# taz.de -- Rechtsstreit um Online-Musik: Musik-Recyceln verboten?
       
       > Warum darf man gebrauchte CDs verkaufen, digitale Musik aber nicht?
       > ReDigi bietet einen Marktplatz für Digitalmusik und wird verklagt. Auch
       > Google sieht sich bedroht.
       
 (IMG) Bild: Zu Zeiten der Musikkassette war das Tauschen, Überspielen und aus dem Radio aufnehmen noch leicht.
       
       Es gibt Rechtsstreitigkeiten, die wirklich niemanden überraschen. Der Fall
       ReDigi gehört dazu. Ende letzten Jahres hatte das Unternehmen [1][einen
       neuen Internet-Marktplatz] gestartet, auf dem Kunden digitale Musik
       verkaufen können.
       
       Das Prinzip ist einfach und – wenn man den Machern glauben kann – sogar
       genial: Wer ein Musikstück verkaufen will, lädt es mit dem "Media Manager"
       auf die Server von ReDigi hoch. Gleichzeitig wird die Datei vom Rechner des
       Verkäufers gelöscht. Er kann sich die Musik noch online anhören, bis sie
       einen Käufer gefunden hat – dann ist sie weg.
       
       79 Cent kostet ein Musikstück, das Unternehmen kassiert eine Provision. Für
       die Kunden gibt es zusätzlich eine große Einschränkung: Sie bekommen den
       Kaufpreis nicht ausbezahlt, sondern können ihre Einnahmen nur in neue Musik
       bei ReDigi investieren.
       
       Diese digitale Nachbildung eines Flohmarktes hat schon mächtige Gegner
       gefunden: Die Musikindustrie warnte ReDigi bereits kurz nach Gründung vor
       möglichen Rechtsstreitigkeiten. Kein Wunder: Beim Weiterverkauf von Musik
       geht sie leer aus. Jetzt hat der Musikkonzern EMI in Gestalt seines Labels
       Capitol Records eine einstweilige Verfügung beantragt, mit der ReDigi der
       Geschäftsbetrieb untersagt werden soll.
       
       ## Bei iTunes nicht verboten
       
       In der Klage ([2][PDF-Datei]) beschuldigt Capitol Records das junge
       Start-Up der systematischen Verletzung des Urheberrechts. So verböten
       Download-Shops wie Amazon.com das Weiterverkaufen digitaler Musik. Zudem
       gebe es keine Garantie, dass die verkauften Musikstücke tatsächlich legal
       erworben und beim Verkäufer gelöscht würden. ReDigi kontert, dass das
       Unternehmen die bei Amazon gekaufte Musik bisher nicht akzeptiere und
       stattdessen ganz auf die bei der Apple-Plattform iTunes gekaufte Musik
       konzentriere.
       
       Hier sei ein Weiterverkauf der Musik nicht verboten. Zudem suche der "Media
       Manager" sehr gründlich nach verbliebenen Kopien von Musikstücken. Selbst
       auf einem iPod, der mit dem Rechner des Verkäufers synchronisiert wird,
       werde die Musik gelöscht.
       
       Dass das Argument mit den Geschäftsbedingungen kaum ausreicht, war den
       Anwälten des Plattenlabels klar. Sie haben noch ein anderes gefunden.
       ReDigi transportiere nicht etwa die Musik vom Verkäufer auf seine Plattform
       und anschließend zum Käufer. Stattdessen sei jeder Schritt eine unerlaubte
       Kopie. "Während ReDigi seine Plattform als Äquivalent eines Ladens für
       gebrauchte Schallplatten anpreist, ist die Analogie nicht anwendbar:
       Plattengeschäfte machen keine Kopien der Scheiben um sie in ihre Regale zu
       stellen", heißt es in der Klageschrift.
       
       ## Kopien in der Cloud
       
       Eine so weitgehende Argumentation wäre jedoch nicht nur für ReDigi ein
       Problem, sondern auch für die Anbieter von [3][Cloud-Diensten], wie zum
       Beispiel Google, bei denen Nutzerdaten auf Servern im Internet gespeichert
       werden. Der konzerneigene Musikdienst Google Music macht nämlich genau das:
       Kopien der Musik auf der Platte der Kunden erstellen und sie auf
       Google-Server bereitstellen.
       
       Zwar hat auf diese Dateien niemand anderes Zugriff, und es werden auch
       keine Musikdateien an andere Nutzer verkauft – doch würde das New Yorker
       Gericht die Definition unerlaubter Kopien so weit fassen wie von der
       Musikindustrie gewünscht, könnten anschließend auch Google Music und
       zahlreiche ähnliche Dienste ebenfalls lahmgelegt werden.
       
