# taz.de -- „Prominenz-Journalisten“ und Syrien: „Verblendung gepaart mit Eitelkeit“
       
       > Jürgen Todenhöfer und Peter Scholl-Latour schreiben freundlich über
       > Syriens Herrscher Assad und geben sich als Aufklärer. Rafik Schami macht
       > das wütend. Ein Selbstgespräch.
       
 (IMG) Bild: Anti-Assad-Demo in Amman, Jordanien.
       
       Seit Ausbruch des syrischen Aufstands am 15. 3. 2011 komme ich nicht zur
       Ruhe. Über 90 lange und unzählige Kurzinterviews habe ich bis Ende Februar
       2012 gegeben. Die meisten davon schriftlich. Ich komme mir inzwischen wie
       ein fester Mitarbeiter der deutschsprachigen Medien vor.
       
       Die Interviews streiften das gesamte Spektrum der arabischen Geschichte,
       Religionsgemeinschaften, Literatur, Politik, Revolution, Islamisten,
       Gegenwart und Zukunft. Die arabischen Aufstände und speziell die syrische
       Revolution haben vieles auf den Kopf gestellt. Es gab Tage, an denen
       sprachen Analphabeten mitten aus einer Demonstration Weisheiten, die kein
       syrischer Intellektueller besser hätte formulieren können. Kinder wurden
       gefoltert und Frauen führten mutiger als Löwinnen Demonstration an – und
       behielten dabei ihre Kopftücher auf! Syrische Christen riefen im Kugelhagel
       „Allahu Akbar“.
       
       Aber mit der Zeit drängen sich immer mehr Fragen auf, deren Beantwortung
       Ruhe und eine Betrachtung von mehreren Seiten verlangen. Es geht um die
       Rolle arabischer Intellektueller vor und nun während der Revolution. Was
       kommt nach der Revolution? Müssen die Islamisten erst siegen, um dann zu
       verschwinden? Was ist mit den Palästinensern, von denen viele an die Regime
       der Assads glaubten, obwohl sie von diesen immer wieder auch gedemütigt und
       bekämpft wurden? Und: Wie und was soll Europa von der arabischen Revolution
       lernen?
       
       Die Nacht sammelte meine Splitter zusammen. Da ich nur wenig Schlaf
       brauche, nahm ich die Zeit nach Mitternacht, um einige dieser Fragen in
       Ruhe für mich zu beantworten. Es wurden mehrere Nächte. Meine Recherche
       erfolgt zum größten Teil über das Internet. Für Neugierige habe ich die
       Artikel, die ich für dieses Selbstgespräch gelesen habe, angegeben.
       
       Ich frage mich, was hat dich dazu veranlasst, den Begriff
       „Prominenz-Journalismus“ einzuführen. Was ist das genau? Und warum
       beschäftigt dich das so? 
       
       Ich glaube, dass wir in den letzten zehn Jahren eine Art Recycling von
       abseits geratenen Prominenten erleben. Wir sehen sie in Fernsehshows und
       immer wieder als angebliche Experten. Ihre Eitelkeit macht sie käuflich.
       Sie schreiben oft schlecht und sind oft unglaubwürdig, aber sie können
       durch die bewährten Seilschaften an die großen Medien herankommen.
       
       Autoren wie Jürgen Todenhöfer oder Peter Scholl-Latour finden den Absatz
       ihrer bedenklichen Sympathien für Mörder wie Assad nicht etwa auf den
       Seiten der Bild-Zeitung. Sie sitzen bei ARD, FAZ, FAS und Die Zeit in der
       ersten Reihe. Und sind sie einmal da, werden sie von hunderten kleineren
       Medien zitiert. Man kann darüber den Kopf schütteln, aber das ist zu wenig.
       Ihre Beiträge sind kaum zu ertragen.
       
       Was ist es, das diesen Prominenz-Journalismus so überzeugend wirken lässt,
       so dass ihm auch angesehene Presseorgane ganzseitige Veröffentlichungen
       einräumen? 
       
