# taz.de -- Libyscher Visionär auf Klimakonferenz: Der Kampf geht weiter
       
       > Muftah Elarbash plant die nächste libysche Revolution. Sein Plan zur
       > Rettung der Welt: Solarstrom aus Aufwindkraftwerken in der Sahara. Aber
       > erst, wenn das Öl alle ist.
       
 (IMG) Bild: Noch Kamelheimat, bald schon das Powerhouse der Erde? Die libysche Wüste.
       
       DURBAN taz | Mit unmöglichen Missionen kennt Muftah Elarbash sich aus. "Wir
       haben acht Monate gegen den Tyrannen gekämpft und gewonnen", sagt er.
       Verglichen mit Muammar al-Gaddafi ist der Klimawandel ein einfacher Gegner.
       Er schießt mit Sonnenlicht und nicht mit 34-mm-Flugabwehrgeschützen auf
       Demonstranten mit nacktem Oberkörper.
       
       Elarbash sitzt im Garten des Kongresszentrums von Durban und wirbt für die
       nächste libysche Revolution. Er leitet die Delegation seines Landes bei der
       Klimakonferenz, "das erste Mal, dass das freie Libyen dabei ist". Unter
       Gaddhafi schwamm die Delegation des Öllandes mit dem Strom. Das ist jetzt
       vorbei, sagt Elarbash. Jetzt wird Revolution gemacht.
       
       Es geht auch wieder um Freiheit, diesmal von Öl, Kohle und Gas. "Diese
       Konferenz ist ein Sauhaufen", sagt der 60-jährige. Hier werde nichts
       Entscheidendes entschieden. "Wie auch? Es gibt ja keine Alternative zu den
       fossilen Energien." Erneuerbare vielleicht? "Das funktioniert nur, wenn die
       Sonne scheint."
       
       Elarbash sagt, er habe eine bessere Idee: Aufwindkraftwerke in der Sahara,
       die durch einen Kamin die heiße Wüstenluft nach oben leiten und eine
       Turbine treiben. Eine deutsche Idee, erklärt der 60-jährige Umweltingenieur
       aus Tripolis, entwickelt von Professor Jörg Schleich und erprobt unter
       anderem in Spanien. Sieben Kilometer Durchmesser hätte ein Kraftwerk, das
       300 Gigawatt erzeugen soll. Das wäre eine kleine Stadt, die fast dreimal
       soviel Strom erzeugt wie ganz Deutschland.
       
       ## Strom für halb Nordafrika
       
       71 von diesen Energiezentren will Elarbash in die Wüste stellen und damit
       halb Nordafrika mit billigem Strom bedienen – und nicht nur das: Mit Kabeln
       will er die ganze Welt anschließen, bis nach Japan wären das nur 30 Prozent
       Leitungsverluste, aber der Strom sei so billig, dass das nichts ausmacht,
       schwärmt der Ingenieur. Die deutsche Initiative "Desertec" hat bisher um
       Libyen einen Bogen gemacht. Jetzt machen es die Libyer allein. Als sie
       Gaddhafi mit ein paar Kalashnikows angriffen, hat ihnen auch keiner
       geholfen, sagt Elarbash, "außer der Luftunterstützung, das war wertvoll."
       
       Auch in Durban gibt es Rückendeckung für den Revolutionär. „Libyen? Gut
       gemacht, Mann!“ ruft ihm ein Delegierter aus Südafrika zu. Elarbashs
       Energiepläne sind schwerer zu verkaufen. 15.000 Leute, die sich seit
       Jahrzehnten mit MRV, REDDplus, CDM, NAMAs oder QELROS beschäftigen, haben
       nicht auf einen gewartet, der alles ganz neu aufziehen will.
       
       Elarbash brauche 21 Billionen Dollar Investitionen, dann könne das
       Klimaproblem bis 2021 gelöst sein. Viel Geld, aber nur halb so viel wie die
       Welt derzeit für Energie ausgebe. Und ab 2020 gäbe es weltweit Strom ohne
       Treibhausgase. Das klingt gut. Vor allem, wenn man bedenkt, dass nach den
       Plänen der Klimadiplomaten um diese Zeit der echte Klimaschutz erst
       anfangen soll.
       
       Das aber geht schief, sagt der Libyer. Auf dem Zettel, den er überall
       verteilt, steht die Welt im Jahr 2062 in Flammen. "Naja, das ist ein
       bisschen drastisch", sagt er zu dem Bild. Aber er habe eben die
       Temperaturkurven hochgerechnet. Und zwar richtig hoch: Bis zu neun Grad zum
       Ende des Jahrhunderts, auch wenn die Klimawissenschaftler bloß auf knapp
       vier Grad kommen.
       
       ## Der "Ausnahmezustand"
       
       Auf jeden Fall ist das der "Ausnahmezustand", sagt Elarbash. Und damit
       kennt er sich aus. Monatelang hat er sein großes Haus in Tajura, einem
       Vorort von Tripolis, nicht verlassen, 300 Meter die Straße runter schlugen
       die ersten Tomahawk-Marschflugkörper der US-Streitkräfte ein und ließen
       alle Scheiben platzen.
       
       Die Familie habe er nach Tunesien in Sicherheit gebracht, den Sohn mit
       einer Verletzung dort behandeln lassen, ehe er aus den Bergen mit den
       siegreichen Rebellentruppen nach Tripolis zurückkam. Er saß zu Hause und
       schimpfte auf die Regierung, die das Internet abgeklemmt hatte, wo er doch
       per Internet seine patentierten Geräte für die Ansaugstutzen von Wasser in
       Kraftwerken vertrieb.
       
       Elarbash ist viel unterwegs auf der Konferenz. Bisher hat er noch niemanden
       gefunden, der ihm Gehör und Geld schenkt. Der Premierminister persönlich
       habe ihn an die Spitze der sechsköpfigen Delegation berufen, sagt er. Alle
       wissen, dass das libysche Öl irgendwann zuende sein wird – spätestens 2039,
       "da ist mein Enkel 30 Jahre alt", sagt der Visionär.
       
       Bis dahin muss eine neue Einnahmequelle her. Erst einmal braucht der neue
       Staat allerdings das Geld aus den Ölquellen: "95 Prozent unserer
       Staatseinnahmen kommen aus dem Ölgeschäft", gibt der Visionär gern zu. Erst
       wenn dieses Öl in Treibhausgase verwandelt worden ist, kann er mit seinem
       Traum anfangen: Das Klima von 1750 wiederherstellen, der Zeit vor der
       industriellen Revolution.
       
       9 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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 (DIR) Schwerpunkt Klimawandel
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