecher Terence O'Rorke bestätigte frühere Gespräche zwischen Conte
       und der WADA. "Wir haben seine Informationen zu den entsprechenden
       Ermittlungsbehörden weitergeleitet." Ob aus diesen Erkenntnissen Handlungen
       erwachsen sind, wollte er allerdings nicht sagen.
       
       "Die WADA als eine unabhängige Monitoring- und Koordinationsorganisation
       gibt keine Auskunft darüber, was mit diesen Informationen geschehen ist,
       bevor sie nicht komplett von den zuständigen Stellen geprüft ist und jeder
       involvierten Person die vollständigen Rechte gewährt wurden", sagte O'Rorke
       gegenüber der taz.
       
       Conte gab auch Hinweise darauf, wann man heute Dopingsünder fangen kann:
       "Im letzten Quartal des Jahres vor einem großen Wettkampf. Wer glaubt,
       jemanden während einer WM oder Olympischen Spielen fangen zu können, dem
       wird nur ein Schlag ins Wasser gelingen", sagte Conte. Die Zeit zum Testen
       für Olympia 2012 wäre also genau jetzt.
       
       21 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tom Mustroph
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) DAILY DOPE (532): Amateur mit Ambitionen
       
       Einem 19-jährigen Franzosen wurden 12 verschiedene Doping-Substanzen
       nachgewiesen. Skurril: Er fuhr dritklassige Amateurrennen und nicht etwa
       die Tour de France.
       
 (DIR) Daily Dope (531): Radprofi mit Kälbermastmittel
       
       Noch im Januar will der Internationale Sportgerichtshof im Fall des
       Rennradlers Alberto Contador entscheiden. Ihm droht eine Sperre wegen
       Dopings.
       
 (DIR) Italien verschleppt Dopinguntersuchung: Langsame Ermittlung, schnelle Radler
       
       Gegen Radprofi Alessandro Ballan laufen Ermittungen wegen Blutdopings. Die
       Behörden arbeiten im Schneckentempo – Ballan kommt das ganz gelegen.
       
 (DIR) Daily Dope (528): Iberische Entzaubertrankung
       
       In Spanien findet die 58. Antidopingrazzia statt. Der Kampf der Polizei
       zeigt Wirkung. Dem spanischen Radsport laufen jetzt die Sponsoren davon.
       
 (DIR) Fußballer vermuten heimliches Doping: Behinderungen beim Nachwuchs
       
       Mehrere ehemalige Spieler der algerischen Nationalelf vermuten, dass sie
       früher heimlich Dopingmittel bekommen haben. Sie fordern eine Untersuchung.
       
 (DIR) Relegation zur Fußball-EM 2012: Portugal versenkt Bosnien
       
       Für Kroatien und Irland stand die EM-Teilnahme bereits so gut wie fest.
       Tschechien reichte eine mittelmäßige Leistung. Nach schwachem Hinspiel
       deklassierte Portugal Bosnien.
       
 (DIR) Deutschland - Niederlande: Oranje völlig überfordert
       
       Selten sahen die Niederländer gegen Deutschland so schlecht aus. Man habe
       "nahe an der Perfektion" gespielt, meint Sami Khedira - und drei
       wunderschöne Tore geschossen.
       
 (DIR) Dopingsportart Gewichtheben: Die allerschwerste Aufgabe
       
       In Paris findet momentan die Gewichtheben-WM statt. Der deutsche Verband
       will den Doping-durchseuchten Sport weltweit sauberer machen – mit der
       Hilfe Walther Trögers.
       
 (DIR) Dopingkontrollen und Datenschutz: Die perfekte Überwachung
       
       Deutsche Sportler protestieren gegen das Überwachungssystem der Nada. Auch
       Datenschützer üben Kritik. Nun beschäftigen sich Politiker mit dem Problem.
       
 (DIR) Sporthistoriker über Doping in der BRD: "Chancengleichheit der Westathleten"
       
       Um mit der DDR zu konkurrieren, wurde auch in der BRD Doping gefördert,
       sagt Sporthistoriker Michael Krüger. Für manche Athleten hatte das tödliche
       Folgen.
       
 (DIR) Leichtathletik-WM in Daegu: So werfen, wie Kenianer laufen
       
       Betty Heidler gewinnt zum Abschluss der WM Silber und ist schwer
       enttäuscht. Die deutschen Leichtathleten blicken aber trotzdem frohgemut
       auf die Olympischen Spiele 2012.