       Prominenz-Journalisten verfügen offensichtlich über wundersame
       Eigenschaften.
       
       Erstens sind sie als Politiker oder ehemalige Journalisten geübt darin, so
       sensationell wie die Boulevardpresse zu schreiben. Oder etwa in einem
       kurzen Film von 30 Minuten zehn mal hin und her zu fliegen. Von Frankfurt
       nach Kairo, nach Tripoli, Bengasi oder Damaskus. Und in jedem Bericht so zu
       tun, als seien sie gerade noch der Verhaftung entkommen. Wie in B-Filmen
       oder Groschenromanen sind sie zwar ohnmächtig gegenüber bewaffneten
       Soldaten, aber natürlich sind sie klüger als diese. Sie lächeln sie an und
       entwaffnen sie.
       
       Das allein lässt viele Presseorgane der Bundesrepublik vor ihnen
       einknicken, da sie selber kaum noch Reporter vor Ort haben. Es kommt einer
       Erpressung gleich. Todenhöfer und Scholl-Latour wiederholen das in jedem
       Artikel und Gespräch: Ich war ja da, ihr nicht. Als ob die bloße
       Anwesenheit ein Qualitätsmerkmal wäre, aber der erpresserische Moment
       wirkt.
       
       Zweitens unterhalten diese alten Herren in der Tat langjährige Beziehungen
       zu Diktaturen, die sie nun aktivieren. Und plötzlich trinken sie Tee mit
       Assad. Das beeindruckt bedauerlicherweise viele Redaktionen.
       
       Und was ist daran so schlimm, dass sie als Prominente aufklären wollen? 
       
       Gar nichts. Aufklärung ist immer gut. Aber wenn der Prominenz-Faktor zur
       Blendung führt und zur Akzeptanz einer von Fehlern, Rassismus und
       Falschheit getränkten Berichterstattung, so ist das nicht akzeptabel.
       Verblendung gepaart mit Eitelkeit ist gefährlich. Verblendung nicht nur
       gegenüber einer Diktatur, sondern auch gegenüber deren Gegnern.
       
       Ein erwachsener Mensch muss sich doch die simple Frage stellen: Warum
       werden alle Journalisten aus Syrien verjagt, und warum bekomme ich die
       Erlaubnis, mit Kamera und Mikrofon von Damaskus loszufahren, werde an den
       Kontrollpunkten durchgelassen, um in die Hochburg des Aufstands zu
       gelangen? Und wenn der Prominenz-Journalist sich nicht einmal fragt, warum
       Daraa, die Wiege der Revolution, auf einmal so ruhig ist, sondern nur
       begeistert [1][von den günstigen Kirschen schwärmt], dann ist man
       verblendet.
       
       „Nirgendwo sehen wir uniformierte Polizei, nur zwei Soldaten beim Kaufen
       von Aprikosen. Ich sehe kleine knackige Kirschen. Kirschen aus Daraa sind
       eine syrische Köstlichkeit. Ich kaufe ein Kilo für 25 syrische Lira, das
       sind 35 Cent,“ so Todenhöfer. Und dann geht es weiter, in
       Humphrey-Bogart-Stil: „Der Anführer der Geheimpolizisten, ein übermüdeter,
       älterer Mann mit kurzen grauen Haaren, schaut mir nachdenklich in die
       Augen. Ich schaue ihm genauso nachdenklich in die Augen.“
       
       Damals, im Juni 2011 waren bereits Tausende umgebracht und Zehntausende
       Menschen entführt, verschleppt und verhaftet worden. Das ist Verblendung
       total. Was mich bei Todenhöfer bis zur Empörung erstaunt. Er setzt das elf
       Monate nach dem Ausbruch des Aufstands in der Frankfurter Allgemeinen
       Sonntagszeitung, FAS, vom 19. 2. 2012 fort: „In manchen Stadtteilen von
       Homs, das ich zweimal besucht habe, hängen noch immer große Poster mit
       Assads Bild. Im größten Teil von Homs (es mögen 70 Prozent sein) geht das
       Leben seinen normalen Gang.“
       
       Der Prominenz-Journalist hat noch nicht begriffen, in welchem Theater er
       seine naive Rolle bekommen hat. Ob Scholl-Latour oder Todenhöfer, sie
       singen unbeeindruckt von der Wirklichkeit eine Lobeshymne auf den weisen
       Baschar al-Assad.
       
