# taz.de -- Online-Enzyklopädie Wikipedia: Wikimedia wird zentraler und föderaler
       
       > Wikimedia, die Organisation hinter Wikipedia, bildet sich wieder um. Neue
       > Gremien sollen für eine gerechtere und effektivere Verteilung der
       > Spendengelder sorgen.
       
 (IMG) Bild: Wissen über Wissen. Im Internet ist es übersichtlicher gestapelt als hier.
       
       Elf Jahre nach der Gründung der Wikipedia ist die Organisation dahinter
       mehr als nur ein Büro zur Verwaltung der Server, auf denen unbezahlte
       Freiwillige ihre Artikel schreiben. Wikimedia ist zuständig für eine der
       größten Plattformen im Internet und obendrein einer der wenigen weltweit
       anerkannten Streiter für freies Wissen.
       
       Doch wer in der „Bewegung“ – so nennt sich Wikimedia mangels eines besseren
       Ausdruckes selbst – was zu entscheiden hat und wie die Spendeneinnahmen von
       28 Millionen Dollar verteilt werden sollen, wird jetzt neu ausgehandelt.
       
       Am Wochenende tagten in Berlin zirka 100 Wikimedia-Aktivisten in Berlin zur
       jährlichen Wikimedia Conference. Hier treffen sich die Vertreter der
       „Chapter“, der Organisationen, die die Wikipedia und freies Wissen im
       Allgemeinen fördern wollen. Die Konferenz findet jedes Jahr in Berlin statt
       – ein willkommener Anlass, die Personen kennenzulernen, mit denen man sonst
       nur per E-Mail oder Wiki kommuniziert und zum Gedankenaustausch über die
       Zukunft der Organisation.
       
       Es war ein produktives Treffen – da sind sich alle Beteiligten einig.
       Trotzdem war es spannungsgeladener als in den Jahren zuvor. Die Wikimedia
       Foundation mit Sitz in San Francisco hatte in den vergangenen Monaten die
       Zügel angezogen. Die Einnahmen der jährlichen Wikipedia-Spendenkampagne
       sollten komplett über die Konten in den USA fließen, die Ausgaben
       international von einem zentralen Gremium geregelt werden.
       Geschäftsführerin Sue Gardner hatte einen Vorschlag unterbreitet, der den
       vier Chaptern, die noch auf Wikipedia um Spenden werben dürfen, dieses
       Recht entzogen hätte.
       
       Nach Abschluss der Konferenz sehen sich beide Seiten bestätigt: Auch in
       Zukunft dürfen die vier Chapter – darunter auch Wikimedia Deutschland – bei
       der weltweiten Spendenkampagne mitmachen. Gleichzeitig hat der Stiftungsrat
       der Wikimedia Foundation aber auch die Einrichtung des „Funds Dissemination
       Committee“ beschlossen, das künftig die Ausgaben weltweit koordinieren
       soll.
       
       ## In Zukunft abhängiger
       
       Für die Chapter ist die Entwicklung nicht vielversprechend. Bisher waren
       sie die Schaltstelle zwischen der Wikipedia, den Lesern, Autoren und
       Kooperationspartnern. Durch das neue Organisationsschema wären sie in
       Zukunft abhängiger von den Vorgaben aus den USA.
       
       Parallel zu den neuen Vorschlägen zur Finanzierung von Wikimedia-Projekten
       hat sich die Wikimedia Foundation auch daran gemacht, den Wildwuchs von
       unterschiedlichsten Gremien, Nutzergruppen und Partnerorganisationen zu
       formalisieren. Die Chapter wären dann nur noch eine von vielen Ausformungen
       der weltweiten Wikimedia-Bewegung.
       
       Ein Grund für die Umorientierung: Wikimedia will sich mehr in Ländern
       engagieren, in denen Wikipedia bisher kein Selbstläufer war.
       Stiftungsratsmitglied Arne Klempert erklärt: „Ich hoffe, dass wir in
       Zukunft das Geld dort einsetzen können, wo es international die größte
       Wirkung entfaltet.“
       
       So hat die Wikimedia Initiativen gestartet, um die noch kleinen
       Wikipedia-Communities in Indien und Brasilien zu fördern, andere
       Entwicklungsländer sollen folgen. Sorgen um ihr bisheriges Budget müssten
       die Chapter aber nicht haben: „Ich sehe im Augenblick keinen Anlass zu
       glauben, dass es hier größere Änderungen geben wird“, sagt Klempert.
       
       ## Dauerhafte Beziehungen zu den Spendern
       
       Für manche ist das nicht genug. So zeigt sich Ziko van Dijk, Vorsitzender
       von Wikimedia Niederlande, enttäuscht darüber, dass seine Organisation bis
       2015 keine Chance bekommen soll, sich direkt an dem Spendenaufkommen der
       Wikipedia direkt zu beteiligen. „Für den Aufbau dauerhafter Beziehungen zu
       den Spendern wäre es dringend notwendig, dass die Wikimedia Niederlande am
       Spendensammelprozess beteiligt wäre“, erklärt er. „Dies kann der Verein in
       den Niederlanden vor Ort besser als eine Stiftung im fernen Kalifornien.“
       
       Damit die Chapter auch zukünftig eine entscheidende Rolle in der
       Wikimedia-Bewegung spielen werden, haben sich am Wochenende viele
       Teilnehmer der Konferenz verständigt, eine eigene Organisation zu gründen.
       30 Chapter haben sich dieser „Wikimedia Chapters Association“ bereits
       angeschlossen, die zukünftig ohne Umwege über die USA den Austausch der
       Wikimedianer weltweit fördern soll – und die Interessen der Chapter künftig
       auch gegenüber der Wikimedia Foundation vertreten soll.
       
       Wie das konkret aussehen wird, weiß noch niemand: Bis zur nächsten
       weltweiten Wikimedia-Konferenz im Juli in Washington D.C. müssen beide
       Seiten ihre Pläne konkretisieren. Ob die neue Struktur hilft, die Ziele der
       Wikimedia Foundation zu erfüllen, mehr Diversität in die Wikipedia zu
       bekommen, muss sich in den kommenden Jahren erweisen.
       
       6 Apr 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Torsten Kleinz
       
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