# taz.de -- Finanzkrise in Europa: "Eurobonds helfen uns nicht"
       
       > Der Ökonom Paul Welfens plädiert für Bonds, die von der Europäischen
       > Zentralbank ausgegeben werden. Der Grund sind zu hohe Zinsen gemeinsamer
       > Staatsanleihen.
       
 (IMG) Bild: Paul Welfens: "Es kann nicht Sinn einer europäischen Integration sein, dass sich ein Land an der Krise eine goldene Nase verdient."
       
       taz: Herr Welfens, zehn Jahre nach Einführung des Eurobargelds häufen sich
       die Probleme mit der europäischen Gemeinschaftswährung. Wie schlimm ist es
       wirklich um den Euro bestellt? 
       
       Paul Welfens: Die Situation bleibt sehr ernst. Die europäischen Regierungen
       haben viel an Glaubwürdigkeit verspielt. Gerade bei der Refinanzierung von
       Italien und Spanien machen die Kapitalmärkte nicht mit. Dabei gäbe es
       einfache Lösungen. Dafür müsste bloß die Rolle der Europäischen Zentralbank
       (EZB) klüger neu justiert werden.
       
       Aha. Das müssen Sie genauer erklären. 
       
       Bisher wurde über Eurobonds nur in der Form diskutiert, dass die 17
       Euroländer gemeinsame Anleihen ausgeben. Diese Option erweist sich aber
       inzwischen als unzureichend. Selbst der Eurorettungsfonds EFSF, hinter dem
       immerhin sechs Länder mit Toprating stehen, kann sich im Augenblick nur zu
       rund 4,5 Prozent am Kapitalmarkt finanzieren. Wenn wir solche Eurobonds
       einführen würden, kämen ja die anderen schlechter bewerteten Euroländer
       hinzu. Dann aber wären wir bei einem Zinssatz von mindestens 6 Prozent. Das
       hilft uns aber nicht. Es bliebe weiter unruhig.
       
       Was schlagen Sie als Alternative vor? 
       
       Wir brauchen eine supranationale Form der Euroanleihe. Allerdings müsste
       dahinter jemand stehen, der für höchste Glaubwürdigkeit steht. Und da sehe
       ich nur noch die EZB. Sie hat einen Vorteil: Als Kreditgeber letzter
       Instanz verfügt sie über die Möglichkeit, jede Tilgung und Zinszahlung zu
       garantieren. Deswegen sollte sie selbst Anleihen ausgeben. Mit solchen
       EZB-Anleihen läge der durchschnittliche Zinssatz bei 2 bis 3 Prozent.
       
       Warum keine Eurobonds, die von Staaten gemeinsam ausgegeben werden? 
       
       Auch Anleihen der EZB wären gemeinschaftliche Anleihen. Denn die EZB gehört
       ja den Euroländern. Wenn die Euroländer sich irgendwann zu einer
       Euro-Politik-Union zusammengefunden haben, halte ich Eurobonds für
       sinnvoll. Aktuell würde die Einführung aber kaum für Beruhigung der Märkte
       sorgen. Für diese Übergangsphase ist die EZB in einer neuen Rolle
       gefordert.
       
       Wozu eigene Anleihen ausgeben? Kann die EZB nicht direkt Anleihen der
       Krisenländer aufkaufen? 
       
       Es besteht zu Recht die Befürchtung, dass die EZB damit zu einer außer
       Kontrolle geratenen Inflation beitragen könnte. Zudem erwirbt die EZB bei
       direktem Aufkauf viele Schrottanleihen und müsste eines Tages viel von dem
       verliehenen Geld abschreiben. Mein Ansatz ist ein anderer: Die EZB soll
       Anleihen auf den Markt bringen und damit einen Tausch in Gang setzen. Jedem
       Euroland wird angeboten, nationale Anleihen von bis zu 50 Prozent des
       Bruttoinlandsprodukts in diese EZB-Anleihen umzutauschen. Länder, die
       unterhalb der 60 Prozent Schuldenquote liegen, sollen sogar bis zu 60
       Prozent ihrer Schulden umtauschen dürfen. Damit schaffen wir für Länder mit
       hoher Schuldenquote einen Anreiz zu konsolidieren. Wir hätten dann einen
       äußerst liquiden Euroanleihenmarkt. Und jedes Euroland könnte sich zu
       bezahlbaren Zinssätzen verlässlich am Kapitalmarkt finanzieren. Vor allem
       wird Zeit gewonnen. Die notwendigen Strukturreformen können in Ruhe
       umgesetzt werden. Es muss nicht von einem Krisengipfel zum nächsten
       gehampelt werden.
       
