# taz.de -- Einigung bei Klimagipfel in Durban: UNO rettet ihre Klimapolitik
       
       > Die Klimakonferenz findet am Ende doch einen Kompromiss: ein zweites
       > Leben für das Kioto-Protokoll gegen die Aussicht, ab 2020 alle Staaten
       > zum Klimaschutz zu verpflichten.
       
 (IMG) Bild: Während die Delegierten weiter um einen Klima-Kompromiss rangen, mussten sich einige von ihnen vor Müdigkeit in die Horizontale begeben.
       
       DURBAN taz | Samstag früh, kurz nach acht Uhr. Die Klimakonferenz von
       Durban ist offiziell seit Mitternacht vorüber. Einen abschließenden Text
       gibt es noch nicht. "Die Zeit wird knapp", sagt ein Mitarbeiter der
       EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard.
       
       Die längste Klimakonferenz, die es je gab, endet schließlich am frühen
       Sonntagmorgen nach 15 Tagen und sechs Stunden mit der "Durban Plattform",
       einem Kompromiss, den die Verhandler "historisch" und die Umweltgruppen
       "schwach" nennen: ein zweites Leben für Kioto, den grünen Klimafonds und
       die Zusicherung, dass alle Staaten ab 2015 über ein neues Klimaabkommen
       reden werden. In Kraft treten soll dieses Abkommen frühestens im Jahr 2020.
       Bis dahin aber wird nicht viel passieren.
       
       Zwar mahnt erste Satz des Beschlusses ausdrücklich, dass "der Klimawandel
       eine dringende und möglicherweise unumkehrbare Bedrohung für die
       menschlichen Gemeinschaften darstellt, die dringend bekämpft werden muss".
       Doch im restlichen Dokument findet sich kaum etwas von dieser Einsicht.
       Auch Durban ist eine Zeitvernichtungsmaschine.
       
       Das liegt nicht zuletzt an den Großmeistern des Verschleppens und
       Verzögerns: dem saudischen Verhandler, der im Plenum immer wieder mit
       Verfahrensfragen auftritt; dem US-Gesandten Todd Stern, der vor 2020 gar
       nicht über zusätzlichen Maßnahmen reden will; den Vertretern der
       BASIC-Gruppe (Brasilien, Südafrika, Indien, China), die keinen Beitrag zu
       einer wirksamen Klimapolitik leisten wollen.
       
       ## "Die Zeit wird knapp"
       
       Ihnen gegenüber stehen die Europäer, aber zum ersten Mal auch deutlich die
       armen und verwundbaren Staaten, die keine Zeit zu verlieren haben: die
       Inselstaaten (AOSIS), die ärmsten Länder (LDC) und die afrikanische Gruppe,
       die zwar offiziell zur Gruppe der "G77 und China" gehören, sich aber nicht
       länger als Geiseln der Großen nehmen lassen wollen.
       
       Diplomatisch drückt sich das in der gemeinsamen Erklärung von LDC, AOSIS
       und EU aus, schneller voranzugehen. Weniger diplomatisch sagt es Monica
       Araya von der Delegation aus Costa Rica: "Die schweigende Mehrheit der
       G77-Länder hat dieses System satt."
       
       "Die Zeit wird knapp", sagen auch viele auf der Konferenz, die mit den
       Verhandlungen nur indirekt zu tun haben. Selbst wenn alle bisherigen
       Versprechen eingehalten werden, wird die globale Temperatur aktuellen
       Studien zufolge bis zum Jahr 2100 um 3,5 Grad Celsius steigen. Schon in
       vier Jahren müssten die Emissionen, die derzeit so schnell steigen wie nie,
       den Höhepunkt erreichen und dann stark sinken, zeigt das Institut "Climate
       Analytics". Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt, dass schon ab
       2017 nur noch Null-Emissions-Kraftwerke ans Netz gehen dürften, wenn der
       Klimawandel bei zwei Grad Celsius begrenzt werden soll. Und der UN-Klimarat
       IPCC hat kurz vor der Konferenz mahnt, dass Dürren und Starkregen bereits
       in einigen Gegenden zunehmen.
       
       Gar nicht mehr warten wollen die radikalen Umweltschützer des "Climate
       Justice Network". Noch am Freitag blockieren sie die Korridore und fordern
       eine antikapitalistische Klimapolitik, die etwa den Regenwaldschutz nicht
       über den Emissionshandel finanziert. "Das Kioto-Protokoll ist ein Zombie,
       das nur am Leben erhalten wird, um die Kohlenstoffmärkte weiter zu
       bedienen", ruft Pablo Solon. Voriges Jahr in Cancún war er der Botschafter
       Boliviens, der bis zum Schluss seine Zustimmung verweigerte und die
       Konferenz fast scheitern ließ. Heute rechnet er vor, dass die armen Staaten
       mehr an Emissionen reduzieren als die reichen Industrieländer.
       
