# taz.de -- Grüne stimmen über Parteirat ab: Renate Künasts Fiasko
       
       > Die Berliner Grünen lassen ihre Ex-Spitzenkandidatin bei der Parteiwahl
       > durchfallen. Die leistet Abbitte, gibt Fehler zu – und wird im zweiten
       > Durchgang doch noch gewählt.
       
 (IMG) Bild: Hat aus ihren Fehlern gelernt: Renate Künast.
       
       BERLIN taz | 188 Tage nach der Abgeordnetenhauswahl haben die Berliner
       Grünen ihre damalige Spitzenkandidatin Renate Künast für die verpasste
       Regierungsbeteiligung abgestraft. Bei der Wahl des neuen 21 Mitglieder
       starken Parteirates am Samstag stimmten im ersten Wahlgang nur 48,3 Prozent
       der Delegierten für die Chefin der Bundestagsfraktion. Sie verpasste damit
       den vorgegebenen Mindeststimmenanteil von 50 Prozent. Von den neun
       Bewerberinnen, die sich auf die acht den Frauen vorbehaltenen Plätzen
       bewarben, bekam sie das zweitschlechteste Ergebnis.
       
       Künast steht seit dem Fiasko bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl in der
       Kritik. Als sie im November 2010 die Spitzenkandidatur übernommen hatte,
       lagen die Grünen in Umfragen bei 30 Prozent. Bei der Wahl im September
       kamen sie nur auf 17,6 Prozent. Anschließend scheiterten auch noch die
       Koalitionsgespräche mit der SPD. Parteiweit gab es Kritik, der Wahlkampf
       habe zu wenig auf Inhalte gesetzt. Die Linken vergrätzte Künast, weil sie
       sich lange ein Bündnis mit der CDU unter grüner Führung offen hielt.
       
       Die Realos verärgerte sie, weil sie eine Koalition mit der Union kurz vor
       der Wahl ausschloss und später Schwarz-Grün generell eine Absage erteilte.
       Allerdings schien sich die Landesverband nach monatelangen internen
       Grabenkämpfen wieder gefangen zu haben. Bereits im Januar hatte ein
       Sonderparteitag mit großer Mehrheit einem Antrag zugestimmt, der mehr oder
       minder einen Schlussstrich unter die Fehlerdiskussion zog, den Blick nach
       vorn richtete und einen Debattenprozess über künftige Inhalte einleiten
       sollte.
       
       ## Bessere Vernetzung
       
       Künasts Abstimmungsfiasko beim Landesparteitag am Samstag kam daher für
       alle Seiten überraschend, zumal der Parteirat kein wirklich entscheidendes
       Amt ist. Das neu geschaffene Gremium soll künftig Abgeordnete und
       Parteiebenen besser miteinander vernetzen soll. Als das Ergebnis bekannt
       wurde, herrschte für einen Moment absolutes Schweigen im Sitzungssaal.
       Künast selbst stieß mehrfach die Luft aus geblähten Backen aus. Sofort war
       sie umringt von den beiden Landeschefs und führenden Realos wie
       Fraktionschefin Ramona Pop. Auch dabei, der im Zuge der internen
       Auseinandersetzung abgetretene, einstige Fraktionschef Volker Ratzmann –
       allesamt mit Grabesmienen auf den Gesichtern.
       
       Würde Künast nochmal antreten? Noch waren die sogenannten offenen Plätze im
       21-köpfigen Parteirat zu besetzen, für die sich nach Grünen-Satzung Männer
       und Frauen bewerben können. „Das klärt sich gerade“, hieß es. Ratzmann bat
       um eine Auszeit. Er wurde erhört: Künast bekam zehn Minuten Bedenkzeit,
       offiziell als „Unterbrechung“ deklariert.
       
       Im Saal machten derweil Erklärungsversuche die Runde: Die Linken hätten sie
       nicht gewählt, verbreiteten führende Realos. Parteichef Daniel Wesener, der
       vom linken Parteiflügel stammt, wies diesen Vorwurf zurück. „Es war die
       erste Gelegenheit, wo der Frust sich individuell entladen konnte“, sagte
       der Berliner Europaabgeordnete Michael Cramer nach Künasts Schlappe. Aber
       er war sicher: „Wenn sie nochmal antritt, wird sie mit großer Mehrheit
       gewählt“, sagte er der taz.
       
       Doch was, wenn nicht? Ein zweites Durchfallen würde Künast kaum verkraften.
       Andererseits konnte sie den Tag kaum ohne Erfolgserlebnis beenden, um nicht
       ihre Chancen für die wirklich wichtige nächste Parteiwahl zu schmälern:
       Ende des Jahres stellen die Berliner Grünen ihre Kandidatenliste für den
       Bundestagswahl im Herbst 2013 auf. Zudem kann Künast nicht wirklich
       beanspruchen, Spitzenkandidatin der Bundespartei zu werden, wenn sie es
       noch nicht mal in ihrem eigenen Landesverband in ein Gremium schafft.
       
       Nachdem aus zehn Minuten Pause rund 20 geworden waren, hatte sich Künast
       entschieden: Sie trat wieder an. „Ihr Lieben“, hob sie an, als sie zur
       Begründung ans Rednerpult ging. „Ich glaube, ich habe verstanden. Es war
       eine Botschaft für Dinge, die im Wahlkampf falsch gelaufen sind.“ Ein Kind
       hinten im Saal quakte „Wahlkampf“ nach, die Stimmung entspannte sich ein
       bisschen. „Ja, für manche ist das ein neues Wort – für mich nicht“. Sie
       habe auch vorher geahnt, „was da in manchem Herzen los ist“, sagte Künast.
       „Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Aber das will ich aufarbeiten“.
       Und dazu sei der Parteirat der richtig Ort.
       
       Lauter Beifall folgte auf ihre Worte, auch von führenden Linken. Eine halbe
       Stunde später war das Ergebnis des neuen Wahlgangs da: Künast fuhr von den
       elf Bewerberinnen und Bewerbern das beste Ergebnis ein: 76,5 Prozent.
       
       25 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Alberti
       
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