# taz.de -- Klarsfeld empfindet Nominierung als Ehre: „Ich bin eine gute Deutsche“
       
       > Beate Klarsfeld fühlt sich von der Linken nicht instrumentalisiert. Sie
       > will als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt gelten, die viel für die
       > Aufarbeitung der Geschichte getan hat.
       
 (IMG) Bild: Kandidatin der Taten: Beate Klarsfeld
       
       taz: Frau Klarsfeld, Sie leben seit 52 Jahren in Frankreich. Warum wollen
       Sie deutsche Bundespräsidentin werden? 
       
       Beate Klarsfeld: Weil ich vorgeschlagen worden bin.
       
       Verbindet Sie wirklich viel mit der Linkspartei? 
       
       Nun, wir haben vieles gemeinsam. Die Linke ist ja eine antifaschistische
       Partei, die sich sehr mit der Erinnerung an die Opfer des
       Nationalsozialismus beschäftigt, und wir sind gemeinsam für das Verbot der
       NPD. Wir haben schon mehrfach zusammengearbeitet, das erste Mal 2006 im
       Zusammenhang mit der Ausstellung zu den Sonderzügen in den Tod.
       
       Warum soll man Sie und nicht Joachim Gauck wählen? 
       
       Weil ich das Bild von Deutschland nach dem Holocaust im Ausland, vor allem
       in Israel, Frankreich und den USA verbessert habe. Der israelische
       Ministerpräsident Menachem Begin hat mir damals gesagt: „Sie sind die erste
       Deutsche, der ich die Hand gebe.“ Ich bin von Mitterand und Sarkozy
       ausgezeichnet worden. Das ist einzigartig – eine Deutsche, die ohne eine
       Partei oder Organsiation im Rücken so viel für Deutschland geleistet hat.
       
       Sind Sie wütend oder bitter, dass die Bundesrepublik Ihnen dafür jede
       offizielle Anerkennung verweigert? 
       
       Als ich Kiesinger die Ohrfeige gab, hat Serge gesagt: Du hast etwa wirklich
       Wichtiges getan. Aber die Anerkennung dafür wird lange auf sich warten
       lassen.
       
       Und jetzt fordern Sie diese Anerkennung mit Ihrer Kandidatur ein? 
       
       Nein, das ist nicht meine Absicht. Ich empfinde es aber als Ehre, dass Die
       Linke mich nominiert hat. 
       
       Manche sagen: Die Linkspartei instrumentalisiert Sie. Die Kandidatur ist
       nur ein PR-Gag. 
       
       Ach, ja, Sie meinen den hässlichen Artikel von Henryk Broder. Nein, ich
       brauche keinen PR-Gag. Ich werde auch nicht instrumentalisiert. Es war
       meine freie Entscheidung. Man hat mir schon so viel vorgeworfen. Ich habe
       immer versucht, eine moralische Rolle zu spielen. Ich war gerade im einem
       Café Einstein, da kam zufällig der Chef des BND, Herr Schindler, herein. Er
       weigerte sich, mir die Hand zu geben. Der BND hat Nazitäter wie Adolf
       Eichmann, Klaus Barbie und Walter Rauff in den 1960er Jahren als Agenten
       beschäftigt. Ich habe die Nazis gejagt und der BND hat sie bezahlt. Da
       erwartet man doch ein bisschen Anerkennung.
       
       Empfinden Sie sich als Einzelkämpferin? 
       
       Wir haben uns immer als Ehepaar Klarsfeld verstanden. Eigentlich fing es am
       Tag unserer Trauung auf dem Standesamt an. Der Bürgermeister sagte: Sie
       sind eine Deutsche, Serge ein Franzose, aus dieser Ehe müssen Sie etwas
       Besonderes machen. Das war wie eine Vorbereitung auf das, was kam. Ich
       hätte allein, ohne meinen Mann, nie etwas machen können, und mein Mann
       hätte sich ohne mich sicher auch nie so engagiert.
       
       Sind Sie eine Heldin? 
       
       Ich würde sagen, ich bin eine engagierte Deutsche gewesen, und ich bin
       stolz, dass ich als Deutsche so viel erreichen konnte. Eine Heldin? Gut,
       ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt, unser Auto ist in die Luft
       gesprengt worden, wir haben eine Paketbombe bekommen, ich war in
       Lebensgefahr. Man kann sagen, dass ich eine Frau der Tat bin und Herr Gauck
       ein Mann der Worte. Na ja, vielleicht kann man sagen, ich bin eine Heldin.
       
       Gab es ein Schlüsselerlebnis, eine Art Initialzündung für Ihr Engagement
       gegen Nazis? 
       
       Mein Mann Serge ist Historiker. Sein Vater ist in Auschwitz ums Leben
       gekommen. Und es war Serge, der 1966, als Kiesinger Bundeskanzler wurde,
       sagte: Beate, wir haben nichts zu verlieren. Du bist Deutsche, du lebst in
       Paris, du kannst das nicht einfach so geschehen lassen.
       
       Also hat Ihr Mann den Impuls für die Ohrfeige gegeben? 
       
       Er hat immer wieder auf die historisch-moralische Verpflichtung
       hingewiesen, die ich habe. Und er hat mich gegenüber kritischen Freunden
       auch immer verteidigt. Und gesagt, dass es auch Hans und Sophie Scholl gab,
       an deren Taten man anknüpfen muss.
       
