# taz.de -- Frauenquote für Führungspositionen: Ihr vergesst die Basis
       
       > Jetzt Frauen per Gesetz in Vorstände und Aufsichtsräte bringen zu wollen,
       > ist falsch. Die Diskussion lenkt von den eigentlichen Problemen ab.
       
 (IMG) Bild: Unverbindliches Versprechen: Familienministerin Kristina Schröder und die DAX-Konzerne sind gegen eine gesetzliche Quote.
       
       Viele Politikerinnen von rechts bis links sind sich einig - es muss eine
       verbindliche, am besten gesetzliche Quotenregelung für Vorstände und
       Aufsichtsräte der Unternehmen her, weil Frauen anders anscheinend keinen
       Zugang zu diesen Top-Positionen bekommen.
       
       Die Wirtschaftsbosse zeigen sich unwillig. Und vertrösten mit der Aussicht,
       den Frauenanteil in Führungspositionen unterhalb der Vorstandsebene
       anzuheben. Dabei dürfte es sich auch bis zu ihnen herumgesprochen haben,
       dass gemischte Teams erfolgreicher sind und Konzerne mit einem guten Schuss
       weiblicher Führung besser abschneiden.
       
       Dennoch ist die Forderung nach verbindlichen Quoten für deutsche
       Aufsichtsräte und Vorstände zu diesem Zeitpunkt falsch. Dazu sind die
       Modernisierungsrückstände in Sachen Geschlechterverhältnis auf allen
       anderen Ebenen hierzulande einfach zu groß.
       
       Es ist ja nicht nur die "gläserne Decke" und die Männerkumpanei, die es
       Frauen schwer macht, auf die einflussreichen, gut bezahlten Posititionen
       oder gar die Vorstandsebenen vorzudringen. Das ganze gesellschaftliche
       Fundament unterhalb dieser Kommandohöhen der Wirtschaft ist nach wie vor
       traditionell strukturiert, das heißt nach dem "Ernährer-Modell"
       organisiert.
       
       Anders als in anderen Ländern gibt es in Deutschland kein
       Individualsteuersystem, sondern das berüchtigte "Ehegatten-Splitting", das
       einstmals eingeführt wurde, um Frauenerwerbsarbeit unattraktiv zu machen.
       Und diese Funktion erfüllt es heute noch.
       
       Die Bundeskasse kostet diese Subvention der patriarchalen Ehe rund 22
       Milliarden Euro im Jahr. Und alle Erwerbstätigen, Männer wie Frauen,
       Singles wie Verheiratete, zahlen mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen die
       kostenlose Mitversicherung nicht erwerbstätiger Ehefrauen.
       
       ## Wenn das erste Kind da ist, erweisen sich die Strukturen als stärker
       
       Mit Milliardensummen wird also ein überfälliges Familienmodell
       aufrechterhalten, mit Geld, das ein flächendeckendes und qualitativ
       hochwertiges Betreuungssystem für Kleinkinder gut gebrauchen könnte. Das
       aber ist erst in Ansätzen zu sehen. Und auf dieses altfränkische
       Gesellschaftsmodell soll eine verbindliche Frauenquote fürs oberste
       Führungspersonal gepfropft werden? Das kann nicht gut gehen.
       
       Spätestens, wenn das erste Kind da ist, erweisen sich die Strukturen als
       stärker: endlose Wartelisten für die Kita, der Mann und Vater verbal
       aufgeschlossen, aber faktisch unwillig, die Familienarbeit zu teilen; das
       Umfeld verständnislos. Frauen, die den Hürdenlauf auf der Karrierebahn
       trotzdem bestehen, zahlen einen hohen Preis an Zeit, Energie und
       Lebenskraft.
       
       Verständlich, wenn viele, auch gut ausgebildete Frauen sich stattdessen auf
       die Versorgung von Mann und Kind konzentrieren, den Beruf allenfalls als
       Zuverdienstmöglichkeit gelten lassen. Dann aber wird die Personaldecke
       schnell dünn, wenn es gilt, Quotenvorgaben von 30 oder gar 50 Prozent in
       Aufsichtsräten, Vorständen und auf Leitungspositionen im mittleren
       Management zu erfüllen.
       
