# taz.de -- Kommentar Fluglärm: Kollektiv fürs gute Leben
       
       > Solange die Flugzeuge nur über den Arbeitergegenden flogen, gab es keine
       > Debatte. Erst als die Routen die Villenbesitzer am See betrafen, änderte
       > sich das.
       
       Da ziehen die ganzen Vorgartenbetroffenen, die Egodemonstranten und
       Jammeranwohner nun also alle gemeinsam auf, um im Schulterschluss gegen
       Fluglärm zu demonstrieren. Was sagt uns das? Dachten nicht viele, dass da
       nun wieder gerade jene meckern, die selbst gerne zum Billigurlaub ins
       Flugzeug steigen – und sich über die Konsequenzen beklagen, wenn es im
       Vorgarten zu laut wird? Je nachdem, wohin man schaut, kann man zu diesem
       Urteil kommen.
       
       Beispiel Berlin: Solange die Flugzeuge bislang mitten in der Hauptstadt nur
       über den Arbeitergegenden in den Landeanflug gingen, gab es darüber keine
       Debatte. Erst seit durch den neuen Flughafen außerhalb der Stadt die
       Villenbesitzer an den stillen Seen betroffen sind, erregen diese sich in
       Massen, weil der Immobilienwert sinkt.
       
       Es ist aber zu einfach, dieses spät erwachende Ungerechtigkeitsempfinden
       pauschal zu disqualifizieren. Mit dem richtigen Versuch, in bundesweiten
       Demonstrationen die Fluglärmdebatte nicht nur ein Nachbarschaftsanliegen
       sein zu lassen, eröffnen die Fluglärmgegner eine Debatte, die künftig auch
       in anderen gesellschaftlichen Konfliktfeldern noch ansteht. Sie heißt: Wie
       wollen wir leben?
       
       Die Utopie einer florierenden, wirtschaftsstarken Nachhaltigkeitsrepublik
       ist nur ein hübsches Märchen, dem es an Praxis fehlt. Große
       Infrastrukturprojekte – Stichwort Stromtrassen, Stichwort Windparks –
       sorgen schon heute für Verunsicherung und Protest an vielen Orten.
       
       Wer künftig in Offenbach, am Müggelsee und in Freising nachts besser
       schlafen will, kommt nicht umhin, von sich auf andere zu schließen. Dass
       die Flughafeninitiativen diesen Denkschritt ernst nehmen, ist daher
       vielversprechend. Denn das gute Leben ist keines, das durch
       Partikularinteressen geprägt sein sollte. Es ist eines, das im Kollektiv
       erstritten werden muss.
       
       4 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
       ## TAGS
       
 (DIR) tazlab 2012: „Das gute Leben“
 (DIR) tazlab 2012: „Das gute Leben“
 (DIR) Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
 (DIR) Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) US-Öko-Netzwerker sieht die Zukunft grün: "Runter vom Ölfass"
       
       Grüne Arbeitsplätze können die Welt verändern, meint Jerome Ringo. Der
       wichtigste US-amerikanische Ökologie-Netzwerker über amerikanische
       Nachhhaltigkeitspolitik.
       
 (DIR) Brüssel will Airlines entlasten: Fluglärm nach Belieben
       
       Die EU-Kommisssion hat neue, sehr flexible Lärmschutzrichtlinien vorgelegt.
       Die Gesundheit der Wirtschaft scheint dabei wichtiger zu sein, als die der
       Menschen.
       
 (DIR) Interview mit Sarah Wagenknecht: "Gutes Leben ist stressfreies Leben"
       
       Freiheit von sozialer Angst gehört zentral zu einem guten Leben, sagt Sahra
       Wagenknecht. Die Vizeparteichefin der Linken diskutiert auf dem tazlab über
       das Thema.
       
 (DIR) Bürger wollen mehr mitbestimmen: Neue Mitspracheoffensive
       
       Bürger wollen bei Großprojekten mehr als ein Wörtchen mitreden. Ein
       Kongress will am Dienstag erste Impulse für mehr Bürgerbeteiligung setzen.
       
 (DIR) Proteste gegen Fluglärm bei Frankfurt: "Diese Stadt verlässt man nicht"
       
       Über Flörsheim donnern bis zu 700 Flugzeuge täglich. Vor 30 Jahren
       verkaufte die Stadt den Wald für den Bau der Startbahn West. Heute ist sie
       die Hochburg des Protests.
       
 (DIR) Umweltbelastung durch Lautstärke: Lärm lockt stille Krankheiten
       
       Mehr Autos, mehr Flugzeuge, mehr Krach: Verkehrslärm schadet der
       Gesundheit. Wichtig ist nicht nur die Lautstärke, sondern auch, wer den
       Lärm verursacht.
       
 (DIR) FLUGROUTEN: Retten, was zu retten ist
       
       Die Fluglärmkommission in Schönefeld will kleinteilige Verbesserungen für
       Anrainer suchen. An den großen Linien kann sie nichts mehr ändern.
       
 (DIR) Neue Landebahn am Frankfurter Flughafen: Rebellion des Speckgürtels
       
       Im Rhein-Main-Gebiet wächst der Bürgerprotest gegen Fluglärm. Der hessische
       Ministerpräsident Bouffier sitzt deswegen in der Klemme.