# taz.de -- Stefan Rahmstorf über Durban: "Am deutschen Modell hängt sehr viel"
       
       > Die Beschlüsse der Klimakonferenz taugen nicht, um die Erderwärmung
       > einzudämmen, sagt der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf. Er hofft
       > auf Strafzölle.
       
 (IMG) Bild: Bei den grünen Technologien geht es nicht nur ums Geldverdienen.
       
       taz: Herr Rahmstorf, Sie beraten die Bundesregierung in Fragen des
       Klimawandels. Was sagen Sie Frau Merkel jetzt? Ist der Kampf gegen den
       Klimawandel verloren? 
       
       Stefan Rahmstorf: Nein, sicher nicht. Die Verhandlungen im Rahmen der UN
       sind ja nur eine Ebene der Bemühungen um den Klimaschutz. Wir haben ein
       ganzes Bündel an Maßnahmen vorgeschlagen.
       
       Ist denn der Klimaschutz im Rahmen der UN gescheitert? 
       
       Mit dem jetzt vereinbarten Zeitplan kann man die Klimaerwärmung nicht auf 2
       Grad begrenzen. Es gibt eine riesige Lücke zwischen Anspruch und Realität.
       Das sieht man daran, dass schon im ersten Satz der Vereinbarung davon die
       Rede ist, dass Klimawandel eine "akute Bedrohung" sei. Und was verabredet
       man? Einen Vertrag, der in zehn Jahren in Kraft tritt. Trotzdem sind einige
       wichtige Dinge beschlossen worden.
       
       Das klingt sehr diplomatisch. Was sagt denn der Wissenschaftler in Ihnen? 
       
       Die Wissenschaft hat detailliert vorgerechnet, wie viel wir weltweit noch
       emittieren können: Wenn wir mit einer Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln
       unter einer globalen Erwärmung von 2 Grad bleiben wollen, können wir bis
       2050 noch 750 Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen. Das würden wir mit den
       jetzigen Emissionen in zwanzig Jahren erreichen. Daraus ergibt sich
       zwingend, das wir nicht auf dieses Abkommen warten können. Die Zeit läuft
       uns davon. Die globalen Emissionen müssen spätestens ab 2020 sinken, das
       müssen wir schaffen.
       
       Wie soll das gehen, wenn Klimaschutz freiwillig ist? 
       
       Durch neue Bündnisse. Die Mehrheit der Staaten hat den Willen zum
       Klimaschutz. Denn sie wissen, dass es später teurer wird, wenn man nicht
       sofort mit dem Umbau der Energieinfrastruktur beginnt. Da kann die EU
       Partnerschaften mit Entwicklungs- und Schwellenländern eingehen. Die bauen
       jetzt Energieinfrastruktur auf, und wir können helfen, das gleich
       zukunftsfähig zu gestalten.
       
       Was kann das bringen, wenn Länder wie Indien, China und die USA nicht
       mitmachen? 
       
       Gerade mit China sollten wir eine noch stärkere Zusammenarbeit suchen. Das
       kann funktionieren. Die Chinesen sind führende Produzenten von Wind- und
       Solaranlagen. Die afrikanischen Staaten verbünden sich bereits mit der EU,
       woraus eine gemeinsame Strategie entstehen kann.
       
       Und die USA? 
       
       Ich sehe nicht, dass die USA in absehbarer Zeit bei einem ambitionierten
       Klimaschutz mitmachen werden.
       
       Das Problem ist doch: Wer nicht mitmacht, der hat keine unmittelbaren
       Nachteile. 
       
       Die USA drohen abgehängt zu werden, wenn China und Europa auf effiziente
       grüne Technologien setzen. Die USA haben nur vordergründig den Vorteil,
       dass sie weniger investieren müssen. Sie haben keine Strategie für einen
       modernen Wohlstand.
       
       Ihre Hoffnung ist also eine ökonomische: Der Markt belohnt grüne Technik? 
       
       Meine Hoffnung ist, dass eine Gruppe von Pionierländern entschlossen
       vorangeht und zeigt, dass Klimaschutz wirtschaftlich erfolgreich macht. Das
       würde die zaudernden Länder überzeugen.
       
       Mit dem Erfolg Deutschlands steht und fällt der Klimaschutz? 
       
       Ich glaube, am Erfolg unserer Energiewende hängt sehr viel. Nicht wegen der
       Emissionen, die wir einsparen, sondern weil es ein Musterbeispiel ist. Wenn
       wir als Land der Ingenieure den Umstieg nicht schaffen, werden die meisten
       Länder zweifeln, dass eine grüne Wende zu schaffen ist.
       
