# taz.de -- Debatte Frauenquote: Man bekommt, was man misst
       
       > Wir brauchen Chefinnen – und die fallen nicht einfach vom Himmel. Doch
       > wenn die Wirtschaftsoberen anders ticken, ändert das auch das Denken an
       > der Basis.
       
 (IMG) Bild: 8 Femmes: Diese acht Frauen haben aktuell oder bald Führungs-Posten in Dax-Unternehmen inne.
       
       Claudia Pinl [1][vertrat in der taz die Ansicht], dass die Frauenquote für
       Aufsichtsräte und Vorstände unserem veralteten Gesellschaftsmodell nicht
       aufgepropft werden kann, dass wir zuerst die Gesellschaft verändern müssen.
       
       Also zuerst Kulturwandel, der bei den Geschlechterbildern in unseren Köpfen
       anfängt, aber auch staatliche Maßnahmen wie flächendeckende Kinderbetreuung
       oder die Abschaffung des Ehegattensplittings umfassen soll, dann die Quote
       – "falls man sie dann noch braucht".
       
       Ohne diesen Kulturwandel sei eine Quote mangels weiblichen Potenzials
       schließlich gar nicht umsetzbar und daher auch nicht sinnvoll. Das ist auch
       die Argumentationskette vieler Unternehmenschefs, die keine Lust auf die
       Quote haben. Diese Logik hat Fehler.
       
       Ich wünsche mir auch einen Kulturwandel hin zu einer geschlechtergerechten
       Welt. Aber wo soll der herkommen? Und warum soll er zwar in der
       Gesellschaft, aber nicht in der Wirtschaft als wesentlichem Teil der
       Gesellschaft vor sich gehen? Und geht es nicht auch um Umverteilung von
       Macht und wurde Macht in der Geschichte je freiwillig geteilt?
       
       Liegt es wirklich primär an fehlender Kinderbetreuung, der Feigheit von
       Frauen oder konservativen Steuergesetzen, dass wir zu wenig Frauen an der
       Spitze deutscher Unternehmen finden? Wo sind die vielen kinderlosen Frauen
       mit hervorragenden Abschlüssen und Karriereambitionen? Wo sind die, die
       sich ab einem gewissen Hierarchielevel längst private Kinderbetreuung
       leisten können, oder die, für die das Ehegattensplitting bedeutungslos ist,
       weil sie genauso viel verdienen wie ihr Mann oder gar keinen haben?
       
       Die gläserne Decke hat viele Schichten, und tatsächlich finden sich einige
       davon auch im Steuerrecht oder in der überwiegenden Verantwortung von
       Müttern für die Kinderbetreuung. Aber das Fehlen der davon nicht oder nur
       marginal betroffenen Frauen in den Führungsetagen ist ein Indikator dafür,
       dass die Beseitigung dieser Probleme offenbar auch keine hinreichende
       Lösung ist.
       
       ## Harte Ziele statt weicher Kompromisse
       
       Alle Manager kennen den Grundsatz: You get what you measure – Man bekommt,
       was man misst. Oder mit anderen Worten: Was als klares, messbares Ziel mit
       einer Frist zur Zielerreichung definiert und regelmäßig überprüft wird –
       das wird eher erreicht als eine weiche formulierte Absicht à la "wir wollen
       mehr Frauen in Führungspositionen". Diese Binsenweisheit, die jeder Manager
       bei jeder Produkteinführung, bei jedem Merger, bei jeder Eroberung neuer
       Märkte beherzigt, wird bei diesem unisono formulierten Ziel kaum
       berücksichtigt.
       
       Zehn Jahre lang gab es die freiwillige Vereinbarung zwischen der Wirtschaft
       und der Bundesregierung ohne eine einzige Zielzahl, geschweige denn eine
       Frist, bis wann das hehre Ziel von mehr Frauen in den Führungsetagen
       erreicht sein soll. Sie blieb wirkungslos wie alle anderen Konsenspapiere
       auch, die weder mit klaren Vorgaben noch mit Sanktionen bei Zielverfehlung
       versehen sind.
       