       ## Die aktuelle Quotendiskussion ist aufgesetzt
       
       Skandinavische Länder oder Frankreich, die bei der Quotierung von
       Aufsichtsräten vorpreschten, taten dies in einer Gesellschaft, in der
       niemand berufstätige Mütter schräg anschaut oder diffamierend von
       "wegorganisieren" spricht, wenn Kleinkinder Kitas besuchen. Es sind
       zugleich Länder, in denen schon länger mehr Frauen in höchsten
       Entscheidungsgremien sitzen und besser verdienen als in Deutschland,
       Länder, in denen es auch für einen Vater nicht ehrenrührig ist, Teilzeit zu
       arbeiten.
       
       Die aktuelle Quotendiskussion ist aufgesetzt. Erfolgreich lenkt sie von der
       Misere ab, der karriereorientierte Frauen in Deutschland ausgesetzt sind.
       Die am besten ausgebildete Generation von Frauen, die es je gab, scheitert
       nicht erst an der Glasdecke vor der obersten Etage. Die Knüppel, die ihnen
       die Politik jahrzehntelang zwischen die Beine geworfen hat, lassen sie
       schon viel früher stolpern. Es ist ja nicht nur das Ehegatten-Splitting aus
       Adenauer-Zeiten.
       
       Die unter der rot-grünen Bundesregierung vorgenommene Ausweitung von
       Beschäftigungsverhältnissen unterhalb der Sozialversicherungspflicht
       erscheint vielen Frauen als Ausweg aus der "Vereinbarkeits"-Falle, auch
       wenn sie sich damit später Altersarmut einhandeln.
       
       Der zaghafte Versuch, mit den "Vätermonaten" beim Elterngeld auch Männer zu
       einer familienfreundlichen work life balance zu verlocken, wird durch die
       aktuelle Aussicht auf eine "Herdprämie" (Geld für die Kleinkinderbetreuung
       zu Hause, das ist der Union sehr wichtig) wieder zunichtegemacht.
       
       ## Das Problem sitzt nicht nur in den Strukturen
       
       Der Druck der Strukturen spiegelt sich in den subjektiven Einstellungen der
       Menschen. Die Publizistin Bascha Mika wirft den Frauen "Feigheit" vor, weil
       sie sich allzu willig in die "Abhängigkeitsfalle" begeben, sich von eigenen
       Lebensentwürfen und Karriereplänen zugunsten von Mann und Kindern
       verabschieden. Polemisch, aber nicht falsch.
       
       Zu viele Frauen verhaspeln sich in der traditionellen Geschlechterrolle,
       angefangen bei der Berufswahl. Metallverarbeitung oder Mathe gelten als
       uncool, weil nicht "weiblich" genug. Und die Abiturientin studiert
       vorzugsweise auf Lehramt, weil man dann so schön "vereinbaren" kann.
       
       Frauen erhalten im Schnitt um 23 Prozent niedrigere Gehälter als Männer,
       ein gesellschaftspolitischer Skandal, den alle bedauern, an dem sich über
       die Jahre aber nichts Wesentliches ändert, allen Gleichbehandlungsvorgaben
       zum Trotz.
       
       Wenn allerdings stimmt, was die NRW-Landesbausparkasse 2009 herausgefunden
       hat, dass bereits Mädchen in ihren Familien im Schnitt 16 Prozent weniger
       Taschengeld als ihre Brüder zugeteilt bekommen, dann stimmt grundsätzlich
       etwas nicht an der Einstellung gegenüber Frauen in dieser Gesellschaft. Und
       das Problem sitzt nicht nur in den Strukturen, sondern auch in unseren
       Köpfen.
       
       Die Geschlechterbilder, die wir, Männer wie Frauen, dort abgespeichert
       haben und nach denen wir immer noch meinen funktionieren zu müssen, gehören
       dringend entsorgt. Anschließend darf die Quote kommen. Aber vielleicht
       brauchen wir sie dann nicht mehr.
       
       31 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudia Pinl
       
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