       Für sie ist Baschar al-Assad außerhalb der Gesellschaft. Ein Eremit auf
       einem fernen Berg, von dem sie die Erlösung erhoffen.
       
       [2][Todenhöfer im Januar 2012 über Assad]: „Er ist Arzt, und so wirkt er
       auch – nicht wie ein arabischer Potentat. Er ist ein Mann, der Sie an der
       Tür abholt, ohne Security. Der nicht trickreich argumentiert. Er hat mir
       gesagt, Demokratie sei für Syrien ’zwingend‘, er werde das Land in die
       Demokratie führen.“
       
       Scholl-Latour: „[3][Er wirkte selbstbewusst, heiter und entspannt]“,
       „[4][Assad wirkte sehr locker]“. Nun beeilte sich Todenhöfer, auch mit
       Assad Tee zu trinken, um uns am 19. 2. 2012 (FAS) nach 8.000 Toten, 50.000
       Verschleppten und einer fast zerstörten Stadt Homs mitzuteilen: „Wenn der
       im Westen ausgebildete Assad derselben Meinung ist, muss er sich an die
       Spitze der Demokratiebewegung stellen“, und Todenhöfer ist geschickt. Er
       findet angeblich einen so verblödeten Marxisten, der angeblich 14 Jahre im
       Assads Kerker saß, um zu der erleuchteten Schlussfolgerung zu kommen: der
       Einzige, der Demokratie auf friedlichem Wege bringen könne, sei Assad.
       
       In Wirklichkeit ist Assad der Befehlshaber der Armee und oberste Herr der
       15 Geheimdienste und der mafiösen Vetternwirtschaft in Syrien. Aber die
       Lernresistenz bei Todenhöfer & Co kennt keine Grenzen. Hat sich ein solcher
       Journalist nicht gefragt, welche Leute das Land seit vierzig Jahren
       beherrschen und ausbluten lassen? Wie wurden Verwandte des Präsidenten zu
       Multimillionären, so wie sein Bruder Maher und sein Onkel Rifaat al-Assad,
       oder gar zu Milliardären wie sein Cousin Rami Makhlouf? Wie konnte Baschar
       al-Assad die Republik vom Vater einfach erben? Was machen die 15
       Geheimdienste? Was hat Assad jun. in den letzten zehn Jahren daran
       gehindert, das Land zu reformieren? Was mich noch mehr erstaunt: Gab es
       keinen Redakteur in FAZ, FAS, Die Welt oder FR, der ihm sagte, den Schmarrn
       haben Sie bereits vor sechs Monaten in der Zeit behauptet – die
       Wirklichkeit sieht aber nun mal anders aus?
       
       Ich frage mich aber auch: Wie erklärt man sich die Sympathie, die solche
       Prominenz-Journalisten ebenfalls unter Linken und manch kritischer Zeitung
       wie Der Freitag erhält? 
       
       Die Linkspartei-Abgeordneten Diether Dehm, Annette Groth, Heike Hänsel,
       Ulla Jelpke, Eva Bulling-Schröter und deren außenpolitische Sprecherin
       Sevim Dagdelen vertreten ähnliche Haltungen wie die Prominenz-Journalisten
       Todenhöfer und Scholl-Latour. Auf einmal stehen sich Extremlinke und
       reaktionäre alte Herren so nahe. Das erstaunt, aber es ist nicht neu.
       