       ## "Das Klima wird nicht hier gerettet"
       
       Auch Madeleen Helmer rennt die Zeit davon. Sie koordiniert für das
       Internationale Rote Kreuz die Klimapolitik. "Normalerweise mischen wir uns
       nicht in die Politik, aber das Klimaproblem ist so dringend, dass wir das
       geändert haben", sagt sie. Die Resultate sind freilich bescheiden: "Unser
       größter Erfolg in diesem Prozess war es, zwei Kommata zu verändern. Das
       Klima wird nicht hier gerettet", sagt Helmer. "Dafür muss jeder selbst die
       Ärmel hochkrempeln." Ähnliche Aussagen hört man von vielen altgedienten
       Experten, die angesichts der Dringlichkeit da draußen und der Zögerlichkeit
       hier drinnen nach schnelleren Wegen zum Klimaschutz suchen als über
       erzwungene Kompromisse unter 193 Staaten.
       
       Saleemul Huq vom Londoner Forschungsinstitut iied, das eine Gruppe
       besonders verwundbarer Staaten wie Bangladesh berät. sieht einen solchen
       Weg. "China wird sich bewegen, weil es die ökonomische Supermacht des neuen
       Jahrhunderts werden will." Die Chinesen rüsteten mit erneuerbaren Energien
       auf, sie hätten die Finanzkraft und die Planungskapazität, um den
       Zukunftsmarkt der sauberen Energien weltweit zu dominieren. "Für die USA
       wird das wie der Sputnik-Schock, wenn sie bemerken, dass sie zurückhängen."
       Und dann könne der technologische Wettlauf um die grüne Zukunft beginnen.
       
       Aber ob es schnell genug geht, um Bangladesh vor dem Untergang zu bewahren?
       Huq zweifelt daran. Er sieht eher, dass seine 30 armen Staaten, "aus diesem
       Klima-Picknick auswandern und nicht mehr wiederkommen". Denn die Zeit ist
       knapp, sagt auch Huq. "Bisher sind wir weltweit das Problem nicht
       angegangen", sagt er. Bis 2020 sind es ab Sonntag noch 2.939 Tage, die man
       nutzen könne. Oder auch nicht.
       
       ***
       
       Beschlüsse: 
       
       Neuer Klimavertrag: Bis 2015 soll ein neuer Vertrag ausgehandelt werden,
       der Klimaschutzziele für alle Länder mit hohem Treibhausgasausstoß
       enthalten soll. Damit wären auch die USA und Schwellenländer wie China in
       der Pflicht. Spätestens 2020 soll das Abkommen verwirklicht werden. Die
       Rechtsform - einer der Hauptstreitpunkte der Konferenz - ist noch offen. Im
       Schlussdokument sind nun drei Vorschläge dazu enthalten. Sie stehen für
       unterschiedliche Grade der Rechtsverbindlichkeit.
       
       Aktionsprogramm: Bis zum Inkrafttreten des neuen Vertrages sollen die
       Klimaschutzmaßnahmen verschärft werden. Dabei sollen auch die Empfehlungen
       des fünften Sachstandsberichts des Weltklimarats berücksichtigt werden, der
       für 2014 erwartet wird.
       
       Kioto-Protokoll: Beschlossen ist eine zweite Verpflichtungsperiode des
       Vertrags. Sie soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten und die Zeit
       überbrücken, bis das neue Abkommen wirksam wird. Ob sie bis 2017 oder 2020
       dauern soll, ist noch offen. Konkrete Ziele zur Reduzierung der
       Treibhausgasemissionen sind noch nicht festgelegt. Die Staaten sollen
       Angaben über Ziele bis zum 1. Mai 2012 einreichen. Darüber wird dann von
       einer Arbeitsgruppe beraten. Russland, Japan und Kanada haben angekündigt,
       dass sie sich nicht an der Verpflichtungsperiode beteiligen. Die USA haben
       das 1997 verabschiedete Protokoll nicht ratifiziert, für Schwellenländer
       wie China und Indien wurden damals keine Klimaschutzziele festgelegt. Die
       Staaten, die an einer zweiten Verpflichtungsperiode teilnehmen wollen, sind
       für rund 15 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich.
       
       Finanzen: Der Aufbau des globalen Klimafonds wird vorangetrieben. Er soll
       langfristig Mittel für den Klimaschutz und die Anpassung an die
       Erderwärmung in armen Staaten bereitstellen. Das Geld soll sowohl aus den
       Haushalten der reichen Länder als auch aus privaten Quellen kommen, die
       allerdings noch nicht präzisiert wurden. Um den Sitz des Fonds hat sich
       unter anderen Deutschland beworben. (epd, taz)
       
       11 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernhard Pötter
       
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