# taz.de -- Proteste in Kasachstan: Routinewahl wird zum Risiko
       
       > Nach dem brutalem Vorgehen der Polizei in Kasachstan gegen streikende
       > Ölarbeiter wächst der Unmut. Viele könnten im Januar gegen die
       > Staatspartei stimmen.
       
 (IMG) Bild: Letzte Instruktionen für die Polizeipatrouillie in Schanaozen.
       
       BERLIN taz | Bei Facebook tobt die Diskussion über die schweren
       Zusammenstöße in der kasachischen Stadt Schanaozen am 16. Dezember. Dabei
       wurden 17 Menschen erschossen und über 90 verletzt. Viele kasachische
       Nutzer sind empört über das brutale Vorgehen der Polizei, andere machen den
       Westen verantwortlich, die Ausschreitungen provoziert zu haben.
       
       Auf YouTube taucht immer neues Filmmaterial auf, auf dem zu sehen ist, wie
       kasachische Polizisten gezielt in die Menge schießen. Die kasachische
       Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen unrechtmäßigen
       Schusswaffengebrauchs gegen die Sicherheitskräfte auf, 20 mutmaßliche
       Rädelsführer wurden bisher verhaftet. Natalija Aschigalijewa, die
       Vertreterin der Streikenden in Schanaozen, wird täglich verhört.
       
       Nach wie vor ist der Zugang in die Erdölförderstadt beschränkt. Der
       Ausnahmezustand verbietet Video- und Filmaufnahmen. Nach Telefonberichten
       von Augenzeugen versammeln sich weiterhin dutzende streikende Ölarbeiter in
       Schanaozen. Auch in dem zwei Autostunden entfernten Aktau harren noch
       einige hundert vor der dortigen Ölfirma Karaschanbaz an.
       
       Am 16. Dezember, dem 20. Jahrestag der Unabhängigkeitstag, eskalierte die
       Lage in Schanaozen. Seit Mai sind die Erdölarbeiter in der kasachischen
       Westprovinz Mangistau im Ausstand. In zwei Ölfirmen in Aktau und Schanaozen
       streiken etwa 1.500 Beschäftigte. Sie fordern höhere Löhne und mehr
       Arbeitnehmerrechte.
       
       ## Knochen für die Streikenden
       
       Mehrere hundert Arbeiter der Fördergesellschaft Ozenmunaigas hielten in
       Schanaozen seit Frühjahr den zentralen Platz der Stadt besetzt.
       Ausgerechnet dort richtete die Stadtverwaltung die im ganzen Land
       obligatorischen Feiern zum 20-jährigen Staatsjubiläum aus. Die Lage geriet
       außer Kontrolle. Hunderte Männer stürmten den Platz. Amts- und
       Geschäftsgebäude gingen in Flammen auf, und die Polizei eröffnete das
       Feuer. Im Internet kursieren Berichte, wonach die Streikenden gezielt
       provoziert worden seien. Aus den Festzelten hätten Mitarbeiter des
       Bürgermeisters den Streikenden Knochen zugeworfen.
       
       Das Blutbad von Schanaozen ereignete sich einen Monat vor den für den 15.
       Januar angesetzten Parlamentswahlen. Der Urnengang in dem
       zentralasiatischen Staat, der nach Berichten der Organisation für
       Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bislang keine freie und
       demokratische Wahl abgehalten hat, sollte die Machtübergabe von dem
       71-jährigen Präsidenten an dessen Schwiegersohn Timur Kulibajew
       vorbereiten.
       
       Die Zusammenstöße am 16. Dezember machen die als Routine geplante Wahlübung
       nun zum Risiko, denn die Kasachen könnten der Partei der Macht Nur Otan die
       Stimme verweigern. Staatspräsident Nursultan Nasarbajew reagiert mit
       Zuckerbrot und Peitsche. Vor Weihnachten besuchte er die Unruheprovinz am
       Kaspischen Meer. Er tauschte die Führung der vom Staat kontrollierten
       Ölgesellschaft Kazmunaigas und den Gouverneur der Westprovinz aus. Zudem
       feuerte er seinen Schwiegersohn Kulibajew von dem Chefposten des alles
       beherrschenden Staatskonzern Samruk, da er den seit Mai schwelenden
       Betriebskonflikt vernachlässigt hätte.
       
       Nasarbajew erklärte die Forderungen der streikenden Ölarbeiter für
       gerechtfertigt, und forderte die Firmen auf, für die wegen des Streiks
       Entlassenden neue Stellen zu schaffen und den Konflikt zu lösen.
       
       Bisher hatte Kazmunaigas den Streik für illegal erklärt. Jetzt verhandelt
       die Firma unter Hochdruck, um noch vor den Wahlen eine Lösung zu
       präsentieren. Der Präsident macht aber für die schweren Ausschreitungen vom
       Ausland bezahlte Provokateure verantwortlich und droht mit harten Strafen.
       
       30 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marcus Bensmann
       
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