# taz.de -- Individuelle Freiheit mit „Commons“: „Die Allmende ist nicht kostenlos“
       
       > Warum es irrational ist, 540 Seiten auszudrucken und in der U-Bahn zu
       > lesen, erklärt die Autorin und Commons-Aktivistin Silke Helfrich.
       
 (IMG) Bild: Kommunismus wird heute Allmende genannt. Und funktioniert ein bisschen anders.
       
       taz: Frau Helfrich, Ihr Buch zu Commons erscheint nicht nur gedruckt,
       sondern auch im Internet. Warum soll ich es für 24,80 Euro kaufen, wenn ich
       es umsonst runterladen kann? 
       
       Silke Helfrich: Weil es irrational ist, 540 Seiten ausdrucken und als
       Loseblattsammlung in der U-Bahn zu lesen. Wir wollen Menschen nicht zum
       Kauf nötigen. Es gibt viele gute Gründe, ein Buch zu kaufen, auch wenn es
       im Netz steht. Viele werden das mit öffentlichen und privaten Mitteln
       entstandene Werk refinanzieren. Unseren Autoren war es wichtig, dass wir
       die Gedanken, die sie uns geschenkt haben, auch weiterverschenken.
       
       Gerade im Bereich Wissenschaft und Kunst ist die Allmende-Idee umstritten.
       Untergräbt sie die Existenz von Urhebern? 
       
       Nein! Wir nutzen auch das Urheberrecht, nur anders. In dieser Debatte
       geraten die einfachsten Kategorien durcheinander. Rechteverwerter und
       Politiker beschwören das Ende der Menschenrechte herauf – doch bei der
       Wissensallmende oder open source geht es gar nicht darum, dass alles
       kostenlos ist. Es geht darum, dass wir vielfältige Formen der kulturellen
       Produktion brauchen. Nicht nur eine, die über den Markt organisiert ist und
       sich am bisherigen Urheberrecht festkrallt.
       
       Wovon wollen Ihre Autoren leben? 
       
       Unsere Autoren wollen, dass ihre Texte frei lizenziert werden. Mit Copyleft
       statt mit Copyright. Warum sollten sie das nicht tun dürfen? Sie verdienen
       an dem Buch ohnehin kein Geld, sondern Reputation bei Lesern. Sollen sie!,
       fand auch unser Verlag und der muss am Markt bestehen. Es geht darum, dass,
       was aus der Allmende geschöpft wurde, auch an die Allmende zurückzugeben
       ist. Commons sind kein Bereich für Freibeuter, sondern ein geschützter
       Bereich, der nach bestimmten Regeln funktioniert.
       
       Und zwar welchen? 
       
       There is no commons without commoning, sagt der Historiker Peter Linebaugh,
       einer unserer Autoren. Das Verb commoning besagt, es kommt darauf an, dass
       wir etwas tun. Lokale Ressourcen – wie Wasser, Land, Fischbestände, Geld,
       Wohnraum – müssen von den Nutzern selbst verwaltet werden. Sie brauchen
       Freiräume, müssen an Problemlösungen beteiligt sein. Erst das führt zu
       einer hohen Akzeptanz von Regeln und Normen. Sie beruht auf Prinzipien wie
       Selbstorganisation, Transparenz oder Fehlerfreundlichkeit. Das wichtigste
       Prinzip aller Allmenden ist: Es gibt keine einzige, außenstehende
       Ordnungsinstanz, wie etwa „den Staat“.
       
       Im Buch beschreiben Sie ein Projekt aus Costa Rica, das Bauern und freie
       Software-Entwickler zusammenbringt. Es werden Initiativen vorgestellt, die
       ins Abseits getriebene Berggemeinden in Japan revitalisieren, und es geht
       darum, die Commons-Idee ins europäische Wettbewerbsrecht einzubringen.
       Lässt sich das alles sinnvoll unter den Begriff des „Commoning“ bringen? 
       
       Die Initiativen und Bewegungen weltweit, die der Idee individueller
       Freiheit in Gemeinschaft verpflichtet sind, lassen sich über den Begriff
       der Commons fassen. So wie sich in den 60er und 70er Jahren die
       Umweltkämpfe über den Begriff der Nachhaltigkeit bündeln ließen. Diese
       Bündelung ist wichtig, denn wir können nur tun, was wir denken können und
       wofür wir Begriffe haben. Unsere Begriffe werden unsere Wirklichkeit
       prägen.
       
       Ist die Allmende-Idee in einem Industriestaat wie Deutschland
       anschlussfähig? 
       
       Natürlich! Die Allmende des 21. Jahrhunderts ist ja nicht die des 16.
       Jahrhunderts. Wir erleben gerade eine technologische Entwicklung, die es
       möglich macht, die Techniken der Moderne als Allmende zu organisieren. Zum
       Beispiel können wir unseren Strom selber produzieren.
       
       Welche Rolle spielt der Staat? 
       
       Da gibt es zwei Linien im Buch: Die einen interpretieren den von Elenor
       Ostrom geprägten Slogan „Commons jenseits von Markt und Staat“; die anderen
       meinen, dass der Staat in einer Commons-basierten Gesellschaft eine andere
       Rolle haben muss. Zum Beispiel überlappen sich Ressourcensysteme, es wird
       immer Konflikte zwischen verschiedenen Allmenden geben. Darum braucht es
       einen neutralen Konfliktlöser. Außerdem brauchen wir Institutionen, die uns
       Freiräume sichern, um die Commons ausprobieren zu dürfen. Hier hat der
       Staat eine wichtige Funktion. Zumindest könnte er sie haben.
       
       22 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Holdinghausen
       
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