       Ich habe als Student in Heidelberg in den 1970er Jahren erlebt, wie
       Anhänger einer linksradikalen Studentengruppe gegen uns und unsere
       chilenischen Freunde, aber für Pinochet, Sadat und Assad auftraten. Damals
       war Todenhöfer CDU-Bundestagsabgeordneter und wie CSU-Chef Franz Josef
       Strauß ein bekennender Freund des chilenischen Diktators Pinochet. Heute
       lügt Todenhöfer, wenn er sich als einstigen Kritiker des Mörders Pinochet
       darstellt. Sein Pech ist, dass [5][seine Freundschaft dokumentiert ist].
       Einige Linkspartei-Abgeordnete verschließen heute die Augen vor den über
       7.000 ermordeten und 50.000 gefangenen Menschen seit dem Beginn des
       Protests. Sie wollen Assad bis zum letzten Syrer verteidigen.
       
       Ich frage mich, ob die Haltung dieser Linksparteiabgeordneten etwas mit der
       Russlands zu tun hat, so dass sie parallel und nur scheinbar identisch mit
       dem launischen, oberflächlichen Prominenz-Journalismus erscheint, in
       Wirklichkeit aber Teil einer globalen Politik ist. 
       
       Es ist nicht einfach scheinbar und zugleich nicht ganz identisch. Es ist
       eine merkwürdige Konstellation der Freunde des Assad-Regimes. Todenhöfer
       findet die Russen auf einmal sehr klug und die Linkspartei vertritt in
       Teilen, wie die DKP und SED früher, die Meinung der Russen. Die russischen
       Machthaber aber sind keine Vermittler, sondern stehen eindeutig auf der
       Seite des Diktators. Sie liefern ihm Waffen, Militär- und
       Geheimdienst-Experten zur Bekämpfung des syrischen Volkes. Russland ist
       Partei in dem Konflikt, es folgt seinen historisch gewachsenen
       geopolitischen Interessen.
       
       Die Russen haben seit der Zarenzeit von Warmwasserhäfen geträumt. Ihre
       Politik stand nicht selten unter diesem Drang. Persien, Indien, der frühere
       Südjemen, Syrien, Ägypten, Libanon oder die Türkei wurden gezielt
       angegangen. Die imperiale russische Politik scheiterte aber auf der ganzen
       Linie. Heute haben sie nur noch in Syrien offene Häfen am Mittelmeer und
       ihren letzten Stützpunkt. Die arabischen Diktatoren haben in den 1960 und
       1970er Jahren Milliarden-Waffengeschäfte mit der früheren Sowjetunion
       getätigt. Dafür verrieten die Sowjets auch die arabischen Kommunisten an
       die jeweiligen Machthaber.
       
       Es war makaber, russische Kommunisten in Eintracht und inniger Freundschaft
       (inklusive Küsschen) mit ägyptischen, syrischen, irakischen oder
       algerischen Diktatoren zu sehen, während arabische Kommunisten in den
       Kellern der jeweiligen Geheimdienste und in Folterlagern in der Wüste
       starben. Ostdeutsche Spezialisten sowie KGB-Experten bauten den syrischen
       Geheimdienst mit auf. Und die arabischen Stalinisten kramten nach Zitaten
       von Lenin oder Stalin, die diesen Verrat unter „Unabhängigkeit der
       kommunistischen Bewegung und der sozialistischen Länder in ihrem
       politischen Handeln“ rechtfertigen sollten.
       
       Für die Kommunisten in den arabischen Ländern war das der größte Schock
       ihrer Geschichte. Die Rechtfertigung aber wirkte so vertikal in die Seelen
       der Stalinisten, dass heute zwei winzige K-Parteien (mit jeweils ein paar
       hundert Anhängern) Assad in Syrien unterstützen. Putin, der heutige
       russische Machthaber und ehemalige KGB-Offizier, handelt in diesem Sinne in
       der Tradition seiner Vorfahren.
       
