# taz.de -- Die Hauptstadt der Korruption?: Gerechtigkeit für Hannover!
       
       > Mafia, Klüngel, Schampus, Politik: Hannover ist zum Unwort für all
       > diejenigen geworden, die schon immer mit der Stadt abrechnen wollten.
       > Eine Verteidigung.
       
 (IMG) Bild: Regieren Filz und Affären in der Stadt? Das Rathaus von Hannover.
       
       Als ich ein kleiner Junge war, hatten meine Eltern einen Nachbarn, der
       besaß eine Dauerkarte für Hannover 96. Immer wenn er keine Zeit oder Lust
       hatte, zu den Spielen zu gehen, durfte ich die Karte benutzen. Es war so um
       das Jahr 1991, eine Zeit, in der Hannover in der zweiten Liga gegen Stahl
       Brandenburg und Fortuna Köln unterlag. Ich saß verloren unter wenigen
       tausend Zuschauern im Niedersachsenstadion und hoffte vergeblich auf
       Besserung. Es war eine traurige Zeit.
       
       Wenige Jahre später wurde auch Harald Schmidt erstmals mit dem Satz
       zitiert, Hannover sei die langweiligste Stadt der Welt. Es wurde ein
       Running Gag. Ein Witz, den bis heute kaum jemand vergessen hat. Hannover,
       eine "Autobahnausfahrt zwischen Göttingen und Walsrode".
       
       Heute ist die Stadt wegen des Bundespräsidenten wieder in den Schlagzeilen,
       im Zentrum stehen die "Hannover-Bande" und die "Maschsee-Mafia". Wenn man
       das liest, könnte man denken, an der Leine regiert die Camorra und in den
       Partykellern der Stadt feiert die Bundespolitik Bunga Bunga. Dabei geht es
       nur darum, dass Hannover da bleibt, wo es hingehört: unten.
       
       Vor kurzer Zeit hatte sich nämlich für kurze Zeit das Bild gewandelt. Statt
       eines Prinzen, der mit Regenschirmen Kameraleute verprügelt, gab es auf
       einmal einen geachteten Fußball-Nationaltorwart und das Popsternchen Lena,
       das viele verzückte. Etwas später fing sogar Hannover 96 an, guten Fußball
       zu spielen. Optimisten dachten: Man bricht aus dem Durchschnitt aus.
       
       ## Für politische Geheimabsprachen zu laut
       
       Das alles passte allerdings nicht ins Bild der Stadt. Da kamen die
       politischen Ereignisse um Bundespräsident Wulff gerade recht. So war die
       Stadt, wenn schon nicht mehr langweilig, dann doch wenigstens von Filz und
       Korruption unterwandert.
       
       Und der Tatort war auch schnell gefunden: die Markthalle. Die
       Wirtschaftszeitung Handelsblatt - aus Düsseldorf! - machte aus ihr den
       "Bauch von Hannover" und stilisierte sie zum Ort, an dem bei Cappuccino die
       geheimen Absprachen der "Hannover-Connection" getroffen werden, alles
       Politische ist schließlich in Spuckweite. "Nur zur Staatskanzlei sind es
       zehn Minuten", schrieb die Zeitung. "Dort in der niedersächsischen
       Staatskanzlei lernte auch Frank-Walter Steinmeier die Tiefen und Untiefen
       der Politik kennen."
       
       Tatsächlich trifft man sich in Hannover zum Kaffeetrinken in der
       Markthalle. Es ist schrecklich bieder und ein wenig schnöselig dort. Aber
       der Hannoveraner schaut dort durch die Fensterfront auf eine der wenigen
       erhaltenen Altbaufassaden der Stadt und stellt sich vor, er wohne in einer
       schönen Stadt. Schließlich gibt es keine Alster, kein Brandenburger Tor,
       noch nicht mal Stadtmusikanten. Für politische Geheimabsprachen ist es in
       der Regel zu laut.
       
       Auch für Unternehmer Carsten Maschmeyer, eine zentrale Figur in der
       Geschichte. Maschmeyer ist unzweifelhaft eine eigenartige Gestalt an der
       Spitze eines fragwürdigen Unternehmens. Man könnte auch sagen: Er ist ein
       dreister Lobbyist, mit dem sich zu viele Politiker eingelassen haben. Aber
       er ist so wenig Hannover, wie der parlamentarische Abend von Energiefirmen
       inklusive Fortsetzung im Kanzleramt Berlin ist.
       
       Und überhaupt, worüber reden wir eigentlich? Was hängt eigentlich in diesen
       Wochen mit Hannover zusammen? Der Kredit des Osnabrückers Geerkens an den
       Osnabrücker Wulff - ist das die "Hannover-Bande"? Ist Ursula von der Leyen
       Teil der "Maschsee-Mafia", weil sie mit Maschmeyer studiert hat? Selbst als
       FDP-Chef Philipp Rösler in der vergangenen Woche einen neuen
       Generalsekretär holte, einen Hannoveraner, selbst da fehlte nicht der
       Verweis auf den Leine-Klüngel.
       
       Hannover ist jetzt nicht mehr nur die langweiligste Stadt der Welt, alle
       Aufregung dort wird jetzt durch Kriminalität erzeugt. Das passt gut, der
       Gegner wankte ohnehin seit Jahren und ist leicht zu schlagen. Das Bild war
       verrutscht - jetzt passt wieder alles.
       
       Und 96, ach, die haben ja auch seit sieben Spielen in Folge nicht gewonnen.
       
       22 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gordon Repinski
       
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