# taz.de -- Kommentar Urheberrecht: Fortschritt ins dunkle Mittelalter
       
       > Je länger das Thema Urheberrecht nicht diskutiert wird, desto
       > wahrscheinlicher setzt sich eine andere Fraktion durch: jene, die glaubt,
       > der Markt reguliere sich selbst.
       
       Neulich in Weimar: Es läuft eine CC-Musikveranstaltung. Connected by
       Netaudio, gespielt werden nur gemeinfreie Tracks. Die Veranstaltung ist bei
       der Gema angemeldet, da fordert die Gema eine Liste der Urheber statt der
       gelieferten Interpretenaufzählung. Also vermutete die Gema Lizenzgebühren
       und forderte pro forma 200 Euro. Zur nachvollziehbaren Empörung des DJs.
       
       Mindestens wöchentlich treibt die Netzproduzenten ein neuer – kleinerer
       oder größerer – Urheberrechtsskandal um: seien es abgemahnte Erhard- oder
       Karl Valentin-Zitate, seien es Politiker, die einerseits für eine
       verschärfte Urheberrechtskontrolle plädieren, aber ihre Seiten mit Bildern
       fremder Urheber zukleistern, nach dem Motto: mein Auge sei meine Kamera,
       und alles, was ich je gesehen habe, habe ich selbst erschaffen.
       
       Urheberrechtsverletzungen. Das alte Thema, für das es keine Lösung gibt,
       noch nicht. Jetzt hat [1][Dirk von Gehlen die Piraten aufgefordert], sich
       rückzubesinnen auf ihre Wurzeln, und wieder daran zu arbeiten, woher sie
       eigentlich stammen: aus der Filesharing-Bewegung nämlich, die sich selbst
       entkriminalisieren wollte, ein neues Bewusstsein für Kultur und auch eine
       neue Wertschätzung für den Konsumenten schaffen wollte.
       
       Positioniert euch, rief er den Piraten zu, arbeitet an eurem
       Gründungsauftrag, entwickelt Konzepte. Jetzt seid ihr gewählt, und eure
       Rede sei: Ja, ja – nein, nein.
       
       Die Antwort kam so prompt wie eindeutig. Deswegen sind wir nicht gewählt
       worden, ließ Christopher Lauer wissen, Mitglied des Abgeordnetenhauses,
       jedenfalls nicht in Berlin. Das mag sein, ist aber keine Antwort, denn
       warum die Piraten tatsächlich gewählt wurden, dafür gibt es keine
       umfassende Erklärung.
       
       Sie sind, wie jede neue Bewegung, die sich nach und nach
       institutionalisiert, ein Spiegelbild vieler Wünsche und Hoffnungen – unter
       anderem, dass sie ein Laboratorium für neue Wege in Sachen Urheberrecht
       sein mögen.
       
       ## Entkriminalisierung der Konsumenten, Entrechtung der Produzenten?
       
       Diese neuen Wege, davon ist nicht viel zu sehen. Seit das Dilemma auftrat,
       dass eine Entkriminalisierung der Konsumenten auch eine Entrechtung der
       Produzenten bedeuten kann, hat sich nicht viel bewegt. Einige fordern die
       Kulturflatrate, also eine feste Pauschalabgabe, die dann weiterverteilt
       werden soll – allerdings ist das Konzept schwer zu vermitteln in einer
       Zeit, in der Gema und GEZ in der Unbeliebtheitsskala nur sehr knapp hinter
       Bankern und Hitler rangieren.
       
       Für die Piraten hat sich 2009 [2][Jens Seipenbusch vehement gegen eine
       Kulturflatrate gestellt]. An der Basis ist dieses Interview damals
       kontrovers diskutiert worden, was jetzt auch nicht viel heißen will, in der
       Piratenpartei wird ziemlich alles öffentlich kontrovers diskutiert. Seither
       wartet man auf ein Ergebnis, und zwar mit angebrachter Ungeduld.
       
       Denn dass eine andere Partei das Problem Urheberrecht zu lösen im Stande
       ist, ist unwahrscheinlich. Es ist schlicht zu komplex um es mit
       Parteigenossen zu diskutieren, denen man erklären muss was ein Screenshot
       ist und die Creative Commons für eine Superheldenfigur aus dem
       Marvel-Universum halten.
       
       Je länger das Thema nicht diskutiert wird, desto wahrscheinlicher setzt
       sich jene Fraktion durch, die glaubt, das würde der Markt dann schon
       irgendwie regulieren, wenn man ihm freie Fahrt gewähren würde – als Urheber
       von seinen Werken zu leben sei ja nun auch [3][kein Menschenrecht]. Auf
       einer Berliner Wahlveranstaltung sagte ein Kandidat im Stillen, das sei
       nicht das ganz große Thema, als Kulturschaffender müsse man sich dann halt
       wieder Mäzene suchen. Da ist er, der Fortschritt ins dunkle Mittelalter.
       
       Immerhin, für streitbare Thesen ist gesorgt. Fehlt nur noch die Debatte,
       und wenn's geht: bitte möglichst laut. Frank Schirrmacher hat sicher schon
       seine Bleistifte gespitzt.
       
       9 Nov 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.sueddeutsche.de/digital/piratenpartei-vergisst-ihr-gruendungsprinzipien-raubkopierer-in-die-parlamente-1.1183236-2
 (DIR) [2] http://netzpolitik.org/2009/piratenpartei-zur-kulturflatrate/
 (DIR) [3] http://blog.koehntopp.de/archives/3154-Nicht-Urheberrecht-ist-das-Kernthema.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frédéric Valin
       
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