       Die Russen werden bei einer Befreiung Syriens die großen Verlierer sein.
       Deshalb klammern sie sich an Assad. Hier könnten die alten Abhängigkeiten
       die heutigen Ideologien von manch Linken mit beeinflusst haben.
       
       Ich rätsle auch darüber, warum Prominenz-Journalisten behaupten, die Syrer
       hätten ihren Aufstand bislang nicht so zäh führen können, wenn nicht
       ausländische Kräfte und geheime Mächte dabei ihre Finger im Spiel hätten. 
       
       Zunächst einmal ist es purer Rassismus, wenn einer nicht einmal ein
       arabisches Wort spricht, aber Analysen über die arabischen Aufständischen
       im Untergrund anstellt. Es erinnert an Marco Polo, der auch kein Wort
       Arabisch oder Persisch sprach und die bis heute hartnäckig sich haltende
       Lüge über die Haschaschin (Assassinen) verbreitet hat. Solche Behauptungen
       implizieren, dass die Araber unfähig seien zwischen Freiheit und Sklaverei
       zu unterscheiden, dass sie wie Marionetten aus dem Ausland bewegt würden.
       
       Todenhöfer: „Insgesamt funktioniert die Lawrence-von-Arabien-Strategie
       jedoch vorzüglich. Viele Araber erkennen nicht, dass der Westen sie noch
       nie befreien, sondern immer nur beherrschen wollte.“ (FAS, 19. 2. 2012).
       Das ist nicht einmal originell, die Einschätzungen des
       Prominenz-Journalisten bewegen sich auf dem Niveau des syrischen
       Propagandaministeriums. Das Assad-Regime behauptete von Anfang an, der
       Aufstand würde von außen gesteuert. So etwas Herrliches wie diese
       Revolution hat die Diktatur vom unterjochten Volk nicht erwartet. Der
       Herrscher ist geschockt. Seit vierzig Jahren führt sein Clan das Land wie
       eine Farm mit Leibeigenen und Sklaven und ausgerechnet diese sollen nun in
       der Lage sein, so raffiniert organisierte Demonstrationen täglich und
       gleichzeitig und mit derselben Parole (jede Woche steht unter einem Moto)
       an 200 bis 400 Orten stattfinden zu lassen.
       
       Es ist ein großes Zeichen der Stärke, dass die syrische Revolution immer
       noch mutig auf die Straße geht, trotz massiver Repression des Regimes, das
       in seiner Gewalt von Geheimdiensten des Irans, Iraks, Russlands und leider
       auch von US-amerikanischen Computer- und Internetfirmen wie Blue Coat
       unterstützt wird. Die Oppositionsbewegung hält durch, ohne Parteien, ohne
       öffentliche charismatische Führung und auch ohne Intellektuelle.
       
       Ich frage mich und hadere täglich mit mir, wenn die Berichte des
       Prominenz-Journalismus eine Lüge, ein Produkt der Eitelkeit sind. Warum
       schmerzt mich das so? 
       
       Weil ich nicht imstande bin, diese Prominenz-Journalisten ausreichend
       anzuklagen – wegen Vertuschung von Völkermord, wegen der Verachtung der
       syrischen Frauen und Männer, die ihr Leben auf der Straße geben, um die
       Freiheit zu erkämpfen.
       
       Die Prominenz-Journalisten wissen von den Morden, aber sie leugnen sie,
       weil sie dann ihre Verbundenheit mit den Mördern nicht mehr rechtfertigen
       könnten. Sie sind in gewisser Hinsicht ihre Gefangenen geworden. Das
       syrische Volk, das Leid und die ungeheuren Opfer spielen bei ihren eitlen
       Berichten nur eine Statistenrolle.
       
