# taz.de -- US-Abzug aus Irak: Der Letzte nimmt den Müll mit
       
       > Die Amerikaner hinterlassen den Irakern Gegenstände im Wert von ungefähr
       > 700 Millionen Dollar. Im Südirak haben die Behörden um jedes Detail
       > gefeilscht.
       
 (IMG) Bild: Jetzt ist Schluss: US-Soldat am Camp Adder, Südirak.
       
       NASERIYA taz | Dass es nicht leicht werden würde, das Camp Adder im Südirak
       abzuwickeln, war Oberstleutnant Robert Haupt klar. Doch mit der Fülle von
       großen und kleinen Komplikationen, die auf ihn und seine 20. Pionierbrigade
       zukamen, hatte er nicht gerechnet.
       
       "Stellen Sie sich eine Kleinstadt mit 12.000 Einwohnern vor, in der es
       keine zentrale Strom- und Wasserversorgung gibt und deren Bewohner sie nach
       und nach umsiedeln müssen", sagt Brigadekommandant Oberst Richard Kaiser.
       "Hätten wir alles einpacken können, wäre es einfach gewesen." Doch während
       die Soldaten die Basis nach und nach verkleinerten, mussten sie dafür
       sorgen, dass wichtige Funktionen bis zum endgültigen Abzug erhalten
       blieben.
       
       Zugleich mussten sie die Straßen nach Sprengsätzen absuchen und
       gegebenenfalls Abschussrampen für Mörsergranaten zerstören, damit die
       Konvois sicher nach Kuwait passieren können. Erst vor wenigen Tagen schlug
       eine Granate im Feldlager ein.
       
       Minutiös haben die Soldaten in den letzten Monaten militärisches und
       privates Personal erfasst, Listen mit militärischer und ziviler Ausrüstung
       erstellt, deren Verpackung und Verladung überwacht und Quartier um Quartier
       geschlossen. Und sie haben Müll entsorgt - was sich als größtes Problem
       erwies.
       
       ## Streit um die Hinterlassenschaften
       
       Als im September eine der drei Müllverbrennungsanlagen ausfiel, wollten die
       Soldaten den Restmüll auf einer irakischen Halde entsorgen. Doch dann
       griffen die örtlichen Behörden ein. "Sie stoppten die Fahrer und sagten,
       die Ausländer würden in dem Müll Wertgegenstände verstecken und stehlen",
       sagt Haupt und schüttelt den Kopf. "Sie wissen offenbar nicht, wie wir
       operieren."
       
       Tatsächlich ging es offenbar weniger um den Müll als um die Frage, wer
       Anrecht auf welche Hinterlassenschaften der Amerikaner und ihrer zivilen
       Zulieferer hatte. Vereinbarungsgemäß geht alles, was die Amerikaner nicht
       mitnehmen, in den Besitz des irakischen Staates über. Laut der
       amerikanischen Militärführung in Bagdad beläuft sich der gegenwärtige Wert
       der hinterlassenen Gegenstände auf rund 700 Millionen Dollar.
       
       Im ganzen Land haben örtliche Behörden versucht, möglichst viel für sich
       herauszuschlagen. Ob Generatoren, Fahrzeuge oder Büroinventar, die Iraker
       beanspruchten so ziemlich alles. In Naseriya, wo die Basis liegt, hätte der
       Provinzrat am liebsten alles gehabt, sagt Haupt.
       
       Dabei gingen Polizei und Armee an den Checkpoints offenbar wenig zimperlich
       vor. Dutzende von Lastwagenfahrern wurden über Stunden festgehalten und
       konnten erst nach Bezahlung von Bestechungsgeldern weiterfahren. Zwölf der
       Fahrer - allesamt Kuwaiter oder andere Ausländer - seien verhaftet worden,
       sagt Haupt.
       
       ## Modernes Raubrittertum
       
       Ähnliche Vorfälle berichten andere Einheiten aus dem ganzen Land. Man
       könnte es als modernes Raubrittertum bezeichnen. Aber Haupt spricht lieber
       von einer Art Steuer, mit der die Lokalbehörden ihre Kassen aufzubessern
       versuchen.
       
       Sondermüll wie Altöl und Batterien gingen entweder nach Kuwait oder an eine
       Firma aus Bagdad. Militärischer Elektroschrott, aber auch Kupferkabel
       wurden abtransportiert. "Falls jemals wieder amerikanische Soldaten in den
       Irak zurückkehren sollten, haben sie nichts zurückgelassen, was sie
       gefährden könnte", sagt Kaiser. Der medizinische Müll aus einer ehemaligen
       Klinik wurde in speziellen Öfen verbrannt.
       
       Wenn die letzten Soldaten den Irak verlassen, werden sie nicht nur ihre
       Waffen mitnehmen. Sie werden auch den Müll, der jetzt noch anfällt, in ihre
       Fahrzeuge packen.
       
       18 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Inga Rogg
       
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