       Die Hardliner innerhalb der EZB beharren aber auf die Unabhängigkeit der
       Zentralbank. 
       
       Auch aus EZB-Sicht ist ein solcher Schritt besser, als im Chaos unter
       massivem politischen Druck Schrottanleihen kaufen zu müssen. Ich gebe zu:
       Mein Vorschlag verlangt ein Umdenken herkömmlicher Positionen. Aber wir
       müssen uns der Tatsache bewusst werden, dass wir uns in einer historischen
       Krise befinden.
       
       Deutschland profitiert derzeit von hohen Zinssätzen in den Krisenländern
       und niedrigen Zinsen hierzulande als Folge davon. 
       
       Es kann nicht Sinn einer europäischen Integration sein, dass sich ein Land
       an der Krise eine goldene Nase verdient. Auch Deutschland müsste ein
       Interesse haben, dass die Partnerländer in ruhiges Fahrwasser kommen. Der
       momentan historisch niedrige Zinssatz ist unnormal und führt im Übrigen
       auch nicht gerade zu vernünftigen Investitionsentscheidungen.
       
       Wie sollte sich die Bundesregierung jetzt verhalten? 
       
       Sie soll sich endlich auf eine veränderte Rollenteilung einlassen. Die
       Europäische Zentralbank spielt bei der Bewältigung dieser Krise eine
       Schlüsselrolle, und das darf die Bundesregierung nicht weiter blockieren.
       Der Euro könnte als Erfolgsmodell neu etabliert werden.
       
       2 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lee
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Volkswirt über Italiens Wirtschaftskrise: "7 Prozent Zinsen sind tragbar"
       
       Italien muss sich frisches Geld besorgen. Das Land kann hohe Zinsen
       finanzieren, sagt der Ökonom Schmieding. Dennoch könnte die Krise
       eskalieren - es komme auf die EZB an.
       
 (DIR) Montis Antrittsbesuch bei Angela Merkel: Sparen allein ist auch keine Lösung
       
       Italiens Premier Mario Monti warnt vor Populismus und fordert eine
       wachstumsfreundlichere Wirtschaftspolitik. Die EU-Kommission will den
       Sparkurs hingegen verschärfen.
       
 (DIR) Kommentar EZB: Einsames Deutschland
       
       Es war und ist egal, ob der EZB-Chefvolkswirt ein Deutscher ist - am Ende
       entscheidet die Mehrheit. Und von einer Mehrheit ist Deutschland weit
       entfernt.
       
 (DIR) Peter Praet wird EZB-Chefvolkswirt: Premiere in Frankfurt
       
       Der Belgier Peter Praet wird Chefökonom der Europäischen Zentralbank. Eine
       Überraschung, denn seine Vorgänger kamen sämtlich aus Deutschland.
       
 (DIR) Debatte Finanzkrise: Eine Frage der Gerechtigkeit
       
       Aus der Schuldenkrise kann der Staat sich weder heraussparen noch einfach
       herauswachsen. Aber es gibt eine dritte Lösung, die kaum diskutiert wird.
       
 (DIR) Ausblick zur Euro-Krise: Es bleibt turbulent
       
       Die Krise hat 2011 den Euro-Ländern ganz schön zugesetzt. Kommt im neuen
       Jahr die Rezession? Wie geht es 2012 mit der Eurokrise weiter?
       
 (DIR) Debatte Eurokrise: Schreddern wir Europa?
       
       Eurobonds retten den Euro nicht. Im Gegenteil, wenn wir den Euro sterben
       lassen, könnte sich wieder eine europäische Solidarität entwickeln.
       
 (DIR) Kommentar Fiskalunion der Eurozone: Merkels Mogelpackung
       
       Der Entwurf Angela Merkels zu einer "Fiskalunion" enttäuscht auf ganzer
       Linie. Das, was die Eurozone eigentlich braucht, hat die Kanzlerin
       verhindert.
       
 (DIR) Europäische Währungskrise: Regierung rettet Banken
       
       Deutsche Geldhäuser brauchen Kapital, Italien muss Rekordzinsen zahlen –
       ein Rettungsfonds soll helfen. Trotzdem bezeichnet Kanzlerin Merkel
       Eurobonds als "Fehler".