       Es ist eine tiefe Verletzung, die ich beim Lesen empfinde. Homs, die
       tapfere Stadt, die nun vom eigenen Herrscher bombardiert wird, fand
       weltweit Sympathie und Solidarität. Aber nicht bei den
       Prominenz-Journalisten, weil das alles Lüge strafen würde, was sie
       behauptet haben. Homs, die grüne schöne Stadt am Orontes (arabisch al Assi
       = der Ungehorsame), und ihre Bewohner galten immer als besonders ruhige,
       gelassene und lustige Menschen. Und nun ist Homs zum Herzen der Revolution
       geworden und deshalb will Assad, der Sohn, ein Exempel statuieren, so wie
       Assad, der Vater, 1982 in der nahen Stadt Hama. Damals hatte er 30.000
       unschuldige Tote hinterlassen.
       
       Nicht das Christentum, nicht das Judentum und nicht den Islam, sondern uns
       müssen wir befragen, ob es nicht reicht, dass nach so vielen Morden Scham
       das Gesicht der Menschheit überzieht, so wie in Guernica, Sarajevo und
       Ruanda.
       
       Der renommierte und engagierte spanische Autor Juan Goytisolo, der vor
       Jahren Aufsehen erregt hat, als er den mit 150.000 Euro dotierten
       Gaddafi-Preis ablehnte, schrieb in der spanischen Tageszeitung El País
       [6][einen bewegenden Artikel] über die Zerstörung der Stadt Homs durch den
       Mörder Assad.
       
       Die deutschen Prominenz-Journalisten aber sehen nichts als eine westliche
       oder islamistische Verschwörung. Die kritischen Berichte über die
       Gräueltaten Assads in Syrien seien zum größten Teil gefälscht. Sie stellen
       sich blind gegenüber Live-Berichten aus der Mitte der Demonstrationen, die
       stündlich aktuell gesendet werden. Die Filmer sind das beliebteste Ziel der
       Scharfschützen. Über das Internet kann man auf die Vignette eines dieser
       Sender klicken und [7][die Berichte sehen]. Es sind oft fast 20 Filme
       täglich!!!
       
       (Ich empfehle die Vignetten nicht anzuklicken, bei denen man Menschen
       sieht, die auf dem Boden liegen. Es sind traurige und bisweilen brutale
       Aufnahmen vom Tod von Demonstranten.) Die Mehrheit der Youtube-Videos
       zeigen direkte Demonstrationsaufnahmen und immer dokumentiert man akustisch
       und in Schrift Motto, Datum und Ort vor der Kamera. Es sind kluge Maßnahmen
       der Revolutionäre, um der Propaganda des Regimes entgegenzutreten, das
       behauptet, solche Aufnahmen würden im Irak von Schauspielern unter
       amerikanischer Regie gemacht.
       
       Die Prominenz-Journalisten spielen eine widerliche Rolle. Sie verleumden
       Tote und Lebende, um den Diktator zu decken. Todenhöfer: „Bei den Getöteten
       handelt es sich zu einem hohen Prozentsatz um Soldaten, Polizisten, aber
       auch um Zivilisten, die von bewaffneten Rebellen getötet wurden.“ (FAS, 19.
       2. 2012)
       
       Das behaupten Sie, angesichts eines Regimes, das nicht davor
       zurückschreckt, Verletzte zu quälen, bis sie ihre Kameraden verraten, das
       sogar Kinder tötet und die Eltern eines genialen Komponisten und Pianisten
       foltert, weil ihr Sohn, im Ausland lebend, Solidarität mit der syrischen
       Freiheitsbewegung bekundet hat. Malek Jandali hat eine Freiheits-Symphonie
       für den Sänger der Revolution Ibrahim al-Qashoush (1977–2011) komponiert.
       Qashoush wurde trotz seiner heiseren Stimme „Nachtigall der Revolution“
       genannt. Der Geheimdienst hat ihn entführt, gefoltert und ihm den Kehlkopf
       herausgeschnittenen.
       