       Wie wichtig war die Unterstützung aus der DDR bei der Kiesinger-Recherche? 
       
       Die DDR half uns als Erste dabei, an Informationen über Kiesingers
       NS-Vergangenheit zu kommen. Wir brauchten diese Informationen aus der DDR,
       westdeutsche Zeitungen schrieben darüber sehr wenig.
       
       Hatten Sie keine Sorge, dass die Stasi Sie instrumentalisiert? 
       
       Nun, die Akten lagerten eben in Potsdam. Es war schon klar, warum die DDR,
       die ja auch das Braunbuch veröffentlicht hatte, jemanden unterstützte, der
       gegen Kiesinger, den Bundeskanzler der BRD, war. Aber mit dieser
       Unterstützung war es vorbei, als ich in Prag gegen die Stalinisierung und
       den Antisemitismus kämpfte. Da wurden uns die Türen zur DDR auch
       verschlossen.Wir waren immer unabhängig. Wir sind nie von einer Partei
       vereinnahmt worden. Das ist unsere Stärke. Auch wenn ich mal ganz kurz der
       SPD als Auslandsmitglied angehörte.
       
       Sie waren mal SPD-Mitglied? 
       
       Nein, die wollten dann auf Distanz gehen.
       
       Die SPD wollte Sie nicht als Mitglied? 
       
       In einer TV-Sendung, die Luc Jochimsen über uns machte, wollte Willy Brandt
       nichts über uns sagen, weil er Rücksichten zu nehmen hatte. Die Beziehungen
       zur SPD sind irgendwie abgebrochen. Ich bin ja auch nie von einer der
       großen Parteien ausgezeichnet worden. Na ja, am Mittwoch rief Herr Gabriel
       an, um mich zu begrüßen. Ich habe ihn gefragt, ob ich nicht ein paar
       Stimmen von der SPD bekommen könnte. Aber er sagte, er müsse seine Stimmen
       zusammenhalten.
       
       Über was würden Sie als Präsidentin als Erstes reden? 
       
       Sie wissen, auch als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten sollte
       man sich nicht in die Tagespolitik einmischen. Ich würde mich aber für die
       deutsch-französischen Beziehungen starkmachen und versuchen, die EU, die
       sich gerade in der Krise befindet, als moralische Institution zu verankern.
       Ich bin in Berlin groß geworden, ich weiß, was Krieg bedeutet. Dass Europa
       friedlich zusammenlebt, ist ein Geschenk. Ich sehe eine große Gefahr. Das
       aktuelle Beispiel ist Griechenland. Dieses Land wurde von der EU
       gedemütigt.
       
       Israel ist ein Fixpunkt Ihres Denkens. Muss die EU mehr Druck auf Israel
       machen, den Siedlungsbau zu stoppen? 
       
       Ich bin für Friedensverhandlungen und eine Zweistaatenlösung. Aber zuerst
       muss die Hamas die Existenz des Staates Israel anerkennen.
       
       Nicht mehr Druck auf Israel? 
       
       Das ist schwer zu sagen.
       
       Halten Sie einen israelischen Präventivschlag gegen iranische Atomanlagen
       für legitim? 
       
       Ich kann nicht beurteilen, wie weit der Iran mit dem Atomprogramm ist. Aber
       dass Israel vor Iran Angst hat, dessen Präsident den Holocaust leugnet,
       Israel auslöschen will, ist doch völlig verständlich.
       
       Das klingt vage. Wie passt das zum klaren Nein der Linkspartei zu Angriffen
       auf den Iran? 
       
       Ich sagte Ihnen, wir sind uns einig, dass es eine Zweistaatenlösung gibt.
       
       Ihr Verhältnis zu Israel klingt eher nach CDU als nach Linkspartei. 
       
       Es klingt nach Beate Klarsfeld, die eine gute Deutsche ist.
       
       Warum unterstützen Sie in Frankreich den konservativen Präsidenten Nicolas
       Sarkozy – und nicht seinen sozialistischen Herausforderer François
       Hollande? 
       
       Also, wir, Serge und ich, mischen uns nicht in die französische
       Innenpolitik und auch nicht in den Wahlkampf ein.
       
       Aber Sie unterstützen Sarkozy? 
       
       Unsere Gruppe „Association des fils et filles des déportés juifs de France“
       unterstützt immer den Kandidaten, der besonders gute Beziehungen zu Israel
       und den USA hat.
       
       Und die hat Sarkozy eher als Hollande? 
       
       Ich führe hier keinen französischen Wahlkampf. Sondern einen deutschen.
       
       Die Linkspartei fordert den Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan.
       D’accord? 
       
       Ach, das ist kein Thema für die Wahl des Bundespräsidenten.
       
       Wie steht es mit Hartz IV und der Reichensteuer – François Hollande fordert
       ja einen Spitzensteuersatz von 75 Prozent? 
       
       Ich denke, dass es schwierig wird, so eine Steuer nur in Frankreich
       einzuführen. Da braucht man eine verbindliche europäische Lösung, damit die
       Reichen nicht ins Nachbarland abwandern. Die Wirtschaftskrise zwingt zu
       mehr Kooperation. Europa liegt mir sehr am Herzen.
       
       Frau Klarsfeld, was wünschen Sie sich für ein Bild von Ihnen hierzulande? 
       
       Eine gute Deutsche, die viel für die Aufarbeitung von Geschichte getan hat.
       
       1 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) I. Pohl
 (DIR) S. Reinecke
       
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