# taz.de -- Kommentar Krise und Demokratie: Referendum - ja, aber später
       
       > Die Bürger wollen gefragt werden, was sie davon halten, wie ihre
       > Politiker die Krise bekämpfen. Doch Volksabstimmungen würden die Krise
       > vertiefen - zumindest jetzt.
       
       In Deutschland darf das Volk über den Bau von Tierheimen und Bahnhöfen
       abstimmen - aber nicht darüber, ob es für anderer Völker Schulden aufkommen
       will. Je mehr Geld im Spiel ist, desto weniger Demokratie ist hierzulande
       möglich: Dieser Eindruck drängt sich angesichts der frisch eröffneten
       Debatte um Eurorettungs-Plebiszite in der Tat auf.
       
       Nun scheint sich die Frage in Griechenland erledigt zu haben - mit
       Ministerpräsident Georgios Papandreou ist offenbar auch sein
       Referendums-Plan gekippt. Doch wer dafür war, die Griechen über ihre
       Rettung abstimmen zu lassen, müsste trotzdem erklären können, warum
       Deutsche oder Franzosen nicht auch abstimmen sollten. Ist eine Befragung
       der Empfänger stets demokratisch, eine Befragung der Geber aber bloß
       populistisch?
       
       Nun ähnelt die Idee, im fortgeschrittenen Stadium einer Finanzkrise noch
       die Demokratie im ganz großen Stil einzuführen, ein wenig dem Vorschlag,
       jetzt endlich Deiche zu bauen, wenn auf dem Dorfplatz längst nur noch der
       Kirchturm aus dem Wasser ragt.
       
       Immerhin aber verdeutlicht die Forderung nach einem Referendum das
       furchtbare Dilemma, in dem die Euro-Staaten seit Monaten, bald Jahren
       stecken: Die Republik ist langsam, aber die Finanzmärkte verlangen schnelle
       Entscheidungen. Jeder Tag, an dem Parlamente diskutieren wollen, treibt den
       Preis der Euro-Rettung und damit den Diskussionsbedarf in die Höhe.
       
       Sollten nun auch noch Volksabstimmungen organisiert werden, wird es den
       Spielern an den Kapitalmärkten größtes Vergnügen bereiten, auf die
       Ergebnisse zu wetten - selbstverständlich zu Lasten der abstimmenden
       Völker. Die Bürger Griechenlands wie Deutschlands wollen zu recht gefragt
       werden, was sie davon halten, wie ihre Politiker die Krise bekämpfen, doch
       würde eine Befragung die Krise vertiefen - jetzt.
       
       Was nicht gegen eine Befragung spricht - später. Vielleicht stimmt es, dass
       das Ergebnis der Euro-Rettung am Ende nur eine gemeinsame Wirtschaftszone
       sein kann. Ganz unabhängig davon, welcher Grundgesetzartikel dann zur
       Disposition stünde - diesen Schritt in eine neue Umverteilungsgemeinschaft
       müssten die Euro-Unterhändler ihren Bürgern zur Abstimmung vorlegen. Das
       wären sie ihnen für die aktuelle demokratische Durststrecke einfach
       schuldig.
       
       3 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Winkelmann
       
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