# taz.de -- Schaar über EU-Richtlinie zum Datenschutz: "Das gehört nachgebessert"
       
       > Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, betrachtet die
       > geplante EU-Richtlinie zum Datenschutz bei der Polizei mit Skepsis. Er
       > sieht deutsche Standards gefährdet.
       
 (IMG) Bild: Werden gute deutsche Standards entsorgt?
       
       taz: Herr Schaar, Ende Januar hat die EU-Kommission zwei Entwürfe zum
       Datenschutz vorgestellt: die Grundverordnung zum Datenschutz in Wirtschaft
       und Verwaltung und die Richtlinie zum Datenschutz bei der Polizei - welche
       ist wichtiger? 
       
       Peter Schaar: Beide sind gleich wichtig. Ich wundere mich aber, dass die
       Richtlinie für den Polizei- und Justizbereich bisher öffentlich kaum
       diskutiert wird. Dabei geht es hier doch um die klassische Konstellation,
       dass der Staat in Grundrechte der Bürger eingreift.
       
       Wo sind größere Probleme? 
       
       Bei der Grundverordnung hat sich Kommissarin Viviane Reding spürbar um ein
       hohes Datenschutzniveau bemüht. Das kann ich von der Polizeirichtlinie
       leider nicht sagen. In diesem Entwurf sehe ich eindeutig größere Gefahren.
       Hier könnten deutsche Grundrechtsstandards auf ein niedrigeres EU-Niveau
       abgeschliffen werden.
       
       Was regelt die Richtlinie zum Polizei-Datenschutz denn? 
       
       Im Kern stellt sie Grundsätze auf, wie die Polizei mit Daten der Bürger
       umzugehen hat. Die Daten sollen zweckgebunden erhoben und verarbeitet
       werden. Die Polizei soll nicht unverhältnismäßig viele Daten speichern.
       Unzutreffende Daten müssen unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden.
       Nicht mehr benötigte Daten sind zu löschen oder zu anonymisieren.
       
       Klingt doch ganz normal. Was spricht denn dagegen? 
       
       Das Bundesverfassungsgericht hat im Datenschutz in vielen Urteilen hohe
       Maßstäbe gesetzt. Präventive Rasterfahndungen sind nur bei konkreter Gefahr
       möglich. Die heimliche Ausspähung eines Computers per Onlinedurchsuchung
       ist nur zum Schutz von Leib, Leben, Freiheit oder Staat zulässig. Ich
       könnte noch mehr aufzählen.
       
       Die Richtlinie regelt doch aber gar nicht die Erhebung von Daten, sondern
       nur die Verarbeitung vorhandener Daten … 
       
       Das stimmt. Karlsruhe hat aber auch hier hohe Standards gesetzt. Nehmen Sie
       nur die Rechtsprechung zum "Kernbereich privater Lebensgestaltung". Die
       beschränkt auch die Speicherung und Verarbeitung von Daten. Wenn bei einer
       Telefonüberwachung Gespräche über Sex und Liebe aufgezeichnet wurden, sind
       diese sofort zu löschen. Derartige Regeln fehlen im Entwurf der
       EU-Kommission.
       
       Soweit es um Strafverfahren geht, wird pauschal auf das nationale
       Strafprozessrecht verwiesen. Genügt das nicht? 
       
       Nein. Die Polizei ist ja nicht nur für die Strafverfolgung zuständig,
       sondern auch für die Gefahrenabwehr. Hier fehlt ein Verweis auf das
       nationale Polizeirecht: Das muss nachgebessert werden. Im Kern geht es aber
       um mehr. Denn eigentlich wollte die Kommission ja nicht nur auf nationale
       Regelungen verweisen, sondern ein einheitliches EU-Datenschutzrecht
       schaffen.
       
       Woher wissen Sie das? 
       
       In den Erwägungsgründen der Richtlinie ist von "harmonisierten
       Vorschriften" die Rede und davon, dass "jeder in der Union auf der
       Grundlage unionsweit durchsetzbarer Rechte das gleiche Maß an Schutz
       genießt". Ich bin aber gegen "das gleiche Maß an Schutz", wenn es zur
       Absenkung deutscher Datenschutzstandards führt.
       
       Was schlagen Sie vor? 
       
       Die EU-Richtlinie für den Polizeidatenschutz sollte sich auf
       Mindeststandards beschränken, die jedes Land durch höhere Standards
       übertreffen kann.
       
       Gilt das auch für die Grundverordnung zum Datenschutz in Wirtschaft und
       Verwaltung? 
       
       Nein, wenn es um die Regulierung von Unternehmen wie Facebook und Google
       geht, die europaweit Geschäfte machen, ist ein einheitlicher Standard mehr
       als sinnvoll. Die Polizei ist aber eine nationale Einrichtung. Da schadet
       es nichts, wenn - auf einem europäischen Mindeststandard basierend - in den
       EU-Staaten verschiedene Datenschutzregelungen gelten.
       
       Und deshalb für den Wirtschaftsdatenschutz eine Verordnung und für den
       Polizeidatenschutz nur eine Richtlinie? 
       
       Im Ansatz ist das richtig. Aber auch eine Verordnung kann den
       EU-Mitgliedsstaaten noch viel Spielraum lassen. Und eine Richtlinie kann
       alles vorgeben, auch wenn sie noch in nationales Recht umgesetzt werden
       muss.
       
       Der deutsche Verfassungsrichter Johannes Masing hat davor gewarnt, dass die
       geplante EU-Verordnung die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
       aushebele... 
       
       Es hat mich gewundert, dass er sich so auf die Form der Verordnung fixiert.
       Für die Karlsruher Rechtsprechung ist die Richtlinie viel gefährlicher,
       auch wenn es nur eine Richtlinie ist. Auch mit Blick auf die Prüf- und
       Entscheidungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts sollte es darauf
       ankommen, dass die EU im Polizeidatenschutz nur Mindeststandards setzt.
       Denn nur soweit Deutschland über EU-Standards hinausgeht, ist Karlsruhe für
       die Kontrolle zuständig.
       
       23 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
       
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