# taz.de -- Opfer rechter Gewalt: Henkel zählt nur bis zwei
       
       > Polizei und Justiz gehen von lediglich zwei Morden in Berlin durch Rechte
       > aus, Medien zählen hingegen zwölf.
       
 (IMG) Bild: Waren für manche Menschen tödlich: Stiefel im Neonazistyle
       
       Innensenator Frank Henkel (CDU) zählt bei Opfern rechter Gewalt seit 1990
       nur bis zwei. Die Amadeu-Antonio-Stiftung hingegen kommt auf zwölf solcher
       Tötungsdelikte, die Zeitungen Tagesspiegel und Zeit kommen auf zwölf.
       Henkel lehnt es ab, die offizielle Statistik zu korrigieren. Das teilte der
       Innensenator der Grünen-Abgeordneten Clara Herrmann als Antwort auf eine
       Kleine Anfrage mit.
       
       Die unterschiedliche Sichtweise von Polizei und Justiz einerseits sowie
       Medien und Opferverbänden andererseits führten bei der Bewertung von
       Straftaten als politisch motivierte Kriminalität regelmäßig zu
       unterschiedlichen Ergebnissen, schreibt Henkel. "Eine erneute Prüfung ist
       nicht zielführend."
       
       Unstrittig ist, dass der gewaltsame Tod des Vietnamesen Nguyen Van Tu im
       Jahre 1992 sowie der im selben Jahr verübte tödliche Messerangriff auf den
       Hausbesetzer Silvio Meier rechtsextrem motivierte Morde waren. Beide Männer
       waren von Tätern erstochen worden, die zweifelsfrei der rechten Szene
       angehörten. Die Gerichte hatten für die Morde politische Motive
       festgestellt.
       
       Zu den strittigen Fällen gehört beispielsweise der des Obdachlosen Günter
       Schwannecke. Nach Recherchen von Tagesspiegel und "Amadeo-Antonio-Stiftung
       mischte er sich 1992 ein, als Skinheads in der Nähe seiner Parkbank nachts
       Zuwanderer provozierten. Daraufhin wurde er von den Skins mit einem
       Baseballschläger zusammengeschlagen. Er starb an seinen Verletzungen.
       Henkel schreibt in der Antwort auf die Anfrage, das Gericht hätte in diesem
       Fall kein politisches Motiv erkannt. Vielmehr habe es festgestellt, den
       Tätern sei es um die Lust an der Gewaltanwendung gegangen.
       
       Auch die Einordnung der Morde an Chris Danneil und Olaf Schmidtke im Jahre
       1997 in Treptow ist strittig. Zwischen den beiden Männern und Angehörigen
       der rechten Szene kam es zu einem Streit wegen des Verbots der
       rechtsextremen Partei FAP. Es folgten ein Handgemenge und schließlich eine
       tödliche Messerstecherei. Das Gericht stellte aber fest, so Henkel, dass
       die Tat nicht aus besonders niedrigen Beweggründen begangen worden sei.
       
       Clara Herrmann ist empört über die Sicht des Innensenators. Ob eine
       Straftat als politisch motiviert eingeordnet wird, habe nicht nur Folgen
       für die Opferhilfe: Es sei vor allem für die politische Bewertung der
       Gefahren des Rechtsextremismus wichtig. "So große Unterschiede in der
       Bewertung von politisch motivierten Morden muss doch zu denken geben", so
       Herrmann. Die Einordnungen von Innenverwaltung und Justiz führten zu einer
       Verharmlosung des Rechtsextremismus. Sie fordert eine erneute Überprüfung
       aller von der Amadeu-Antonio-Stiftung und den Medien gelisteten Morde und
       eine Anpassung der Statistik. "Dass das auch nach langer Zeit noch möglich
       ist, sieht man in Nordrhein-Westfalen."
       
       Aber auch Berlin hat rechtsextreme Gewalt schon anders bewertet. Im
       November nahm das Abgeordnetenhaus in Reaktion auf die Morde der Zwickauer
       Terrorzelle einstimmig eine Entschließung an, die rechtsextremen Terror
       verurteilt. Dort war von zehn Berliner Todesopfern die Rede. MARINA MAI
       
       26 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Amadeu-Antonio-Stiftung
 (DIR) Thomas Heilmann
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Anetta Kahane über Radikalisierung: „Der Damm ist gebrochen“
       
       Die Chefin der Amadeu Antonio Stiftung spricht über die AfD-Wahlerfolge,
       deutsche Identität und eine Realität, die vielfältiger ist, als es die
       Rechte glauben machen will.
       
 (DIR) Postengeschachere in Berlin: Heilmann formt sich die Justiz
       
       Die Springerpresse macht die Bewerbung der Polizeivizepräsidentin für den
       Posten des Generalstaatsanwalts öffentlich.
       
 (DIR) Kommentar zum NPD-Chef: Ein Ausdruck purer Verzweiflung
       
       Die gewaltbereite Kameradschaftsszene hat den siechenden Berliner Verband
       der NPD übernommen - lange vor der Wahl Schmidtkes.