# taz.de -- die wahrheit: Ziegen jagen mit Veganern
> Neues aus Neuseeland: Es begann mit der Hochzeit unseres Freundes
> Steve.Der war Bioladenbesitzer und einst Veganer, aber erlegte aus
> Familientradition für sein Festmahl einen Hirsch...
(IMG) Bild: Misstrauisch beäugt die ungeschlachtete Weihnachtsgans den sehr späten Versuch, sie umzutauschen.
Es begann mit der Hochzeit unseres Freundes Steve. Der war Bioladenbesitzer
und einst Veganer, aber erlegte aus Familientradition für sein Festmahl
einen Hirsch. Ein Vollblut-Öko, der der Natur und seinem Körper bis auf
selbstangebautes Gras keinen Schaden zufügt, aber nicht vom Wild lassen
kann. Wo sonst auf der Welt trifft man jagende Hippies?
Als die Freundschaft wuchs, lieh sich mein Mann bei ihm Jagdbücher aus. Die
Gespräche wurden intensiver. Steve predigte gegen Massentierhaltung, pro
Selbstversorgung. Nicht um Trophäen ginge es, sondern um archaische
Nahrungsbeschaffung: ein Mann, ein Schuss, eine volle Kühltruhe.
Kommerzfrei. Das traf den Nerv, der seit bundesdeutschen Zeiten brach
gelegen hatte. Und mich ins Mark.
"Ich mache den Waffenschein", sagte mein Mann, der angebliche
Antimilitarist. Es war fast so schlimm, als ob er eine Affäre gebeichtet
hätte: Ich war fassungslos, er testosterongesteuert. Schuldbewusst zog er
nach dem Coming-out einen Prospekt von "Gun City" aus der Tasche. Dass er
sich heimlich im Kleinkaliber-Discount herumtrieb, war nicht das
Schlimmste. Das Schlimmste waren unsere Kinder. Sie fanden das alles
großartig: Schießen, yeah! All die Jahre ohne Gewaltvideos und
Kriegsspielzeug, und nun das! Wozu schickten wir die Jungen eigentlich auf
die verdammte Waldorfschule?
Ich kapitulierte, aber summte subversiv "Cowboy Rocker" von Udo Lindenberg
vor mich hin. Mein Protestsong. Statt Charles Bronson kam aber nur eine
nette Polizistin vorbei, um mich im Sozialarbeiterton zu befragen, ob mein
Mann verhaltensauffällig oder gewalttätig sei. Alles Vorschrift für den
Wisch. "Er ist friedlich wie ein Lamm", bestätigte ich und übertrieb kein
bisschen. Dabei hätte ich alles sabotieren können. Aber Steve hatte uns
gerade einen Hirschschenkel geschenkt. Der schmeckte köstlich.
Mit Steve ging es zum Schießstand: "üben". Beim Waffentest dann ein
blitzartiger Reality-Check: Mein Mann stellte erschrocken fest, in welcher
Gesellschaft er sich befand. Doch nur kurz kamen Zweifel an seiner neuen
Gesinnung auf. Denn es ging wieder zu "Gun City". Erst wurde, ganz nach
Vorschrift, eine verschließbare Stahlkiste gekauft. Dann nach etlicher
Recherche die Tika 7-08: viel Stahl, lackiertes Holz und sauschwer. Sie
verschwand zum Glück sofort in der Kiste. Dann musste es noch ein kleines
Luftgewehr sein, "nur für die Possums". Es war ähnlich wie beim Surfen:
Immer geht es ums Material.
Ich besuchte Lydia, die nichts Tierisches isst und für mehr Unkraut im
öffentlichen Raum kämpft. Sie zeigte mir das Foto eines toten Possums in
einer Falle. Auf dem Rücken klammerte sich dessen Junges fest, frisch
verwaist. Mein Mutterherz blutete. Als ich zu Hause ankam, wurde ich fast
umgelegt: In der Einfahrt übten meine Söhne mit dem Luftgewehr. An der
Garage hing eine Zielscheibe, in der Mitte prangte ein Possum-Foto.
"Schädlingsbekämpfung", verteidigte sich mein Mann. Ich sah rot. Die
Fronten sind klar. Fortsetzung folgt …
12 Jan 2012
## AUTOREN
(DIR) Anke Richter
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