# taz.de -- Kolumne Wikileaks: Das Dönerladen-Schicksal
       
       > Wikileaks setzt offenbar auf die gleichen Hinhalteparolen wie Berliner
       > Dönerläden. "Wir sind bald wieder für Sie da!" – und kümmern uns derweil
       > erstmal um die Geldakquise.
       
       Berlin ist nicht nur die Stadt der 1.000 rund um die Uhr geöffneten
       Dönerläden, sondern auch die Stadt der 1.000 vorübergehend geschlossenen
       Dönerläden. "Vorübergehend", weil Dönerläden – wie auch Pizzerien,
       Schawarmastände, Schnellbäckereien und der ganze Rest – in Berlin
       grundsätzlich nie final und endgültig geschlossen werden, sondern immer nur
       "renoviert".
       
       Das hat vielleicht was mit Verkäuferehre zu tun, oder was mit
       Insolvenzrecht oder Steuervorteilen oder Geldwäsche, ist auch egal, auf den
       heruntergekommenen Hauptstraßen Berlins finden sich jedenfalls zahlreiche
       mit Zeitungen verhangene Schaufenster, in denen ein Schild klebt, auf dem
       "Umbauarbeiten, wir sind bald wieder für Sie da!" steht. Nach drei, vier
       Monaten hängt an gleicher Stelle dann ein anderes Schild ("Diese Räume
       können Sie mieten!") und kurz danach macht ein neuer Köfteimbiss oder
       Billigfriseur auf.
       
       Wikileaks hatte in den vergangenen anderthalb Jahren ebenfalls einiges von
       einem kriselnden Dönerladen: Ständig gab es Ärger mit den Gesundheitsamt
       und den Banken, die Chefs zofften sich öffentlich, dann stieg einer aus und
       nahm die Distributionsinfrastruktur mit, während der andere in den Fokus
       der Justiz geriet - nur Döner werden schon lange keine mehr veröffentlicht:
       die letzten Leaks, die Gitmo Files über das US-Gefangenenlager in
       Guantanamo Bay, stammen aus dem Frühjahr.
       
       Dieses Leak-Moratorium hat Wikileaks am Montag auch endlich offiziell
       eingestanden. Vorübergehend werde man kein Material mehr öffentlich machen
       und sich erstmal um die Geldakquise kümmern. Und da ist offenbar einiges
       nötig, die Wikileaks-Startseite listet horrende Kosten auf: Je 300.000
       Dollar für "Kampagnen" und "Sicherheit", 400.000 für Produktion, je 500.000
       für Mitarberkosten, "Infrastruktur" und Recherchen, dazu 1.200.000 Dollar
       für Gerichtskosten.
       
       Man versteht zwar nicht ganz, wie sich diese Posten exakt voneinander
       unterscheiden, aber es ist viel Geld. Sehr viel Geld. Und das, wo seit
       knapp einem Jahr Paypal, Visa und andere Finanzunternehmen die
       Wikileaks-Konten eingefroren haben und der Plattform damit, nach eigenen
       Angaben, Zugang zu 95 Prozent des Spendenaufkommens versaut haben.
       
       Da nun aber selbst kreative Fundraisingversuche wie Assanges
       [1][Selbstversteigerung als Abendessenbegleitung] auf Ebay nur 5.500 Dollar
       einspielten und die erfolgreich verbuchten Spenden in der digitalen Währung
       Bitcoin seit Sommer 90 Prozent ihres Wertes verloren haben, sieht es
       ziemlich finster für Wikileaks aus – vorübergehend jedenfalls.
       
       Bis Ende des Jahres muss Geld her, sagte Assange am Montag. Sonst könnte
       sich das Dönerladen-Schicksal erfüllen – und ab Januar fänden sich auf der
       Wikileaks-Seite nur noch ein animiertes Bauarbeiter-Bildchen und der
       Hinweis "[2][www.wikileaks.org] - diese Domain können Sie kaufen".
       
       25 Oct 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.ebay.co.uk/itm/Lunch-Assange-and-i-ek-benefit-WikiLeaks-5of8-/290576761671?pt=LH_DefaultDomain_3&hash=item43a7b98347
 (DIR) [2] http://www.wikileaks.org/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Brake
       
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