       Um das zu verhindern, versucht Google nun in den Rechtsstreit einzugreifen.
       Mit einer eigenen Eingabe ([4][PDF-Datei]) versucht der Konzern, die
       Argumentation von Capitol Records zu zerpflücken. Denn einerseits wird der
       Handel auf ReDigi als unerlaubte Kopie gebrandmarkt, weil kein Musikträger
       den Besitzer wechselt. Auf der anderen Seite wirft der Kläger ReDigi
       unerlaubten Handel vor, obwohl keine CD oder Schallplatte den Besitzer
       wechselt. Nur eins von beiden könne Recht sein.
       
       3 Feb 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Online-Musikboerse-ReDigi/!82223/
 (DIR) [2] http://beckermanlegal.com/Lawyer_Copyright_Internet_Law/capitol_redigi_120106Complaint.pdf
 (DIR) [3] /Neues-Cloud-Laptop/!72546/
 (DIR) [4] http://beckermanlegal.com/Lawyer_Copyright_Internet_Law/capitol_redigi_120201GoogleLetterReAmicusBrief.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Torsten Kleinz
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Musik-Download
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) US-Gericht urteilt zu Online-Musik: MP3-Recycling wird verboten
       
       Das Startup Redigi wollte ein Markplatz für gebrauchte Musikdateien werden.
       Nun hat ein Gericht entschieden, dass es gebrauchte digitale Musik gar
       nicht geben kann.
       
 (DIR) Grundeinkommen für Musiker: Das kreative unternehmerische Selbst
       
       Mit dem Internet bieten sich im Musikbetrieb größere Möglichkeiten der
       Teilhabe. Aber es verschiebt sich auch das wirtschaftliche Risiko zulasten
       der Künstler.
       
 (DIR) Verkauf auf Ebay und Amazon gestoppt: Zu schmuddelig für Adidas
       
       Nicht fein genug: Der Sportartikel-Konzern will nicht, dass seine neuen
       Produkte auf Amazon und Ebay angeboten werden. Die sollen nicht neben
       gebrauchten Artikel stehen.
       
 (DIR) Gutachten zu gebrauchten Programmen: Software aus dem Second-Hand-Laden
       
       Eine deutsche Firma verkauft Lizenzschlüssel für Software, die vom
       ursprünglichen Käufer nicht mehr gebraucht wird. Nach Einschätzung des
       Europäischen Gerichtshofes ist das zulässig.
       
 (DIR) Umsatz nach 15 Jahren wieder gestiegen: Die Musikbranche wächst im Netz
       
       Das Geschäft mit Musik legt wieder zu, auch dank neuer Dienste im Internet.
       Doch die Branche klagt weiter über illegale Konkurrenz – und fordert
       deutlichere Signale aus der Politik.
       
 (DIR) Kommentar deutsche Rohstoffpolitik: Recyceln ist alternativlos
       
       Anstatt eine forcierte Rohstoffbesschaffungspolitik zu fahren, sollte noch
       mehr Kraft ins Recyclen gesteckt werden. Auch Deutschland kann sich darin
       noch deutlich verbessern.
       
 (DIR) Urteil gegen Google: Verzerrte Landkarten
       
       Google Maps macht es möglich: Ein französisches Gericht hat Google zu
       Strafzahlungen von mehr als einer halben Million Euro verurteilt.
       
 (DIR) Regionale Zensur bei Twitter und Google: Nächster Frühling ohne Twitter?
       
       Twitter verursacht heftige Proteste wegen der Ankündigung, Inhalte
       länderspezifisch sperren zu wollen. Google macht derweil recht lautlos
       genau das Gleiche.
       
 (DIR) Neue Datenschutzbedingungen bei Google: Der große Datenhaufen
       
       Google will wie Facebook werden: Für die Zentralisierung der Daten wirbt
       die Firma deshalb um das Einverständnis der Nutzer. Dagegen wehren können
       die sich nicht.
       
 (DIR) Allianz gegen Phishing gegründet: Netzkonzerne gegen Passwortklau
       
       Führende Netzkonzerne haben sich zusammengeschlossen, um besser
       Phishing-Mails herauszufiltern. Die Mails werden künftig auf Authentizität
       geprüft, bevor sie zum Nutzer gelangen.
       
 (DIR) Online-Musikbörse "ReDigi": Downloads in der Ramschkiste
       
       Wohin mit totgehörten Musik-Downloads? In den USA kann man sie jetzt auf
       "ReDigi" weiterverkaufen. Die Industrie ist erzürnt über den neuen Angriff
       der Filesharing-Apologeten.