# taz.de -- Proteste in Ungarn: Antisemitismus und "Nazi-Raus"-Rufe
       
       > In Budapest demonstrieren Hunderte gegen den ultrarechten
       > Theater-Intendanten György Dörner. Auch die Glatzen marschieren auf. Die
       > Polizei verhindert Zusammenstösse.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen den ultrarechten Theaterindendanten György Dörner am Mittwoch in Budapest.
       
       BUDAPEST taz | Mit Schreiduellen vor dem Neuen Theater in Budapest begann
       am Mittwoch abend die neue Ära an dieser populären Bühne. Anläßlich der
       Übernahme des Theaters durch den rechtsextremen Schauspieler und
       Kulturmanager György Dörner versammelten sich etwa 500 Menschen bei eisiger
       Kälte vor dem Schauspielhaus und trafen dort auf fast ebenso viele
       Rechtsradikale. Die äußerst zögerlich einschreitende Polizei konnte
       Zusammenstöße gerade noch verhindern.
       
       Die beiden Gruppen, die sich in der engen Paulay Ede Straße unweit der Oper
       gegenüberstanden, hatten einander wenig zu sagen. Deswegen brüllten sie
       ihre Verachtung heraus. "Landesverräter" schallte es von der einen Seite,
       "Nazis raus!" von der anderen. Die Schmähung "dreckige Juden" durfte nicht
       fehlen.
       
       Und während ein Schauspieler, der angesichts der feindlichen Übernahme
       seines Stammhauses gekündigt hatte, ein feierliches Gedicht deklamierte,
       formierte sich die vor drei Jahren verbotene Ungarische Garde in schwarzen
       Uniformen. Gemeinsam mit den faschistischen Betyaren und der Vereinigung 64
       Komitate, die für ein Großungarn in den Grenzen von vor 1920 eintritt,
       demonstrierte sie für "die Freiheit der Kunst" von einer vermeintlichen
       linksliberalen Hegemonie.
       
       Wenn der bekannte Journalist Iván Andrassew vom oppositionellen Klubrádió
       die Polizei nicht zum Handeln überredet hätte, wären die Glatzköpfe wohl
       über die linken Demonstranten hergefallen. Einige der aggressivsten Faschos
       wurden sogar festgenommen.
       
       ## Patriotische Blut-und-Boden-Stücke
       
       Dass nicht mehr Leute gegen Dörner protestierten, der mit der "krankhaften
       liberalen Hegemonie" aufräumen und auf patriotische Blut-und-Boden-Stücke
       setzen will, dürfte nicht nur am strengen Winter, sondern auch an den
       Organisatoren gelegen sein.
       
       Vilmos Hanti, der auch auf die Rednertribüne kletterte, vertritt den Bund
       des ungarischen Widerstandes und der Antifaschisten. Dieser arbeitet eng
       mit der Antifaschistischen Liga zusammen, die ihre stalinistische
       Vergangenheit noch nicht abgestreift hat und sich den Vorwurf
       antisemitischer Rhetorik gefallen lassen muss.
       
       Dörner, der schon in seiner Bewerbung keine künstlerische sondern eine
       politische Ansage gemacht hatte, war von Bürgermeister István Tarlós gegen
       die Empfehlung der Besetzungskommission ausgewählt worden. Es hagelte
       Proteste von Künstlerkollegen im In- und Ausland. Nur die Nominierung des
       offen faschistischen Dramatikers István Csurka als Intendant wurde
       zurückgenommen.
       
       Dörner will aber mit ihm eng zusammenarbeiten und seine Stücke vermehrt
       aufführen. Drauf freuen sich bereits die Mitglieder der Garde, die mit
       gestrecktem Arm ihre Parolen riefen: "Gott gebe uns" - "Eine schöne
       Zukunft!"
       
       2 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Budapest
 (DIR) Ungarn
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Intendant am Budapester Neuen Theater: Rechtsextremist Dörner bleibt
       
       Seine erste Ernennung führte 2011 zu Protesten, seither hat das Neue
       Theater in Budapest an Renommee verloren. Doch György Dörner darf
       weitermachen.
       
 (DIR) Warnung vor Rückfall in Faschismus: Hilferuf aus Ungarn
       
       Der Schriftsteller György Konrád warnt vor autokratischen Tendenzen im
       Osten. Insbesondere die Entwicklung in Ungarn bereitet ihm Sorgen.
       
 (DIR) Ungarn mildert Zensurmöglichkeiten: Weniger Medien-Kontrolle
       
       Die Gefahr für Ungarns einzigen oppositionellen Rundfunksender scheint
       gebannt. Ein umstrittener Passus in einer Gesetzesnovelle scheitert im
       Parlament.
       
 (DIR) Radio in Ungarn: Opposition auf Sendung
       
       Ungarns oppositioneller Radiosender Klubradio darf vielleicht doch senden.
       Vorerst jedenfalls. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
       
 (DIR) Sanktionspolitik der EU: Ein Maulkorb für Ungarn?
       
       Die Abgeordneten des Europaparlaments erwägen, dem Land das Stimmrecht zu
       entziehen. Denn Budapest gefährde demokratische Grundwerte.
       
 (DIR) István Csurka ist tot: Eine Stimme des Hasses
       
       Er hat dazu beigetragen, dass Ungarn weit nach rechts rückte: Istvan
       Csurka. Nun ist der Theaterautor und Rechtsextremist mit 77 Jahren
       gestorben.
       
 (DIR) Kommentar Ungarn: Der Sieger heißt Orbán
       
       Ein Ende der Ära Orbán wurde schon mehrfach prognostiziert. Aber die Kritik
       aus Europa bewirkt in Ungarn vor allem eins: Einen Schulterschluss-Effekt.
       
 (DIR) Proteste in Ungarn: Machtdemonstration für Orbán
       
       Mindestens 100.000 Menschen gingen am Samstag in Budapest für die Regierung
       auf die Straße. Die Kundgebung richtet sich vor allem gegen die Kritik der
       EU.
       
 (DIR) Schauspieler über die neue Verfassung: "Ungarn leben in der Vergangenheit"
       
       Sein Land hat Probleme mit der Demokratie, aber ist noch lange keine
       Diktatur, sagt einer der Köpfe der Protestbewegung gegen die Regierung
       Viktor Orbán, János Kulka.
       
 (DIR) Großkundgebung in Ungarn: "Die Republik, die gibt es noch!"
       
       Über 100.000 Menschen demonstrieren in Budapest gegen die neue Verfassung
       und die Regierung des Premiers Viktor Orbán. Sie fürchten um den Kern der
       Demokratie.