       Hören Sie sich bitte einmal [8][die Musik an, die Jandali für Qashoush
       komponierte]. Ich lasse das Stück dreimal spielen. Draußen graut der
       Morgen. Es ist Montag, der 27. Februar 2012.
       
       2 Mar 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.zeit.de/2011/24/Syrien-Reise
 (DIR) [2] http://www.tagesspiegel.de/politik/juergen-todenhoefer-im-interview-wir-inspizierten-gerade-ein-glimmendes-wrack-/6091646.html
 (DIR) [3] http://zenithonline.de/deutsch/home/quicknews/artikel/scholl-latour-in-syrien-bei-assad-selbstbewusst-und-heiter-002447/
 (DIR) [4] http://www.pnp.de/nachrichten/heute_in_ihrer_tageszeitung/politik/332371_Den-Sicherheitsrat-kann-man-vergessen.html
 (DIR) [5] http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41558881.html
 (DIR) [6] http://internacional.elpais.com/internacional/2012/02/10/actualidad/1328898486_557181.html
 (DIR) [7] http://www.youtube.com/user/SHAMSNN
 (DIR) [8] http://www.youtube.com/watch?v=ax5ck0fzyaU&feature=player_embedded
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rafik Schami
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Jürgen Todenhöfer
 (DIR) Peter Scholl-Latour
       
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       Nach der jüngsten Eskalation der Gewalt flüchten wieder mehr Syrer in die
       Türkei. Im Nachbarland Libanon werden bewaffnete Oppositionelle verhaftet.
       
 (DIR) Bürgerkrieg in Syrien: Vize-Ölminister läuft über
       
       Der stellvertretende Ölminister des syrischen Regimes hat sich offenbar den
       Aufständischen angeschlossen. Das US-Verteidigungsministerium prüft
       Interventionsmöglichkeiten.
       
 (DIR) Syriens Armee schießt weiter auf Zivilisten: Angriff auf die nächste Protesthochburg
       
       Ganze Wohnviertel sind ohne Medikamente, Öl und Lebensmittel. Assads Armee
       schießt aber weiter auf Zivilisten. Die Städte Kusair und Rastan sollen
       unter Panzerbeschuss stehen.
       
 (DIR) Editorial Syrien: Syrien und die deutsche Öffentlichkeit
       
       In Syrien sollen die Oppositionellen in Homs ausgerottet werden. Während
       Journalisten anderer Länder sich ins Land trauen, trinken deutsche Reporter
       Tee mit dem Diktator.
       
 (DIR) Nahost-Forscherin über Syrien: „Einige Güter werden bereits knapp“
       
       Forscherin Anja Zorob über die wirtschaftliche Lage in Syrien, die
       gespaltene Opposition und die Zukunftsperspektiven des gebeutelten Landes.
       
 (DIR) Syrien und Irak: Scheich Duleimi ruft zum Aufstand
       
       Der Bürgerkrieg in Syrien spaltet die Iraker. Durch einen möglichen Sturz
       Assads erhoffen sich Sunniten eine Schwächung der Schiiten im Land.
       
 (DIR) Bürgerkrieg in Syrien: Zwei Journalisten wieder in Sicherheit
       
       Die beiden französischen Journalisten Edith Bouvier und William Daniels
       konnten von Homs in den Libanon fliehen. Die syrische Armee stürmte das
       Stadtviertel Baba Amr.
       
 (DIR) Bürgerkrieg in Syrien: Blackout über Baba Amr
       
       Rebellen und Soldaten liefern sich heftige Gefechte in der syrischen Stadt
       Homs. Die Rebellen sollen sich aus dem Stadtteil Baba Amr zurückgezogen
       haben.
       
 (DIR) Jahrestag Massaker in Syrien: Das Trauma bleibt
       
       Vor 30 Jahren tötete das Regime Assads in der Stadt Hama 20.000 Menschen.
       Heute tötet das Regime erneut – aber der Aufstand ist ein anderer als
       damals.