# taz.de -- Ägypten vor der Wahl: 50 Stunden Straßenschlacht
       
       > Die Auseinandersetzungen rund um den Tahrirplatz nehmen kein Ende. Einige
       > Kandidaten haben ihren Wahlkampf vorläufig eingestellt. Wie es
       > weitergeht, ist offen.
       
 (IMG) Bild: Demonstranten tragen einen Verwundeten weg.
       
       KAIRO taz | "Es ist besser, mit erhobenen Kopf blind zu sein, als sehen zu
       können und immer auf den Boden zu schauen." Mit diesen Worten wird auf den
       ägyptischen Internetforen, auf Facebook und Twitter der neue Held der
       Proteste gegen die Militärführung, der junge Zahnarzt Ahmad Harara,
       zitiert.
       
       Im Januar hatte er durch Gummigeschosse der Polizei Mubaraks sein erstes
       Auge verloren, nun wurde sein zweites verletzt. Seit Montagmittag ist
       bestätigt, dass Harara nie wieder sehen wird. Für die jungen Leute ist er
       ein Symbol dafür, wie wenig sich die Zeiten auf Seiten des Staates geändert
       haben.
       
       Es sind die Beamten des Kairoer Leichenhauses, die die Lage um den
       Tahrirplatz in Zahlen fassen. Bis Montagmittag haben sie 35 Tote gezählt.
       Doch auch wenn sich die neuesten Zahlen wie ein Lauffeuer auf dem Tahrir
       verbreiten, strömen dort immer mehr Menschen zusammen. In der Seitenstraße
       in Richtung Innenministerium tobt eine seit fast 50 Stunden andauernde
       Straßenschlacht.
       
       Ein junger Mann hat sich die Telefonnummer seiner Mutter auf den Arm
       geschrieben, damit sie angerufen wird, falls er umkommt. In einer anderen
       auf Facebook und Twitter verbreiteten Szene zieht ein junger Mann eine Frau
       aus der vordersten Linie mit den Worten: "Du siehst aus, als seist du
       gebildet. Lass uns Arme das hier erledigen und unser Leben riskieren, damit
       später Leute wie du das Land aufbauen können".
       
       Völlig unklar ist, was mit den für den 28. November angesetzten
       Parlamentswahlen geschieht. Eine für Montag angesetzte Pressekonferenz, in
       der der Wahlprozess der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte, wurde auf
       unbestimmte Zeit vertagt. Einige individuelle Kandidaten und Parteien haben
       ihren Wahlkampf vorläufig eingestellt.
       
       ## "Wahlen sind ein Risiko"
       
       Ziad Musa vom Al-Ahram-Zentrum für Strategische Studien, der selbst für die
       neue Sozialdemokratische Partei Ägyptens kandidiert, glaubt, dass der
       Militärrat die Parlamentswahlen unter allen Umständen durchführen wird,
       weil er zeigen möchte, dass er Herr der Lage ist. "In Wirklichkeit sind
       Wahlen unter diesen Umständen aber ein hohes politisches Risiko", sagt er
       im Gespräch.
       
       Politische Gruppierungen von Mohammed al-Baradei bis zu dem
       Präsidentschaftskandidat der Muslimbruderschaft, Abdel Moneim Aboul
       Foutouh, verurteilen das Vorgehen der Armee und fordern, dass die Militärs
       ihre Macht abgeben. Ibrahim Eissa, einer der bekanntesten
       Dissidentenjournalisten zu Zeiten Mubaraks, wirft dem Chef des
       Militärrates, Mohammed Tantawi, vor, auf den Spuren des Expräsidenten zu
       wandeln. Er fordert, wie viele oppositionelle Journalisten, dass eine
       "Regierung der Nationalen Rettung" geschaffen wird, unabhängig vom
       Militärrat.
       
       Unterdessen wartet alles auf Zugeständnisse der Armee, um aus der
       politischen Sackgasse herauszukommen. Bisher hat der Militärrat aber nur
       erklärt, dass der Fahrplan für die Übergangsperiode weiter eingehalten
       wird.
       
       Es ist genau dieser Fahrplan für die Übergangszeit, den die Demonstranten
       auf dem Tahrir verändern wollen. Denn geht es nach dem Militär, dann sollte
       frühestens Ende 2012, aber wahrscheinlicher erst Anfang 2013 ein Präsident
       gewählt werden. Bis dahin würde der Militärrat die exekutive Macht in den
       Händen halten, selbst wenn die Ägypter wie geplant kommenden Montag
       beginnen, ein Parlament zu wählen.
       
       "Der Militärrat ist wie eine Aufziehpuppe, die auf Druck reagiert", glaubt
       Ziad Musa. "Der einzige Ausweg ist, dass er Forderungen der Straße nachgibt
       und einen Termin für Präsidentschaftswahlen festlegt", sagt er.
       
       21 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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