       Aber wer viel verschmutzt und dadurch billiger produziert, hat ökonomische
       Vorteile. Wie soll sich da der Einsatz grüner Technologie in
       wirtschaftlichem Erfolg niederschlagen? 
       
       Vordergründig haben Sie recht. Zunächst kostet das was. Das muss auch
       kompensiert werden, wenn es ein Bündnis von Klimaschutzländern geben
       sollte. Wenn nötig, könnten diese Länder sich schützen, etwa durch Zölle
       auf Billigimporte aus Ländern, die kein CO2 einsparen.
       
       Beschwören Sie da nicht einen Handelskrieg für den Klimaschutz herauf? 
       
       Es gibt im internationalen Handel die Möglichkeit, bei
       Gesundheitsgefährdungen den Handel zu beschränken. Warum sollten bei einer
       Bedrohung der Menschheit keine Zölle möglich sein?
       
       Grünes Wachstum braucht Klimaschutz, Klimaschutz braucht grünes Wachstum.
       Beißt sich die Katze hier nicht in den eigenen Schwanz? 
       
       Die unterschiedlichen Prozesse bedingen sich gegenseitig. Sie können sich
       stützen und hochschaukeln und dadurch die Transformation der Gesellschaft
       möglich machen. Deshalb hat Durban eine sehr wichtige Signalwirkung: Es
       wird weitergehen mit dem Klimaschutz. Daran orientiert sich die Wirtschaft
       mit ihren Investitionen. Bei einem totalen Scheitern wäre der Klimaschutz
       wohl eine gescheiterte Episode geworden.
       
       Es geht im Kern darum, mit grüner Technologie Geld zu verdienen? 
       
       Nicht nur, es geht auch um eine Verantwortung für die Zukunft und für das,
       was unsere Emissionen in Bangladesch oder anderen Ländern anrichten.
       
       Falls Ihre Vision scheitert, sehen Sie technologische Möglichkeiten, den
       Klimawandel zu bekämpfen? 
       
       Es gibt in der Wissenschaft eine Diskussion über Geo-Engineering-Maßnahmen.
       Aus meiner Sicht gibt es aber noch keine silberne Kugel, mit der man den
       Klimawandel erschießen könnte. Im Gegenteil: Viele Dinge halte ich für
       hochgefährlich, wie beispielsweise die Sonne mit riesigen Schirmen im Orbit
       abzuschatten.
       
       Warum? 
       
       Weil die CO2-Konzentration trotzdem ansteigt, wodurch unsere Meere
       versauern. Außerdem schafft man ein instabiles Klima, bei dem man
       jahrhundertelang eingreifen müsste, weil sich CO2 so lange in der
       Atmosphäre hält. Wir würden viele Generationen dazu verdammen, das Klima
       aktiv zu regeln.
       
       Eine in Deutschland beliebte Debatte geht darum, durch Konsumverzicht das
       Klima zu retten. Hilft das? 
       
       Das ist eine Debatte in vielen Industriestaaten. Allerdings lebt nur ein
       kleiner Prozentsatz der Menschen bisher so. Ihr Verhalten allein wird nicht
       ausreichen, auch wenn ich es für sehr sinnvoll halte, verantwortungsvoll zu
       leben. Trotzdem ist bewusster Konsum ein wichtiges Element, um der
       Wirtschaft Anreiz zu geben, bessere Produkte zu bauen.
       
       Falls wir bis 2020 nicht die Kurve bekommen: Wie wichtig ist es, sich schon
       jetzt an den Klimawandel anzupassen? 
       
       Selbst wenn wir das 2-Grad-Ziel einhalten, ist das bereits eine Obergrenze.
       Selbst dann wird der Meeresspiegel weiter steigen, nach 2100 wohl sogar
       noch über einen Meter hinaus; darauf deuten jedenfalls neuere Studien hin.
       
       Die internationale Gemeinschaft opfert also mit dem 2-Grad-Ziel bereits
       ganz bewusst einige Inselstaaten? 
       
       Das ist zu befürchten. Auch viele andere Auswirkungen wie das häufigere
       Auftreten von Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren, das können wir
       bereits jetzt beobachten, nach einer Erderwärmung von 0,8 Grad. Die Formel
       lautet deshalb: Man muss sich an das Unvermeidbare anpassen und das nicht
       mehr Beherrschbare verhindern.
       
       12 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ingo Arzt
       
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