# taz.de -- Energiewende im Praxistest: Atomkraft an die Wand geblasen
       
       > Engpass im Rekordwinter? Von wegen. Deutschland exportiert Strom, während
       > er im Atomland Frankreich wegen der vielen Elektroheizungen knapp wird.
       
 (IMG) Bild: Seit 6 Jahren ist das AKW Obrigheim stillgelegt, andere Meiler folgten. Frieren muss niemand.
       
       FREIBURG taz | Solche Tage galten immer als die Nagelprobe für die
       Energiewende: Es ist kalt, der Stromverbrauch ist hoch, und der Wind bläst
       kaum. Gleichwohl erweist sich das deutsche Stromnetz derzeit als stabil.
       "Keine Probleme", hieß es am Freitag übereinstimmend von der
       Bundesnetzagentur wie auch den Übertragungsnetzbetreibern. Und zum
       Wochenende, wenn die Nachfrage nach Strom spürbar abnimmt, entspannt sich
       die Situation in der Regel ohnehin.
       
       Weder über außergewöhnliche Netzengpässe noch über einen Mangel an
       Erzeugungskapazitäten konnte die deutsche Stromwirtschaft klagen. Im
       Gegenteil: Deutschland versorgte gar noch Nachbarländer mit. Selbst in den
       um diese Jahreszeit kritischsten Stunden von 8 bis 9 Uhr und von 18 bis 19
       Uhr exportierte Deutschland per saldo Strom. Am Freitagmorgen etwa betrug
       der Exportüberschuss 4.000 bis 5.000 Megawatt - das entspricht der Leistung
       von drei bis vier Atomkraftwerken.
       
       "Im Moment erleben wir eine Situation, die im Vorfeld immer als potenziell
       kritisch bezeichnet wurde", sagte eine Sprecherin des
       Übertragungsnetzbetreibers Tennet. Die gesamte Stromnachfrage in
       Deutschland war am Freitagmittag mit rund 70.000 Megawatt hoch, der Wind
       jedoch lieferte gleichzeitig weniger als 2.000 Megawatt.
       
       Und doch sei die Situation gut beherrschbar, hieß es bei Tennet, zumindest
       solange es keine größeren ungeplanten Kraftwerksausfälle gebe. Die von der
       Netzagentur im Zuge des Atomausstiegs festgelegten Reservekraftwerke habe
       man noch nicht aktivieren müssen.
       
       ## Entspannte Transport-Netze
       
       Ähnlich entspannt sieht auch die Transportnetze-Sparte der EnBW die
       gegenwärtige Netzsituation, die "im Rahmen der jahreszeitlichen
       Erwartungen" liege. Die Systemsicherheit sei "bisher zu jedem Zeitpunkt
       gewährleistet" gewesen und dies werde "auf Basis der vorliegenden Prognosen
       auch für die nächsten Tage erwartet".
       
       Auch die aktuellen Preise am Spotmarkt der deutschen Strombörse EEX deuten
       nicht auf eine außergewöhnliche Verknappung hin: In der teuersten Stunde am
       Freitag zwischen 18 und 19 Uhr kostete die Kilowattstunde im Großhandel
       11,1 Cent, im Tagesmittel lag der Strompreis bei 7,7 Cent. Im Vergleich zum
       Mittelwert der vergangenen Monate von rund 5 Cent sind die Preise zwar
       leicht erhöht, doch ungewöhnlich sind sie nicht; im November 2007 etwa
       wurden stundenweise Preise bis zu 82 Cent je Kilowattstunde verlangt.
       
       ## Steigende Nachfrage im Atomland
       
       Ausgerechnet im Atomland Frankreich ist der Strom im Moment deutlich
       knapper als in Deutschland. Für Strom zur Lieferung am Freitagabend mussten
       Händler am französischen Spotmarkt bis zu 15,1 Cent bezahlen. Und während
       Deutschland in den letzten Tagen Nettoexporteur war, importierte Frankreich
       per saldo sogar Strom. Das ist derzeit nötig, weil die Franzosen in großem
       Stil mit Strom heizen.
       
       So steigt mit jedem Grad, um das das Thermometer im Winter fällt, in
       Frankreich die Nachfrage um 2.300 Megawatt. In der Bretagne rief der
       Energieversorger EdF daher gestern die Bürger dazu auf, ihren
       Stromverbrauch zeitweise einzuschränken.
       
       In Deutschland erweist sich unterdessen der Solarstrom als wichtiger
       stabilisierender Faktor. "Die Fotovoltaik in Süddeutschland hilft uns
       gerade sehr", sagte ein Sprecher des Übertragungsnetzbetreibers Amprion.
       Ähnlich ist der Tenor bei Tennet. Denn die Fotovoltaik hat den Vorteil,
       dass ihre Einspeisung mit den Zeiten der Höchstlast im Netz zusammenfällt.
       In den letzten beiden Tagen trug die Sonne in den Mittagsstunden zwischen
       6.000 und 8.000 Megawatt zur Stromerzeugung bei - so viel, wie fünf bis
       sechs Atomkraftwerke leisten.
       
       3 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernward Janzing
       
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