# taz.de -- Kommentar "Costa Concordia": Massengrab auf See
       
       > Auf dem Mittelmeer verunglücken nicht nur Kreuzfahrtschiffe. Das, was die
       > Passagiere der "Costa Concordia" erlebt haben, ist Alltag von unzähligen
       > Flüchtlingen und Migranten.
       
       Ein Schiffsunglück mit Toten ist eine menschliche Katastrophe, egal wo und
       wann; und egal auch, woher die Opfer kommen. Die Havarie des
       Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" vor Italien mit bislang elf Toten und
       noch mehreren Dutzend Vermissten unter mehreren tausend Passagieren bringt
       nun einer breiten Öffentlichkeit nahe, wie lebensgefährlich ein Unglück im
       Mittelmeer sein kann, sogar nur wenige Meter von einer rettenden Küste
       entfernt.
       
       Was die Kreuzfahrttouristen jetzt erlebt haben, ist ansatzweise Alltag von
       unzähligen Reisenden im Mittelmeer. Zehntausende von Menschen stechen jedes
       Jahr an der Mittelmeerküste in See, in überfüllte Fischerboote gedrängt, in
       seeuntauglichen Schlauchbooten unterwegs, ohne adäquate Ausbildung und
       Technik, ohne ausreichende Navigation und Verpflegung.
       
       Sie unternehmen unter unvorstellbar prekären Bedingungen eine Fahrt, für
       die man in Deutschland Urlaub nimmt, und zahlen dafür teils mindestens
       genauso viel Geld. Es sind Bürgerkriegs- und Hungerflüchtlinge, Migranten
       und Abenteurer aus den Ländern südlich des Mittelmeers. Sie kommen aus halb
       Afrika, aus Teilen der arabischen Welt. Sie verschulden sich hoch in der
       Hoffnung, in Europa ein Auskommen zu finden, das ihren Familien in der
       Heimat aus dem Elend hilft. Sie wissen nicht, ob sie jemals an ihr Ziel
       kommen und was ihnen bei der Ankunft als Illegale blüht.
       
       Hunderte, wenn nicht Tausende von ihnen enden als namenlose Leichen auf
       hoher See oder auf verlassenen felsigen Stränden. Tausende, wenn nicht
       Zehntausende von ihnen enden in der Unterwelt eines krisengeschüttelten
       Europas, das für sie weder Platz noch Menschlichkeit übrighat.
       
       Die Passagiere der "Costa Concordia" beklagen zu Recht Pannen und
       Schlamperei, und unter Wasser im Schiffsrumpf spielen sich jetzt bei der
       Suche nach den letzten Vermissten menschliche Dramen ab. Auch die
       vieltausendfachen Klagen und die Trauer der Hinterbliebenen der Opfer der
       Seefestung Europa verdienen es, Gehör zu finden. Die Toten sind unter uns:
       ob die vom Luxuskreuzer oder die vom Fischkutter.
       
       17 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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