       Vor wenigen Wochen haben sich die DAX-Unternehmen zu eigenen Quoten
       verpflichtet. Diese Quoten vergleichen zwar "Äpfel mit Birnen und
       Mandarinen", so zu Recht Arbeitsministerin von der Leyen, aber sie sind ein
       Anfang und ein Eingeständnis der Wirtschaft, dass es ohne Quoten nicht
       vorangeht.
       
       Die Halbherzigkeit, mit der einige DAX-Unternehmen jedoch ihre Zielvorgaben
       festlegten, und der Umstand, dass auch diese Initiative Vorstände wie
       Aufsichtsräte ausschließt und sich darüber hinaus nur auf DAX-Unternehmen
       bezieht, zeigen, dass Freiwilligkeit auch jetzt noch keine effektive
       Methode ist, einen Abbau von Barrieren für Frauen durchzusetzen.
       
       ## Kulturwandel
       
       Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom – des ersten
       DAX-Unternehmens mit Quote –, wird nicht müde zu betonen, dass die vielen
       vorherigen Maßnahmen unternehmensintern nicht zum Erfolg geführt hatten,
       weil harte Ziele fehlten. Für ihn wie für die anderen Quotenbefürworter ist
       die Quote selbst ein wesentlicher Schlüssel, um den Kulturwandel zu
       erreichen.
       
       Natürlich ist sie kein Allheilmittel, selbstverständlich braucht ein
       Kulturwandel weitere Maßnahmen. Aber ein Problem deshalb nicht anzugehen,
       weil es noch andere Probleme gibt, würde den Wandel nur verzögern.
       
       Die Mär von den für eine nennenswerte Quote zahlenmäßig nicht vorhandenen,
       qualifizierten Frauen haben ihre Gegner auch im Vorbildland Norwegen
       gepredigt. Die Realität – eine fristgemäß problemlos erfüllte Quote – hat
       dieses Argument widerlegt.
       
       Ein ähnliches Schicksal sollte das Argument "Frauen studieren das Falsche"
       erleiden, bei Claudia Pinl taucht es wieder auf: "Metallverarbeitung und
       Mathe gelten als uncool, weil nicht weiblich genug." In Mathe liegt der
       Frauenanteil jedoch bei etwa 50 Prozent, nimmt man Naturwissenschaften
       hinzu, sind es immer noch 40 Prozent.
       
       ## Hartnäckige Netzwerke
       
       Aber offenbar ist das gar nicht die Hürde, denn in den Aufsichtsräten und
       Vorständen finden sich nur wenig Ingenieure. Tatsächlich sind rund 60
       Prozent der Vorstände und Aufsichtsräte in deutschen Großunternehmen
       Juristen oder Wirtschaftswissenschaftler, weniger als ein Drittel kommen
       aus den Bereichen Technik oder Naturwissenschaften, wie eine Studie des
       Juristinnenbundes im letzten Jahr nachwies.
       
       Doch der Mythos hält sich hartnäckig. Zu gut eignet er sich, von dem
       effektiven Selektionsmechanismus in unserer Wirtschaft abzulenken: der
       Beförderung nach Ähnlichkeitsprinzip innerhalb der Old Boy Networks. Diesen
       unökonomischen Selektionsmechanismus gilt es aufzubrechen, und dafür
       braucht es die gesetzliche Quote.
       
       Innovative Unternehmen haben das erkannt, sie geben sich selbst harte
       Quoten, um Kompetenz in weiblichen Köpfen zum Erfolg zu verhelfen,
       wirksame, aber irrationale Barrieren abzubauen und letztlich mit mehr
       sichtbaren weiblichen Vorbildern ein Signal in die eigene Organisation und
       darüber hinaus zu senden. So ein Signal wird von talentierten Frauen mit
       Ambitionen sehr wohl wahrgenommen: Bei der Deutschen Telekom sind
       inzwischen mehr als 50 Prozent der Auszubildenden Frauen – auch in
       technischen Berufen.
       
       31 Oct 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Frauenquote-fuer-Fuehrungspositionen/!80886/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Domscheit-Berg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Autobiografie
       
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